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Titel: Antwort der Bundesregierung zu „Gegneranalyse“ und Diffamierung der NachDenkSeiten: „Dieses Vorgehen wurde nicht abgestimmt“

Datum: 19. Oktober 2022 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Bundesregierung, Erosion der Demokratie, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
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Wie die NachDenkSeiten ausführlich berichtet hatten, fördert die Bundesregierung seit 2021 das Projekt „Gegneranalyse“ der umstrittenen Grünen-nahen Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ (LibMod). Jenes ausschließlich steuergeldfinanzierte Vorhaben hat sich zur Aufgabe gestellt, kritische (in der Projektsprache „systemoppositionelle“) Medien zu analysieren und zu überwachen. Vor diesem Hintergrund hat die Linksfraktion eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Die Antworten liegen jetzt vor und werfen ein bezeichnendes Licht auf die Förder-, aber auch Antwortpraxis der Exekutive in diesem Land. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im Begründungstext für die von der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen initiierte Kleine Anfrage (die 27 Fragen umfasst) wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Fragesteller es für rechtlich problematisch halten, „dass mit Bundesmitteln ein Projekt gefördert wird, das die Einordnung der NachDenkSeiten in den Bereich „systemoppositionelle Medien“ belegen soll, die laut Projektbeschreibung „auf eine Delegitimierung der demokratischen Institutionen abzielen.“ Diese Art der Darstellung sei geeignet, so heißt es weiter, den Eindruck zu erwecken, die NachDenkSeiten seien ein verfassungsfeindliches Medium. Als reine Meinungsäußerung einer privaten Grünen-nahen Denkfabrik wäre dies nicht weiter relevant, „aber wenn diese Meinung mit Steuermitteln verbreitet wird, bietet es Anlass zu Fragen.“

Und die Antworten der Bundesregierung haben es in sich. Auf die Frage, ob der polemische und historisch belastete Begriff „Gegneranalyse“ als Kurztitel des Projektes zwischen LibMod und den Förderern (Familienministerium und Bundeszentrale für politische Bildung) abgestimmt war, antwortet die Bundesregierung unmissverständlich:

„Dieses Vorgehen wurde nicht mit den fördernden Institutionen abgestimmt.“

Das muss man erstmal sacken lassen. Die Bundesregierung räumt hier unumwunden ein, dass die private Grünen-nahe LibMod-Stiftung einen Projektantrag über 300.000 Euro unter einem völlig anderen Namen („Gegenmedien“) gestellt, und dann nach Erhalt der Gelder den viel verfänglicheren Namen „Gegneranalyse“ genutzt hat. Wohlgemerkt, ohne dies in irgendeiner Form zuvor mit dem Geldgeber besprochen zu haben. Dieses Agieren hat bis heute keinerlei Konsequenzen. Man stelle sich so ein Vorgehen bei Antragstellern mit anderer politischer Ausrichtung vor. Und noch kurz zur historischen Einordnung und Pfadabhängigkeit des Begriffs: Heinrich Himmler gründete 1931 den Sicherheitsdienst (SD) als Nachrichtendienst der SS mit der expliziten Aufgabe „Gegnerbeobachtung und -bekämpfung“.

Wie man im Screenshot und auf der Website ersehen kann, lautet wirklich alles in dem Projekt auf diesen nicht mit dem Ministerium abgestimmten Namen „Gegneranalyse“:

Dass die Grünen und Grünen-nahe Organisationen ein sehr spezielles Verständnis von „Gegnerbeobachtung“ haben, zeigt auch dieser Vorfall von 2009 auf.

Ebenfalls aufschlussreich ist die Antwort der Bundesregierung auf Frage 9 der Kleinen Anfrage:

Frage Nr. 9:

„Haben die Nachdenkseiten nach Kenntnis der Bundesregierung selbst erklärt, Gegner der liberalen Demokratie zu sein, und wenn ja, an welcher Stelle (bitte URL oder Quelle angeben), wenn nein, wie ist dann aus Sicht der Bundesregierung ihre Einbindung in das Projekt des LibMod zu erklären, dessen Ziel es nach Auskunft des BMFSFJ gegenüber den Nachdenkseiten ist, „die selbsterklärten Gegner der liberalen Demokratie zu analysieren“?“

Antwort der Bundesregierung

„Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor. Zudem hat das BMFSFJ keine Auskunft zum Projekt, wie es die Fragestellung unterstellt, erteilt. Vielmehr wurde in Antwort auf eine entsprechende Anfrage zur Definition des Begriffs „Gegneranalyse“ auf die Ausführungen des Projektträgers auf seiner Homepage verwiesen, ohne sich diese zu eigen zu machen.“

Halten wir fest: Die Bundesregierung erklärt, dass ihr, im Gegensatz zur Behauptung des LibMod-Projektes und seiner Autoren, keinerlei Erkenntnisse vorliegen, dass die NachDenkSeiten sich selbst als „Gegner der liberalen Demokratie“ bezeichnet hätten. Das ist wohlgemerkt eines der zentralen „Argumente“ des steuerfinanzierten Gegneranalyse-Projektes, um zu rechtfertigen, wieso sie die NachDenkSeiten in Form von „Monitorings“ überwachen und in Form einer „Fallstudie“ analysiert haben.

Da die Bundesregierung einräumt, über keine diesbezüglichen Erkenntnisse zu verfügen, und das umstrittene LibMod-Projekt selbst dies zwar behauptet, aber in keiner Form belegt, ergibt sich aus dieser Antwort, dass „Gegneranalyse“ im konkreten Fall der NachDenkSeiten einfach einen Tatbestand erfunden hat, ergo Fakenews verbreitet. Ein zweifellos skandalöser Vorgang, der bisher aber zu keinerlei rechtlichen und/oder finanziellen Konsequenzen geführt hat.

Nico Popp nimmt in einem Beitrag der jungen Welt zu „Gegneranalyse“ eine entsprechende Einordnung des mit Bundesmitteln finanzierten Denunziationsportals vor:

„Tonfall und Argumentation wirken durchweg so, als habe das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Pressestelle ausgegliedert, um den eigenen Output unter „unabhängiger“ Flagge verbreiten zu können.“

Vor diesem aufgezeigten Hintergrund ist auch die folgende Antwort der Bundesregierung bezeichnend:

Frage Nr. 10:

„Nimmt die Bundesregierung eine Unterscheidung zwischen „Alternativmedien“ oder „Gegenmedien“ auf der einen und „etablierten Qualitätsmedien“ auf der anderen Seite vor, so wie es in der Projektbeschreibung des LibMod geschieht und wenn ja, nach welchen Kriterien, wenn nein, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung ggf. dann aus der Vornahme einer solchen Unterscheidung durch das LibMod vor dem Hintergrund der Förderung des Projektes „Gegneranalyse“ mit Bundesmitteln?“

Antwort der Bundesregierung:

„Die Veröffentlichungen von Trägern im Rahmen von geförderten Projekten stellen keine Meinungsäußerung der Bundesregierung dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die jeweiligen Autorinnen und Autoren die Verantwortung. Aus diesen Gründen erfolgt keine Wertung bezüglich der Inhalte der Publikation durch die Bundesregierung.“

Auf diese nichtssagende Antwort auf Frage 10 verweist die Bundesregierung bei insgesamt 12 der 27 Fragen. Sei es die Frage, ob nach Ansicht der Bundesregierung beim Projekt Gegneranalyse ein Eingriff in die Pressefreiheit vorliege oder wie diese es bewerte, dass bei Gegneranalyse „Gegenöffentlichkeit“ per se als „für die Demokratie bedrohlich“ dargestellt werde sowie bei einer ganzen Reihe von Nachfragen, die sich auf zahlreiche, einer Prüfung nicht standhaltenden Behauptungen in der „Fallstudie“ zu den NachDenkSeiten beziehen. Immer heißt es:

„Die Fragen Nr. 12 bis Nr. 15 (…) Nr. 17 bis Nr. 24 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage Nr. 10 verwiesen.“

Zusammenfassend lässt sich diese Haltung grob so zusammenfassen: Die Bundesregierung finanziert das Ganze zwar großzügig, weigert sich aber vehement, selbst gegenüber der sie eigentlich kontrollierenden Legislative, eine qualitative Einschätzung des von ihr mit Steuergeldern finanzierten „Endprodukts“, wohlgemerkt eine Denunziationsplattform gegen regierungskritische Medienplattformen und Journalisten, vorzunehmen.

Dieser ganze Vorgang ist auf mehreren Ebenen ein Skandal. Eine Einschätzung, die auch die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen teilt. Gegenüber den NachDenkSeiten erklärte sie:

„Dass die Bundesregierung mit ihren grünen Ministerinnen und Ministern eine von früheren grünen Spitzenpolitikern gegründete Organisation mit Steuergeldern in Millionenhöhe massiv subventioniert und jetzt mächtig Stimmung machen lässt für den „Krieg an allen Fronten“ samt aggressiver Denunziation reichweitenstarker Ampel-Kritiker wie der NachDenkSeiten, ist schlicht skandalös und erweckt den Eindruck politischer Vetternwirtschaft. Den öffentlichen Haushalt als Selbstbedienungsladen zur Finanzierung von Kampagnen gegen die eigenen Kritiker zu gebrauchen, ist wenig demokratisch, sondern schlicht totalitär.“

Und was die angesprochene LibMod-Finanzierung aus dem Staatssäckel angeht, da lässt sich die Bundesregierung nicht lumpen. Die Fördersumme bewegt sich im siebenstelligen Bereich. Wie aus der Anlage zur Kleinen Anfrage hervorgeht, umfasst allein die sogenannte „institutionelle Förderung“ des Zentrums Liberale Moderne durch das Bundespresseamt (BPA) 1,6 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich laut der Auflistung die Zuwendungen aus Bundesmitteln für diese „Denkfabrik“ seit 2018 auf rund 4,5 Millionen Euro. Diese aktuelle Auflistung erscheint zudem unvollständig. Wie die NachDenkSeiten bereits im August auf Basis einer anderen Anfrage berichtet hatten, beträgt die Summe insgesamt 5 Millionen Euro. In der aktuellen Auflistung fehlt eine zuvor aufgeführte Projektförderung des Bundesinnenministeriums für LibMod von 2020 bis 2022 in Höhe von 485.379,08 Euro:

Die Rechtsform der LibMod lautet übrigens „gemeinnützige GmbH.“ Inwieweit dieser „gemeinnützige“ Status angesichts der Tätigkeit und Finanzflüsse der Grünen-nahen Denkfabrik noch gerechtfertigt ist, hatte bereits Friedrich Küppersbusch in einem Investigativ-Beitrag Ende Juli 2022 hinterfragt:

Die gesamte Anfrage und Antworten der Bundesregierung, inklusive der Aufschlüsselung der bisher erfolgten LibMod-Finanzierung, ist hier einsehbar:

Titelbild: Screenshot Kleine Anfrage


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