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Titel: Redakteure, haben Sie Mut, bitte mehr von diesen Kommentaren!

Datum: 24. Januar 2023 um 11:18 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medien und Medienanalyse, Militäreinsätze/Kriege
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Das gibt es heutzutage auch noch, dachte ich beim Hören eines Radio-Kommentars bei MDR-AKTUELL. Der Beitrag fiel mir, zugegeben, erst dann und deshalb auf, weil Autorin und Redakteurin Rommy Arndt sich nach der Ausstrahlung ihres Kommentars massiver Kritiken gegen ihre Meinung ausgesetzt sieht und dies heftig in den be-herrschenden Medien ausgetragen wird, wo doch ihre Worte herzerwärmend und energisch Einspruch gegenüber der gerade vor-herrschenden Meinungseinheit der von ihr kritisierten Politiker und Medienkollegen erheben. Sie artikulierte ihre Angst vor einer Kriegsbeteiligung unserer Seite, ihre Empörung gegen die Kriegstreiberei und sie erinnerte, dass Deutschland schon mal weltweit viel Leid und Zerstörung verursacht hat. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt MDR hat in ihrem Rundfunkformat MDR-Aktuell eine Redakteurin mit einem Kommentar zu Wort kommen lassen, in welchem die Frage „Soll Deutschland schwere Kampfpanzer an die Ukraine liefern?“ gestellt wurde. Unter uns: Derartige Kommentare sind gerade selten.

Nebenbei, Kommentare sind Teil des täglichen Geschäfts, sie gehören im Journalismus zur Kategorie „Meinung“. Die Autoren dürfen sich äußern. Frei. Und man kann als Zuschauer oder Zuhörer, als Leser zustimmen, man kann empört sein, man kann geteilter Ansicht sein. Man kann dagegen sein. Es geht ums Streiten, Debattieren, Austauschen. In Deutschland gilt Pressefreiheit und Meinungsfreiheit und so weiter. Vor allem gilt (eigentlich) für die Medien: ausgewogen, vielfältig, kritisch und staatsfern sollten die publizistischen Arbeiten sein und in ihrer Gesamtheit veröffentlicht werden.

Und ja, die Redakteurin des MDR sagte ihre Meinung. Doch genau das gefiel nicht nur nicht jedem, ihre Wortmeldung wurde hergenommen, die Autorin teils anzufeinden, als stünde ihr diese Meinung nicht zu. Was nun? Haben wir Meinungsfreiheit oder nicht? Die Lage sieht empörenderweise so aus: Gerade haben d i e Meinungen beste Chancen platziert zu werden, die genehm sind, genehm einem Kurs, der, so Arndt, uns in einen Krieg treiben könnte. Krieg herrscht ja schon, die Rüstungsindustrie verdient sich dumm und dämlich. Dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, wenige Kommentare nehmen sich dieses Zieles an, einer davon ist der von Rommy Arndt.

Arndts Wortmeldung unterscheidet sich von vielen derzeitigen ihrer Kollegen in Funk und Fernsehen, in Printmedien und Internetpublikationen und im Besonderen des Mainstreams, also dem Strom, dem man am besten zu folgen hat. Und dieser Strom fließt stramm in Richtung Eskalation, Aufrüstung, Militarismus und Scharfmacherei gegen all die, die das nicht mitmachen wollen. Was bei vielen Kommentaren, Leitartikeln, Aufmachertexten und Beiträgen entsprechend als „Meinung“ durchgeht, das gilt dem Mainstream bei Arndts „besonderen“ Kommentar dann folglich nicht als genehm. Klar. Wo kämen wir da hin, wenn jemand aus der Reihe tanzt? Die Hardliner in den Redaktionsstuben toben und aus Politikerkreisen hagelt es Kritik, Häme und ein boshaft formulierter Wunsch der Ausgrenzung der Journalistin ist auch dabei. So liest man auf der Seite von T-Online:

Für diesen ersten Kommentar ihrer Karriere fing sich die Redakteurin in den sozialen Medien heftige Kritik ein. “Wäre schön, wenn es auch der letzte zu diesem Thema wäre”, schreibt T-Online Kolumnist und Militärexperte Carlo Masala auf Twitter.

So nicht, Carlo Masala, gerade jetzt sind solche Wortmeldungen wichtig – auch für Sie, Gegner des Kommentars. Und für die, die vielleicht meinen, sich den Krieg aus einer Komfortzone anschauen zu können und/oder vielleicht sogar davon zu profitieren! Hört zu, Kritiker: Rommy Arndt sprach wahre Worte, sie äußerte ihre Sorgen, nicht zu vergessen: Sie ist damit im Land nicht allein. Sie sagte, die Grenzen des Denkbaren, Sagbaren, Machbaren werden gen Krieg und noch mehr Distanz und Hass und Eskalation verschoben. Stimmt. Und sie mahnte: Deutschland hat schon mal viel Leid und Zerstörung verursacht. I. Weltkrieg, II. Weltkrieg. Ihre Worte hört: Ich bin entsetzt. Empört. Leichtfertig nach 78 Jahren wieder in einen Krieg ziehen lassen. Wegen einer verfehlten Politik …

Mittendrin in dieser verfehlten Politik agiert eine Frau aus der FDP. Rommy Arndt kritisierte sie entschieden und findet teils ironische Worte der Art „in der Freizeit Kontakte zur Rüstungsindustrie“. Stimmt. Man braucht sich nur mal die Liste der Engagements dieser in Talkshows omnipräsenten Dame durchzusehen – es muss mehr als nur Freizeit sein. Diese Freie Demokratin meint allen Ernstes, dass Bundeswehrsoldaten einst wieder in die Schlacht ziehen, um europäische Werte zu verteidigen, konkret in und mit der Ukraine als Land, das im eigenen Territorium aktuell enorm, außer zu kämpfen, viel zu tun hat, diese EU-Werte umzusetzen. Baustellen satt gibt es: Minderheiten, Opposition, Korruption, Rassismus, Faschismus, Nationalismus, Kapitalismus.

Arndt formulierte bitter: „Diese Bundesregierung hat geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Was sie tut, ist das Gegenteil davon. … Das Land in einen Krieg hineinzutreiben, ist der größte Schaden, den Politik überhaupt anrichten kann. … Diese Regierung verletzt seit Monaten auf unverzeihliche Art diesen Amtseid …“ Sie fordert zum Umdenken und zum Handeln auf. Deutschland ist ja souverän und kein Vasallenstaat. Oder?

Wie mit Arndt umgegangen wird von denen, die nicht ihrer Meinung sind, reiht sich nahtlos ein in das derzeit mehr und mehr aufgebaute Klima, das alles andere als Entspannung, Mäßigung und Dialogbereitschaft auszeichnet. Umso mehr muss ausgesprochen werden: Redakteure, haben Sie Mut, bitte mehr von diesen Kommentaren!

Das MDR äußerte sich auf seiner Rundfunkseite.

Zu diesem Kommentar erreichen uns eine Vielzahl an Rückmeldungen. Aus diesem Grund eine Erklärung der MDR-Chefredaktion:

Panzer-Lieferungen werden von vielen Menschen bundesweit und von einer Mehrheit im Osten Deutschlands abgelehnt (Quelle: Infratest/dimap). Viele Menschen ängstigt der Krieg in der Ukraine und mögliche Folgen.

Die Vielfalt von Perspektiven und Meinungen in einer Gesellschaft breit und differenziert abzubilden, ist ein wichtiger Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags.

Dazu zählen neben diesem Kommentar kontinuierlich Formate und Inhalte auf all unseren Ausspielwegen, die sich sehr differenziert mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine auseinandersetzen.

Gleichwohl sieht die Chefredaktion bei diesem Kommentar unsere journalistischen Qualitätskriterien bzgl. der Äußerungen zu der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Frau Strack-Zimmermann, nicht ausreichend berücksichtigt. Wir werden dies in der Redaktion auswerten.

Aus Gründen der Transparenz haben wir uns entschieden, den Kommentar nicht zu bearbeiten.

Anmerkung der Redaktion: Den Vogel bei der Schmähkritik an Rommy Arndts Kommentar schoss einmal mehr der ehemalige Tagesspiegel-Journalist Matthias Meisner ab, der in einem „Artikel“ auf dem Denunziationsportal „Volksverpetzer“ der MDR-Journalistin vorwirft, sie habe als „Event-Moderatorin – unter anderem im Auftrag der sächsischen Staatsregierung – Geschäfte [ge]macht.“ Dazu muss man wissen, dass Meisner sein Geld unter anderem mit Auftragsarbeiten der grünen-nahen Denkfabrik LibMod verdient, die ihrerseits mit mehreren Millionen Euro vom Staat finanziert wird. Wer im Glashaus sitzt, sollte … aber Ratschläge dieser Art werden bei Herrn Meisner ohnehin verpuffen.


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