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Titel: Ulrike Guérot: „Dass auch Deutschland endlich umfassend mit einer Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen beginnt.“

Datum: 28. März 2024 um 14:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Gesundheitspolitik, Innen- und Gesellschaftspolitik, Interviews
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Wer sollte in einer Enquetekommission zur Aufarbeitung der Corona-Maßnahmenpolitik sitzen? Im zweiten Teil des NachDenkSeiten-Interviews mit Ulrike Guérot geht es um das Thema Corona-Aufarbeitung. „Klar ist inzwischen, dass die meisten Corona-Maßnahmen übergriffig, unnütz und im Zweifelsfall rechtwidrig waren“, so Guérot. Die NachDenkSeiten haben die Politikwissenschaftlerin gefragt, wie sie über die Aufarbeitung der Corona-Politik denkt. Sie findet klare Worte und fordert eine Amnestie für Strafen, die für Maßnahmenverstöße verhängt wurden. Zum Umgang mit den Ungeimpften während der Corona-Krise sagt sie: Wie eine derart „rigorose, gruppenspezifische Ausgrenzung (…) politisch durchgewunken werden konnte“, müsse aufgeklärt werden. Guérot plädiert für eine Enquetekommission und einen Runden Tisch. Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Was sagen Sie zum Stand der Dinge in Sachen Aufarbeitung der Corona-Politik?

Seit vielen Monaten arbeiten Juristen in vielen Ländern weltweit an internationalen Klagen, z.B. gegen die Impfstoffhersteller Pfizer & BioNTech oder gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Verantwortliche für die Impfstoffbeschaffung durch möglicherweise unlautere Verträge, und es gibt eine internationale Vernetzung, um den sogenannten Pandemie-Vertrag der WHO zu stoppen. Der Schweizer Rechtsanwalt Philipp Kruse ist hier zum Beispiel führend und engagiert tätig. Es wird auch von Einzelpersonen auf jeder Ebene geklagt. Einige Länder sind hier schon weiter als Deutschland. So hat der Oberste Gerichtshof der USA etwa geurteilt, dass die mRNA-Impfstoffe keine Impfstoffe sind. Darauf lassen sich ggf. weitere Klagen aufbauen, denn die Kampagnen haben ja eine notwendige Impfung beworben, die auch noch verpflichtend werden sollte.

Es laufen mehrere Klagen von Impfstoffgeschädigten, bislang leider nicht mit viel Erfolg. Ein staatlicher Fond für Impfgeschädigte wäre eine wichtige politische Forderung im Rahmen einer Aufarbeitung. Eine Gruppe Wissenschaftler namens „7Argumente“, darunter Chemiker und Statistiker, befragt immer noch die Aufsichtsbehörden wie etwa das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland zu den bekannten Verunreinigungen der Impfstoffe und den einhergehenden Verletzungen der behördlichen Kontrollpflichten u.v.a.m. Das Magazin Multipolar hat erst kürzlich über 2.000 Seiten Protokolle des RKI freigeklagt und – allerdings mit Schwärzungen – veröffentlicht, die eine große öffentliche Debatte ausgelöst haben. Aus diesen Dokumenten geht eindeutig hervor, dass es zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns keine wissenschaftlich erhärteten Hinweise auf eine besondere Gefährlichkeit von Corona gab, sondern im Gegenteil, dass die Gefährlichkeit absichtlich aus politischen Gründen „hochskaliert“ werden sollte. Dem muss natürlich nachgegangen werden, vor allem mit Blick darauf, wer dies politisch veranlasst hat.

Erinnert sei hier an den Oberregierungsrat Stephan Kohn, der früh in einem umfassenden Bericht die Gefahr durch die Virussituation eingeschätzt hat. Er sprach von einem „Fehlalarm“ – und wurde suspendiert.

Wenn ich richtig informiert bin, steht Stephan Kohn immer noch in einem schwebenden Disziplinarverfahren, kann aber hoffentlich in das Innenministerium zurückkehren. Er war der einzige (sic!) Beamte, der sich gegen das sogenannte „Panikpapier“ des BMI zu Beginn der Corona-Krise wandte, in dem Beamte expressis verbis zur Panikmache in der Bevölkerung aufriefen – etwa, dass man den Menschen Angst vor dem Erstickungstod machen müsse. Wenn man sich vor Augen führt, wie wenige Beamte in einer großen Behörde damals richtige oder bedächtige Reflexe oder Mut zum Widerspruch hatten, dann werden einem die Dimensionen des Konformitätsdrucks, dem das Land in der Corona-Zeit erlegen war, erst so richtig klar.

Als ich das Panik-Papier im März 2020 gelesen habe, gegen das Kohn Einspruch erhob, war mein erster Gedanke: „Ruhe ist die erste Bürgerplicht“ – ein Spruch, der Friedrich-Wilhelm Graf von der Schulenburg zugesprochen wird, als er 1806 die Niederlagen der preußischen Armee von Jena und Auerstedt kundtun musste. Diese Mahnung zu bedächtigem Handeln – vor allem angesichts eines Schreckens – ist doch eigentlich ein bekannter Grundsatz im Beamtentum. Jeder weiß, dass unter Panik nichts Gutes entsteht; warum man also ein ganzes Land bewusst unter Panik setzen wollte, ist mir schleierhaft. Es war mindestens fahrlässig.

In anderen Ländern gehen Regierungen im Hinblick auf ihre Maßnahmenpolitik auf die Bürger zu, suchen eine Befriedung der Konflikte.

Slowenien hat bereits eine Amnestie erlassen für alle, die während der Corona-Maßnahmen zu Unrecht verurteilt wurden, z.B. Ärzte, die Maskenatteste erteilt haben etc. Eine solche Amnestie wäre – zum Beispiel nach einem Regierungswechsel 2025 – auch für Deutschland eine gute Idee, auch um die Gerichte zu entlasten, die heute immer noch kleinteilige Strafen oder Verstöße gegen die Corona-Regeln aburteilen, obgleich heute klar ist, dass die meisten Corona-Maßnahmen unnütz, übergriffig, schädlich und im Zweifelsfall rechtwidrig waren – und man das zum Zeitpunkt ihrer Einführung auch gewusst hat, wie man in dem Buch von Thomas Maul („Was man wann wissen konnte“) nachlesen kann. Personen, die sich der emotionalen Nötigung (Maskentragen, Impfung) entzogen haben, wurden bestraft, obgleich sie vernünftig gehandelt haben. Wo der „Corona-Staat“, wie Alexander Christ in seinem gleichnamigen Buch argumentiert, selbst das Recht gebeugt hat, dürfen diejenigen, die bei der Rechtsbeugung nicht mitgemacht haben, nicht bestraft werden.

Öffentlich um Verzeihung bitten – davon war bisher nicht viel zu sehen. Zumindest in Deutschland.

Nein, weder Jens Spahn noch Karl Lauterbach oder auch die Vorsitzende des Ethik-Rates Alina Buyx haben das getan – im Unterschied zu anderen Ländern wie etwa Dänemark, Schweden oder auch Australien.

Dafür gab es kleine Zugeständnisse.

Ja, etwa, dass man mit den Kindern zu hart umgegangen sei und Schulschließungen nicht nötig gewesen wären, siehe Schweden. Hier wurden Fehler eingeräumt und das ist ein Zugeständnis. So etwas nennt man heute „limited hangout“, eine kleine Entschuldigung wird geflüstert und dann hofft man, dass es damit gut ist.

Damit ist es aber nicht gut?

Die Gesellschaft hat ein langes Gedächtnis. Zu viele Menschen haben in den Corona-Jahren traumatisierende Geschichten erlebt, ihre Existenz verloren, oder ihre Gesundheit ist jetzt durch die Impfung dauerhaft geschädigt. Ich kann allen Lesern ex post zur Lektüre nur noch einmal das Buch „Möge die ganze Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ empfehlen, wenn man sich die unfassbaren sprachlichen Entgleisungen von Politikern, aber auch Journalisten oder Künstlern während dieser Zeit vor Augen führen möchte. Gegen das Vergessen muss gearbeitet werden, das gilt ja auch für andere Schrecken wie Krieg oder Terror, wo dieser Satz immer bemüht wird.

Auch bräuchte es eine zusammenfassende Studie über die gesellschaftlichen Kollateralschäden, die in ihrer Gänze noch nicht untersucht wurden und wohl auch noch nicht beendet sind, denn die Langzeitfolgen, z.B. mit Blick auf Bildung und die Gesundheit der Menschen, sind ja noch nicht alle sichtbar. Mit ihnen wird man umgehen müssen.

Was ist, wenn das nicht passiert?

Wenn die Corona-Jahre nicht ordentlich aufbereitet werden, dann wird es in der Bevölkerung weiter latent gären, und das Vertrauen in Parlament, Demokratie und Institutionen wird weiter abnehmen. Es muss klargestellt werden, dass Derartiges nie wieder passiert, um wieder Vertrauen in die Demokratie und eine vernünftige Krisenbewältigung zu generieren.

Wie kann das geschehen?

Dafür müssten Sicherungen eingebaut werden, etwa, dass man nicht über Nacht das Parlament gleichsam beiseiteschieben und einfach einen Ministerpräsidentenrat als Exekutiv-Organ einrichten kann, der nicht in der Verfassung vorgesehen ist. Die kritischen Stimmen, die man zum großen Teil – teilweise unter erheblichen Sanktionen und persönlichen Schmähungen – aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt hat, müssen rehabilitiert werden.

Wen meinen Sie da?

Zum Beispiel den Arzt Wolfgang Wodarg, der schon im April 2020 Bedacht und eine realistische Einschätzung des Virus und seiner Gefahren angemahnt hat.

Noch jemand?

Zum Beispiel Michael Ballweg, der die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen im August 2020 organsiert hat und der aus fadenscheinigen Gründen zehn Monate in Untersuchungshaft saß, ohne dass im Anschluss daran mangels Anklagepunkte ein Hauptverfahren gegen ihn vor dem Landgericht Stuttgart eröffnet wurde. Solche rechtsstaatlichen Entgleisungen gehören dringend publik gemacht und aufgearbeitet.

Über den Fall von Michael Ballweg ist jetzt bei Tiger Press ein Buch erschienen, für diejenigen, die das ausführlich nachlesen möchten. Aber es gibt viele mehr.

Jedenfalls: Der Ausschluss, die Kontrolle oder die Überwachung kritischer Stimmen, wie sie derzeit in dem sogenannten „Demokratiefördergesetz“ von Nancy Faeser eingeleitet wird und das de facto autoritäre Züge hat – der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat bereits moniert, das Gesetz sei verfassungswidrig –, ist sicherlich der falsche Weg: er führt nicht in die Aufarbeitung, Entspannung und Demokratie, sondern in zunehmende Polarisierung, Konfrontation und Zersetzung der Gesellschaft.

Es muss als einiges getan werden.

Es ist Zeit und es gibt viel Luft nach oben, dass auch Deutschland endlich mit einer umfassenden Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen beginnt. In der WELT konnte man kürzlich lesen, dass es laut Aussagen von MdBs in den Wahlkreisen bei Publikumsveranstaltungen inzwischen rumort. Die FDP hat eine Enquetekommission gefordert, wie sie es z.B. im Landtag von Brandenburg schon gibt. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht hat sich so positioniert. Im Europäischen Parlament dürfte die Aufarbeitung nach den Europawahlen auf europäischer Ebene ebenfalls beginnen: Viele kleine, unabhängige Listen in ganz Europa sind speziell mit dem Thema der Corona-Aufarbeitung angetreten, z.B. die Liste DNA in Österreich oder B.R.D. in Deutschland. Ich vermute bzw. hoffe, dass eine Aufarbeitung darum auch zum Gegenstand des nächsten Bundestagswahlkampfes 2025 werden wird.

Sie fordern auch eine Enquetekommission. Wie soll diese aussehen? Wie soll sie besetzt sein? Wie könnte ihre Arbeit ablaufen?

Dutzende Prominente, Politiker und Wissenschaftler fordern inzwischen eine Enquetekommission. Für ihre Zusammensetzung haben sich insbesondere diejenigen Politiker, Wissenschaftler, Ärzte oder Juristen qualifiziert, die bereits während der Corona-Maßnahmen einen bedächtigeren Kurs angemahnt und frühzeitig auf Fehlentwicklungen hingewiesen haben, kurz: Personen, die man jetzt nicht als „Wendehälse“ bezeichnen kann, sondern die im Moment der Krise ihre Standfestigkeit auch unter gesellschaftlichem Druck bewiesen haben.

Diese Kommission müsste unbedingt parteiübergreifend sein. Dabei darf keine Partei ausgegrenzt werden, auch nicht die AfD, die – ganz egal, ob man sie mag oder nicht – im Bundestag einige kleine und große Anfragen an die Bundesregierung zu den Coronamaßnahmen, den Impfstoffen etc. gestellt hat, die die Bundesregierung indes meistens evasiv beantwortet hat. Mit Blick auf die wissenschaftlichen Disziplinen – Virologie, Medizin, Chemie, Statistik, Soziologie, Rechts-, Wirtschafts-, Politikwissenschaften oder auch Philosophie und Theologie – sollte die Enquetekommission das gesamte wissenschaftliche Spektrum abdecken, damit die gesamtgesellschaftlichen Schäden umfassend und nicht nur punktuell, sondern zusammenhängend aufgearbeitet und Lehren für die Zukunft gezogen werden können.

Wenn Sie so eine Kommission zusammensetzen könnten: Welche Namen tauchen da bei Ihnen auf?

Als Mitglieder einer solchen Kommission fielen mir persönlich viele Namen ein, z.B. die engagierte Rechtsanwältin Jessica Hamed, die ihre gesamten Schriftsätze seit Beginn der Krise 2020 öffentlich gemacht hat, oder die Strafrechtlerin Frau Rostalski, die Einzige, die im Ethik-Rat wiederholt ein Gegengutachten gewagt hat. Ebenso wäre sicherlich der Fachanwalt für Medizinrecht Carlos Gebauer eine wichtige Stimme in so einer Enquetekommission. Auf politischer Ebene hat sich z.B. Kristina Schröder von der CDU als vernehmbare kritische Stimme innerhalb der CDU hervorgetan, in jüngerer Zeit auch Armin Laschet, ebenso Wolfgang Kubicki bei der FDP und natürlich Sahra Wagenknecht, eine der wenigen Ungeimpften im Deutschen Bundestag, die – man möge sich erinnern – deswegen bei Parlamentssitzungen auf die Besuchertribüne verbannt wurde.

Und was Wissenschaftler angeht?

Die Wissenschaftler aus den Reihen der „7Argumente“, insbesondere die Chemiker, die konsequent zu den Verunreinigungen der Impfstoffe gearbeitet haben, oder auch der Psychologe Boris Kotchoubey, der schon sehr frühzeitig in novo-argumente Artikel über die immensen Spätfolgeschäden der Maßnahmen geschrieben hat. Die engagierte Teamleiterin der „7Argumente“, Henrieke Stahl, oder der Politologe Günter Roth aus München, der auf seinem Blog sehr fundierte politikwissenschaftliche und systemtheoretische Analysen publiziert hat, wären ebenfalls eine gute Besetzung. Ebenso diejenigen Mediziner oder Virologen, die wie etwa Hendrik Streeck, Gert Antes, Klaus Stöhr, Matthias Schrappe oder Tom Lausen frühzeitig sorgfältige und differenzierte Arbeiten zur Intensivbettenbelegung, zur Gefährlichkeit des Virus oder zur Wirksamkeit der Impfungen vorgelegt haben, dazu der Statistiker Christoph Kuhbandner, der zur Übersterblichkeit geforscht hat. Auch mutige Journalisten wie etwa Heribert Prantl von der Süddeutschen, Elke Bodderas oder Tom Röhn von der WELT oder kritische Kolumnisten wie Michael Andrick von der Berliner Zeitung, die die Verformungen der Demokratie durch die Corona-Maßnahmen frühzeitig in Büchern oder Artikeln angemahnt haben, sollten dabei sein. Die Liste möglicher Personen ist also sehr lang.

Sie fordern aber auch die Einsetzung eines „Runden Tisches“ zu Corona?

Ja, dessen bedarf es meines Erachtens fast mehr noch als einer Enquetekommission, so wie das in anderen Politikbereichen, zum Beispiel beim Migrationsgipfel, auch gemacht wurde. Es gibt Dutzende von engagierten Bürgern, die sich ehrenamtlich und engagiert über Jahre mit der Corona-Politik beschäftigt haben. Auch sie sollten Gehör und Wege des Ausdrucks finden.

Viele Bürger können die Maßnahmenpolitik nicht vergessen.

Das stimmt. Ich persönlich habe bei vielen Vorträgen zum Thema den Eindruck gewonnen, dass viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes darüber reden wollen, wie eine derart rigorose, gruppenspezifische Ausgrenzung unter Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und dem Entzug von Bürgerrechten politisch durchgewunken werden konnte – und wie man dafür sorgen kann, das dies nicht mehr passiert. Immerhin gibt es rund 20 Millionen nicht geimpfte Personen in Deutschland, die von den Maßnahmen teilweise existenziell betroffen waren. Der heute messbar hohe Vertrauensverlust in Politik, Parlament und Institutionen, den sich die deutsche Demokratie nicht leisten kann, hängt damit zusammen

Der Staat, der bei der Umsetzung der Maßnahmen Kreativität nicht abgeneigt war, zeigt sich sehr eindimensional in Sachen Aufarbeitung, oder?

Es fehlt eine institutionalisierte „Stätte der Begegnung“, die vom Bund über einen gewissen Zeitraum finanziert werden sollte, mit Gelegenheit zum Austausch, Diskussionen und Vorträgen. Zwar wird in vielen Foren und auch im Internet schon viel diskutiert, aber eben nicht offiziell. Es bleibt in den Blasen: Diejenigen, die aufarbeiten wollen, und diejenigen, die genau das verhindern wollen, sprechen nicht miteinander, und das ist nicht gut. Städtische Hallen oder Gemeindesäle können für derartige Diskussionen meist nicht angemietet werden, weil sie immer noch als „Verschwörung“ oder Schwurblertreffen gelten. Damit muss Schluss sein.

Es fehlen auch offizielle künstlerische Verarbeitungen, Ausstellungen oder Museen über die Corona-Jahre, in denen wir z.B. die absurdesten Sprüche („Impf‘ dich frei“) oder die Plakate und die teilweise grotesken ikonischen Anweisungen dieser Zeit ausstellen. Dafür sollte ebenfalls Geld vom Bund bereitgestellt werden. Ein „Runder Bürger-Tisch“ zu Corona könnte diese Dinge kuratieren oder eine solche „Stätte der Begegnung“ animieren. Seit Jahren gibt es große und gut vernetzte zivilgesellschaftliche Gruppen von Ärzten, Juristen oder auch Studenten, die die Corona-Jahre kritisch begleitet und die Informationen, Anschauungsmaterial und Dokumente gesammelt haben. Das alles auszustellen wäre das Ziel eines solchen „Runden Tisches“, damit die Gesamtgesellschaft davon Kenntnis nehmen kann. Vor allem Kinder und Jugendliche oder Senioren und Alte, die in den Altersheimen besonders betroffen waren, müssten in angemessener Weise zu Wort kommen und ihre Geschichten erzählen können. Man könnte an solche Dinge denken wie einen Essay-Wettbewerb für verschiedene Altersgruppen oder filmische Verarbeitungen. Psychologenverbände weisen seit Langem darauf hin, dass viele Jugendliche noch nachträglich unter den Maßnahmen leiden.

Viele maßnahmenkritische Personen aus den unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft haben dokumentiert, was sich in der Pandemie ereignet hat und welche Übergriffe es gegen Kritiker gab.

Es gab ein alternatives Milieu, das während der Corona-Jahre als „Schwurbler-Milieu“ oder „Corona-Leugnungs-Milieu“ verunglimpft wurde. Dort sind viele kritische Bücher geschrieben, Diskussionen auf YouTube veröffentlicht, Songs komponiert oder kritische Filme gedreht worden, z.B. von Kai Stuht oder Patricia Marchart über die Qual der Kinder oder von Dietrich Brüggemann ein Song über das Impfen. Dietrich Brüggemann hat auch die Aktion #allesdichtmachen der deutschen Schauspieler vom April 2021 organisiert, die damals großes Aufsehen erregt hat und auf das Heftigste kritisiert wurde. Heute ist klar, dass all diese Personen in sehr großen Teilen mit ihrer Kritik schlichtweg recht hatten.

Und dennoch werden all diese Einlassungen, all diese Dokumentationen von der Politik und den Mainstreammedien weitestgehend ignoriert.

Es wäre an der Zeit, diesen Schatz an kritischer Bürgerarbeit zu heben und der gesamten Gesellschaft zur Ansicht zur Verfügung zu stellen. Es zeigt, das ist das Schöne, dass es in der Bundesrepublik eine resiliente Zivilgesellschaft gibt.

Warum sollte das geschehen?

Dies hätte meines Erachtens eine heilende Wirkung für eine aktuell polarisierte und verunsicherte Gesellschaft, in der sich viele fragen, wo sie auch mit Blick auf die bundesdeutsche Demokratie gelandet sind. Es wäre gleichzeitig ein Angebot, diejenigen, die zum Teil Ausschluss oder gar Strafen auf sich nehmen mussten, weil sie während der Maßnahmen ihre Stimme erhoben haben, zu rehabilitieren.

Wen meinen Sie?

Zum Beispiel den Journalisten Boris Reitschuster, den man aufgrund kritischer Fragen unter fadenscheinigen Gründen von der Bundespressekonferenz verwiesen hat; oder den schon erwähnten Unternehmer Michael Ballweg, dem, wenn ich richtig informiert bin, heute noch der Zugriff auf seine Unternehmen verwehrt wird. Oder den langjährigen Vorstand und Verwaltungsrat der Krankenkasse BKK ProVita, Andreas Schöfbeck, der innerhalb seiner Krankenkasse auf den problematischen Anstieg von Krankheitsfällen aller Art nach der Impfung hingewiesen hat und diese untersucht haben wollte. Auch er hat seine Beschäftigung verloren.

Es gibt aber viele, einer großen Öffentlichkeit nicht bekannte Personen oder Ärzte, die alle in ihren jeweiligen Unternehmen oder Verbänden sanktioniert wurden, wenn sie kritisch ihre Stimme erhoben haben, und die auf teilweise drastische Art sanktioniert wurden. Es wurden auf jeder Ebene Existenzen vernichtet und es gibt vor allem viele „kleine Alltagshelden“, von denen heute niemand spricht. Vor allem sie müssten an den „Runden Tisch“.

Sie möchten, dass ein „Runder Tisch“ zu Corona eingesetzt wird?

Ja, zumal die partizipative Demokratie derzeit hoch im Kurs steht, auch in anderen Politikbereichen, siehe den Bürgerrat zu Ernährungsfragen. Ein „Runder Tisch“ könnte dann im Sinne einer Bürgerversammlung auch Empfehlungen erarbeiten, wie mit denjenigen gesetzlichen Grundlagen umgegangen werden soll, die im Zuge der Corona-Maßnahmen – gleichsam unter der Decke – entweder geändert oder neu in die Wege geleitet wurden, etwa der sogenannte Pandemievertrag, der jetzt – an den nationalen Parlamenten vorbei – eine Art globales Impfregime der WHO begründen soll. Ebenfalls müsste über die Rückführung bestimmter gesetzlicher Grundlagen in den Status quo ante diskutiert werden. Zum Beispiel müsste man darüber diskutieren, ob während Corona durchgeführte Änderungen des Arzneimittelgesetzes wieder rückgeführt werden sollen oder ob die während Corona durchgedrückte „digitale Schule“ wirklich die bessere Schule ist u.v.a.m. In der Gesellschaft gibt es dringenden Gesprächsbedarf über diese Themen, die ein einjähriger, gut moderierter „Runder Tisch“ aufgreifen könnte.

Ich könnte mir Personen wie etwa den Historiker René Schlott, den Philosophen und Pädagogen Matthias Burchardt oder den schon erwähnten Drehbuchautor, Regisseur und Musiker Dietrich Brüggemann als Mitglieder bzw. Mediatoren eines solchen „Runden Tisches“ vorstellen, der möglichst Teilnehmer aller gesellschaftlichen Bereiche, z.B. Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen, aber auch aus den Kirchen, der Rechtspflege oder der Beamtenschaft abdecken müsste und der natürlich generationenübergreifend sein müsste. Wünschen würde ich mir persönlich hier auch die Schriftstellerin Juli Zeh, die in ihrem hervorragenden Roman „Zwischen den Welten“ geradezu ein Röntgenbild der polarisierten Gesellschaft zu Zeiten von Corona, aber auch allgemein abgeliefert hat. Sie wäre für mich der Inbegriff für eine von allen Seiten anerkannte Person, die einen großen Beitrag zur Überwindung der Spaltung der Gesellschaft leisten könnte.

Last, but not least müsste dieser „Runde Tisch“ sich mit der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und der Leitmedien während der Corona-Jahre befassen. Viele Bürger beschweren sich aktuell über eine nicht sachgemäße Berichterstattung bzw. „Haltungsjournalismus“ in den Corona-Jahren bzw. Fehlinformationen und mangelnde Kritik an der Bundesregierung, was ja eigentlich die Aufgabe der „Vierten Gewalt im Staat“, nämlich der Medien ist. Ein „Runder Tisch“ zu Corona könnte Bürgerempfehlungen erarbeiten, wie man den ÖRR strukturell verbessern und wieder unabhängiger machen kann. Dazu gibt es inzwischen viele gute Vorschläge aus dem Umfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst.

Enquetekommission und „Runder Tisch“ zu Corona könnten dann im Zusammenspiel für beides, eine parlamentarische Abarbeitung und eine Aussöhnung der Gesellschaft, sorgen.

Sie haben die Medien angesprochen. Gerade sagte CDU-Politiker Armin Laschet in einem Interview mit dem ZDF heute journal in Bezug auf die von Multipolar freigeklagten RKI-Protokolle: „Dass diese RKI-Protokolle jetzt von einer Plattform erklagt werden, von der man sagt, sie sei verschwörungstheoretisch – ich kann das nicht beurteilen –, sagt ja auch, dass Qualitätsmedien nicht die Offenlegung der Protokolle eingeklagt haben. Und damals gab es auch…“ (5:50) Hat Laschet da einen guten Punkt?

Laschet hat einen sehr guten Punkt, indem er auf das Versagen der sogenannten Qualitätsmedien verweist: Sie haben eben – und zwar seit Jahren – nicht kritisch recherchiert und hinterfragt, sondern sind im Wesentlichen den staatlichen Verlautbarungen gefolgt. Das ist kein guter Journalismus, sondern in der DDR nannte man das „Staatsfernsehen“. Die Bundesrepublik Deutschland hingegen war stolz auf ihren Meinungspluralismus und auf ihren Philosophen Jürgen Habermas, der in seinem berühmten Buch „Theorie des kommunikativen Handelns“ den Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ geprägt hat. Herrschaftsfrei ist der Diskurs, wenn es um die Sache und das Argument geht – gleich, von wem es kommt, in welcher Zeitung es steht oder auf welcher Plattform. Davon haben wir uns in Zeiten von Corona meilenweit entfernt. Wer gute Argumente vorgebracht hat, die die in Panik versetzte Gesellschaft aber nicht hören wollte, der wurde meist ad hominem, also persönlich, beschimpft und diffamiert.

Es ist Zeit, dass in der Bundesrepublik wieder das gute Argument gilt und nicht, in welcher Zeitung es steht. Die meisten sogenannten „Qualitätsmedien“ haben sich in Zeiten von Corona schlecht* verhalten, allen voran die Süddeutsche und der SPIEGEL, die kurz vor Hofberichterstattung waren. Die NachDenkSeiten wiederum – obgleich kein offizielles „Qualitätsmedium“ – haben für ihre Artikel oft ein Vielfaches der Klickzahlen von SZ oder ZEIT online: Die Bürger suchen geradezu besseren, investigativen Journalismus. Insofern wäre es auch an der Zeit, die Unterscheidung zwischen sogenannten „Qualitätsmedien“ und „alternativen Medien“ zu beenden. Medium ist Medium, und das bessere Argument gewinnt. Das inzwischen beliebte Spielchen, alle kritischen Plattformen entweder der „Verschwörung“ zu bezichtigen oder pauschal als „rechts“ zu bezeichnen, läuft langsam ins Leere. Das zeigt die aktuelle Diskussion um das Online-Magazin Multipolar, das die RKI-Protokolle freigeklagt hat und deswegen von einigen als „rechts“ verbrämt wird, weil man sich erhofft, sich damit dem brisanten Inhalt der Protokolle nicht stellen zu müssen. Aber, wie Laschet eben sagt: Die Qualitätsmedien hätten die Protokolle ja auch freiklagen können …

* 29.3.2024: An dieser Stelle stand ein weiteres, verstärkendes Adverb. Das wurde auf Wunsch der Interviewten entfernt.

Titelbild: Screenshot ZDF


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