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Titel: Habecks Ministerium macht auf Pippi Langstrumpf: „Wirtschaft stabil, Rentenniveau eines der höchsten der Welt, Verschuldung gering“

Datum: 17. August 2022 um 14:05 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Bundesregierung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, PR
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Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) machte jüngst auf seinem Twitter-Kanal Werbung für ein Bezahlschranken-Interview Habecks mit der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel „Wir können die Krise stemmen“. Die Social-Media-Abteilung des Ministeriums verstieg sich in diesem Kontext unter anderem zu der Aussage, das Rentenniveau Deutschlands, also das Verhältnis des Lohns zur Rente, sei eines der höchsten weltweit. Daraufhin geäußerte zumeist sachliche Kritik von Bundesbürgern wurde vom Ministerium in einem wohl einmaligen Vorgang, der einer kommunikativen Bankrotterklärung gleichkam, unisono als „Putin-Propaganda“ oder „Verschwörungstheorie“ abgetan. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Auf diesen im Tweet des Ministeriums zitierten Aussagen von Habeck reagiert Twitter-Nutzerin Renate Apfelthaler mit den Worten:

Darauf antwortet das Ministerium umgehend mit der sehr gewagten Behauptung:

Nach dieser nachweislich falschen Tatsachenbehauptung des Ministeriums (Rentenniveau in Deutschland liegt zum Beispiel bei 51 Prozent, dieser Wert ist z.B. in Österreich, Frankreich, Italien und Spanien signifikant höher) gab es kein Halten mehr. Fast 2.000 Twitter-Nutzer kommentierten den Tweet und die Antworten des BMWK bis zum heutigen Tag. Die NachDenkSeiten dokumentieren einen Teil der Tweets und Antworten, um unseren Lesern ein Gefühl zu vermitteln, in welchem Ton und mit welchem Grad an Anmaßung sowie Verunglimpfung das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck mit Bundesbürgern „kommuniziert“.

Exemplarisch sei zum Beispiel auf den Tweet von Andi Koletti verwiesen, in welchem dieser gegenüber dem Ministerium erklärt, dass man diese Krise hätte beenden können, wenn man es gewollt hätte, denn diese sei von der Politik selbst verursacht. Zudem erklärt er, dass wir die letzten Jahrzehnte mit völkerrechtswidrigen Kriegen aufgewachsen seien und das Deutschland die Interessen der USA vertrete. Und wie lautet die Erwiderung des Wirtschaftsministeriums auf diese Darlegung? Die von Koletti genannten Punkte sind laut BMWK alles „Verschwörungstheorien“.

In diesem Niveau geht es weiter. Ein Twitter-Nutzer erklärt etwa in Bezug auf Habecks Aussagen, Deutschland könne die Krise stemmen:

„Er verursacht ein Problem, fährt Deutschland an die Wand und will sich dann als „Retter“ profilieren. Wieviel waren bei Schwab in der Schule“.

Darauf die bezeichnende und komplett generalisierende Antwort des Ministeriums:

Doch es wird noch besser. Twitter-Nutzerin Heike Boudica fragt angesichts der Aussagen des BMWK auf dem offiziellen Twitter-Account:

„Wer twittert eigentlich hier? Der Praktikant? Und dann soll man das #BMWK noch ernst nehmen? Das ist wohl nicht euer Ernst.“

Die Antwort des Wirtschaftsministeriums, apropos Verschwörungstheorien, ist an Absurdität kaum zu übertreffen:

„Der “Witz” mit dem Praktikanten ist vom russischen Propagandamedium RT übernommen.“

Ein jahrzehntealter Klassiker, bei unprofessionellem Verhalten rhetorisch auf einen „Praktikanten“ zu verweisen, und im konkreten Fall zudem noch in Frageform formuliert, ist für das Wirtschaftsministerium eine Übernahme „vom russischen Progagandamedium RT“. Und man scheint das allem Anschein nach ernst zu meinen im BMWK. Hintergrund des Verweises ist ein ironisch angehauchter Meinungs-Artikel von der RT-DE-Redakteurin Dagmar Henn, in welchem sie schreibt:

„Gut, man kann nicht erwarten, dass die Praktikanten, die für die Betreuung des ministeriellen Twitter-Kanals zuständig sind, schon einmal die europäischen Rentenstatistiken gelesen haben.“

Also, werte NachDenkSeiten-Leser, hüten Sie sich in Zukunft vor dem Ausdruck „Praktikant“ im Zusammenhang mit Habecks Ministerium, sie kommen sonst ganz schnell auf die „Putin-Troll“-Liste des BMWK.

Apropos Praktikant, dazu gibt es noch weitere Schmankerl bei der Twitter-Kanonade des BMWK:

Die Obsession mit Russland, Moskau und Putin zieht sich durch so ziemlich alle Antworten des Ministeriums. Ein weiteres Beispiel gefällig? Ein Twitter-User schreibt unter dem Ausgangstweet des Ministeriums:

“Die Schäden, die diese Regierung der Deutschen Volkswirtschaft und Bevölkerung bisher zugefügt hat, sind nur schwer zu beheben! Von außen sieht es aus wie ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung! Wozu? Wem nutzt das?”

Wie lautet die Antwort des, eigentlich zu Neutralität verpflichteten, Ministeriums?

“Von wo gucken Sie von außen – von Moskau aus?”

Und so geht es weiter und weiter: Jeder Bundesbürger, der sich nicht 1:1 dem Regierungsnarrativ zum Ukraine-Krieg unterordnet, wird vom Bundeswirtschaftsministerium als „Putin-Troll“ abgestempelt:

Auch auf völlig berechtigte Fragen und Sorgen von Bundesbürgern hinsichtlich der aktuellen makrowirtschaftlichen Entwicklungen, gerade angesichts einer Volkswirtschaft, die wie im Falle Deutschlands extrem exportabhängig ist, kommen vom Ministerium ausschließlich nicht faktisch untermauerte Beteuerungen und Unterstellungen. So wird auf den Tweet „Habeck, hör die Signale: Die deutsche Handelsbilanz schloss im Mai 2022 mit einem negativen Saldo von 0,9 Milliarden Euro ab. Im April 2022 hatte der Saldo der Außenhandelsstatistik bei +3,1 Milliarden Euro gelegen, im Mai 2021 waren es noch +13,4 Milliarden Euro“ mit der Behauptung geantwortet:

“Sie haben selektiv Zahlen herausgesucht. Hier können Sie sehen, dass die Wirtschaft stabil ist.”

Darauf folgt der Link auf die Hauptseite des Statistischen Bundesamts und nicht etwa auf eine Seite mit spezifischen Wirtschaftsdaten, die die Behauptung des BMWK tatsächlich stützen würde.

Auf die hier sichtbar werdende ausschließliche Schwarz-Weiß-Denkweise der Ministeriumsmitarbeiter, die scheinbar wirklich nur in absoluten Kategorien von „Gut“ (Westen) versus „Böse“ (Russland) denken und schreiben können, hat auch bereits der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring hingewiesen:

Es bleibt festzuhalten, dass es einem ausschließlich mit Steuergeldern finanziertem Ministerium nicht ansteht, in dieser dokumentierten Art und Weise mit Bundesbürgern umzuspringen. Das gilt auch für Twitter oder andere Soziale Medien, auf welchen private Nutzer einen durchaus schnoddrigen bis toxischen Umgangston pflegen. Aber genau das macht den Unterschied aus: Privatperson versus einem der wichtigsten und einflussreichsten Ministerien der Bundesregierung. Andererseits bestätigt das Agieren der Socialmedia-Abteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz in gewisser Weise eine alte deutsche Volksweisheit: „Wie der Herr, so’s Gescherr.“


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