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Titel: Botschafter a. D. Varga: Moldau als souveräner Staat in Gefahr
Datum: 14. Oktober 2024 um 10:15 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Länderberichte, Wahlen
Verantwortlich: Redaktion
In der Republik Moldau steht am 20. Oktober 2024 die erste Runde der Präsidentschaftswahlen bevor. Politische Kräfte, die die Neutralität der Republik Moldau bewahren wollen, beklagen die Praxis der EU seit Beginn des Krieges in der Ukraine, die durch ihre Sanktionspolitik und die Militarisierung politischer und wirtschaftlicher Prozesse die Distanz zwischen der EU und der NATO de facto eliminiert. Die Bevölkerung eines verfassungsmäßig neutralen Landes kämpft um die Bewahrung der staatlichen Souveränität gegen einen Teil der eigenen politischen Elite. Eine Analyse von dem ehemaligen Botschafter Ungarns in der Republik Moldau, György Varga. Aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Während der Amtszeit des derzeitigen Staatsoberhauptes Maia Sandu sind Bürger aus dem benachbarten Rumänien zur absoluten Mehrheit in der staatlichen Verwaltung der Republik Moldau geworden. Den verfügbaren Quellen zufolge besitzen die folgenden Personen die rumänische Staatsbürgerschaft:
Ich möchte klarstellen: Auf der Ebene des Einzelnen ist die mehrfache Staatsbürgerschaft eine Frage der Menschenrechte, aber auf der Ebene des Staates geht es um dessen Sicherheit und um nationale Sicherheitsinteressen. Es liegt in der Verantwortung der Machtelite, diese beiden Interessen miteinander in Einklang zu bringen und dabei die Interessen des Staates als übergeordnetes Prinzip zu schützen.
Der Direktor des moldauischen Geheimdienstes ist nicht nur rumänischer Staatsbürger, sondern war von 2013 bis 2020 auch Mitarbeiter der George-Soros-Stiftung. Ideologisch und existenziell ist er mit dem globalen Westen und dessen Zielen für den postsowjetischen Raum verbunden, und als rumänischer Staatsbürger hat er geschworen, die nationalen Interessen des NATO-Mitglieds Rumänien zu verteidigen.
Moldauische Opposition: Vom Westen unterstütztes Rumänien bedroht die Neutralität und die Staatlichkeit Moldaus
Die Bestrebungen, die moldauische Staatlichkeit abzubauen, sind im Zusammenhang mit der oben erwähnten Personalpolitik nicht überraschend. Obwohl die Verfassung seit 1994 „Moldauisch“ als Staatssprache vorsieht, hat das Verfassungsgericht, das sich aus rumänischen Staatsbürgern zusammensetzt, diesen Artikel der Verfassung für verfassungswidrig erklärt. Infolgedessen verabschiedete das Parlament 2023 ein Sprachgesetz, das Rumänisch als Staatssprache festlegte:
Die Machtelite kümmerte sich nicht um den Widerstand der Gesellschaft, während bei der Volkszählung 2024 trotz des Drucks der Regierung 53 Prozent der Bevölkerung Moldauisch und 23 Prozent Rumänisch als ihre Sprache angaben. Das verbleibende Drittel – Russisch, Ukrainisch, Bulgarisch, Gagausisch – gibt ebenfalls Moldauisch als offizielle Sprache ihres Staates an.
Was würde in der ebenfalls neutralen Schweiz passieren, wenn die höchsten Staatsämter von einem solchen Anteil französischer Staatsbürger besetzt wären – während kein deutscher Staatsbürger solche Ämter bekleiden könnte? Hätte Deutschland die Neutralität einer solchen Schweiz während der historischen Turbulenzen der letzten zweihundert Jahre akzeptiert? Nein, auch Russland akzeptiert die Republik Moldau nicht mehr als neutral, hinsichtlich der Inhalte der politischen Praxis.
Multiethnische, mehrsprachige Republik Moldau mit historischen Regionen
Das separatistische Territorium der Republik Moldau ist die „Transnistrische Republik“ mit der Hauptstadt Tiraspol und etwa 450.000 Einwohnern. Jeweils ein Drittel von ihnen besitzt die russische, die ukrainische und die moldauische Staatsbürgerschaft. Die Gesellschaft ist ähnlich ethnisch gespalten, sprachlich überwiegend russischsprachig. Da die Region nie eine gemeinsame Geschichte mit Rumänien hatte, trennte sich die Bevölkerung der Region 1991-92 innerhalb der Republik Moldau, die damals von politischen Kräften dominiert wurde, die auf eine Vereinigung mit Rumänien drängten. Im Frühjahr 1992 kam es nach einer bewaffneten Intervention der Zentralregierung zu Kämpfen, die von dem dort stationierten russischen Kontingent beendet wurden. In dem Gebiet sind etwa 2.000 russische Soldaten stationiert, die Tiraspol als Sicherheitsgarantie betrachtet.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat eine Mission in Moldau eingerichtet, um den Parteien zu helfen, den Status von Transnistrien innerhalb von Moldau zu regeln. Ein großer Teil der Gesellschaft stellt heute die Unabhängigkeit der Mission von den Interessen der Großmächte infrage: Im Zeitraum von 1993 bis 2024 hatte sie zehn Leiter, davon neun US-amerikanische, und heute wird die Mission auch von einem US-amerikanischen Diplomaten geleitet. Diese Tatsache wirft auch Fragen im Rahmen der OSZE auf: Unter 57 Teilnehmerstaaten haben US-amerikanische Kandidaten in 30 Jahren, in neun aus zehn Fällen die Position gewonnen (!?)
Die im Süden des Landes lebende gagausische Minderheit von 135.000 Menschen genießt eine außergewöhnliche territoriale Autonomie in Europa. Im Prozess zwischen rumänischen Unionisten und Unabhängigkeitsbefürwortern in den 1990er-Jahren haben die Gesetzgeber die Möglichkeit in die verfassungsmäßigen Garantien der territorialen Autonomie aufgenommen, dass Gagausien über seine Zukunft entscheiden könnte, wenn sich der Status der Republik Moldau als unabhängiger Staat ändern würde. Damit wollten sie verhindern, dass der Separatismus sich wiederholt, der bereits in Transnistrien vollzogen wurde. Dieses verfassungsmäßige Recht wird zunehmend in Anspruch genommen, da der Verlust der moldauischen Staatlichkeit durch die Vereinigung mit Rumänien für die einen ein Ziel und für die anderen eine reale Bedrohung geworden ist.
Während ihrer vierjährigen Amtszeit hatte Präsidentin Maia Sandu im Gegensatz zu ihren Vorgängern keinen Kontakt zum Anführer des Separatistengebiets und unterhielt ein sehr schlechtes Verhältnis zu Gagausien. Ihren Kritikern zufolge hat sich die Staatschefin nicht um eine Zusammenarbeit mit den beiden Regionen in Sondersituationen (Transnistrien und Gagausien) bemüht. Sie sieht demnach beide Regionen als Haupthindernis für die Integration in den Westen an, da diese daran interessiert sind, dass die Republik Moldau ihre Staatlichkeit und Neutralität bewahrt, ohne eine Vereinigung mit Rumänien in den Raum zu stellen. Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Auswärtige Angelegenheiten, bestätigte dies in seiner Rede am 9. Oktober: „Die europäische Zukunft der Republik Moldau darf nicht von dem ungelösten Konflikt in Geiselhaft genommen werden“.
Vom Westen unterstützte Regierung hält Neutralität für überholt
Das Land, das 1991 seine Unabhängigkeit erlangte, beteiligte sich aktiv an der Zusammenarbeit mit der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) nach der Auflösung der Sowjetunion und Anfang der 2000er-Jahre begann die Annäherung zwischen der EU und Chișinău. Die relativ ausgewogene Rivalität zwischen den beiden Vektoren war von Anfang an vorhanden. Die Sicherstellung der ausschließlichen Behauptung eines Vektors wurde erst ab 2020 aufgrund der Moldau-Politik des globalen Westens, der in geopolitischer Expansion denkt, zum Haupttrend.
Die Militarisierung der Republik Moldau ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Gange. Da das Land mit 2,5 Millionen Einwohnern nur Rumänien und die Ukraine als Nachbarn hat, deren militärisches Potenzial um Größenordnungen überwiegt, dient seine Militarisierung durch die NATO allein dem Abbau der Neutralität. Logistisch ist das Land zu einem Aufmarschpunkt für den globalen Westen geworden: Laut dem ehemaligen Staatschef Igor Dodon erreicht ein Teil der NATO-Lieferungen von Rumänien über die Republik Moldau die Ukraine. Seit 2022 wurden Dutzende von Militärübungen mit Truppen aus NATO-Ländern in Moldau abgehalten.
USA, die NATO und die EU nehmen der Republik Moldau den Garanten ihrer Staatlichkeit – die Neutralität
Die Situation ist ähnlich wie auf dem Weg zum Krieg in der Ukraine: 2008 verletzte die NATO die Souveränität der Ukraine, als sie sie in der Bukarester Erklärung als zukünftiges NATO-Mitglied bezeichnete, ohne Rücksicht auf ihre Verfassung und ihre Unabhängigkeitserklärung zur immerwährenden Neutralität. Weder in der Ukraine noch in der Republik Moldau gab es gesellschaftliche Unterstützung für die NATO-Mitgliedschaft: Die multiethnische, politisch und sprachlich gespaltene Gesellschaft ist sich der Folgen – Bürgerkrieg, Krieg – einer angekündigten NATO-Mitgliedschaft bewusst.
In Bukarest wird die Neutralität von Chișinău als Haupthindernis für die Vereinigung angesehen, so ist es vollkommen nachvollziehbar, dass es sich für ihren Abbau engagiert. In Rumänien werden immer häufiger Erklärungen abgegeben, die die Befürchtungen der moldauischen Opposition bestätigen. Nach Ansicht führender rumänischer Politiker bietet der Krieg in der Ukraine eine Chance und es ist notwendig, rechtzeitig in der Republik Moldau einzumarschieren: „Wenn die Russen Odessa erreichen, sollte Rumänien mit der Unterstützung seiner Verbündeten die Vereinigung der beiden Länder nach deutschem Vorbild umsetzen.“
Moldauische Regierung unterminiert die Zusammenarbeit mit traditionellen Partnern
Der Krieg in der Ukraine hat diesen Trend noch verschärft, und das russlandfeindliche Vorgehen der Regierung lässt sich gut mit den entsprechenden EU-Sanktionen belegen. Seit Beginn des Krieges unterhält die moldauische Regierung keine Beziehungen zu ihrem russischen Pendant, während andere internationale Akteure besondere Möglichkeiten erhalten, die Innen- und Außenpolitik der Republik Moldau zu beeinflussen.
Nach dem Vorbild der EU hat die moldauische Regierung Flüge nach Russland und Geldtransfers eingestellt, obwohl mehr als 500.000 ihrer Bürger in Russland arbeiten. Die Militarisierung Europas und der EU ist alarmierend für die moldauische Bevölkerung, die in vielerlei Hinsicht von Russland abhängig ist und in allen Lebensbereichen gemeinsame Interessen hat.
Nach Angaben des ehemaligen Staatschefs Dodon sind über 10.000 westliche Nichtregierungsorganisationen (NGO) in der Republik Moldau tätig, während Quellen aus dem postsowjetischen Raum und russischen Medien von der Regierung Einhalt geboten wurde. Das geschah, obwohl die Rolle der USA und Westeuropas in Bezug auf eine gemeinsame Vergangenheit, eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Kultur, eine gemeinsame Religion, Verwandtschaft und Freundschaft geringfügig erscheint. Russischsprachige Nachrichtensendungen sind nicht zu empfangen, Internet-Algorithmen erlauben die Suche auf Russisch nur nach dem Narrativ des Westens, während die russische Sprache durch die Verfassung geschützt ist – als Verkehrssprache (Lingua franca) zwischen allen ethnischen Gruppen in der Republik Moldau.
Der neue Name für die Zensur ist der Kampf gegen russische Desinformation, die in einem verfassungsmäßig neutralen Land für eine Bevölkerung, die die russische Sprache im Allgemeinen verwendet, inakzeptabel ist. Der Kampf gegen angebliche Desinformation wird als Mittel gesehen, um die westliche Kontrolle über die moldauische Staatlichkeit zu erlangen. Die Gesetze der USA, Georgiens und Ungarns zum Schutz der Souveränität dienen einigen politischen Kräften in der Republik Moldau als Vorbild: Ausländische Finanzierungen sollten transparent sein, nicht ausländische Akteure sollten mittels Wahlen über die Zukunft souveräner Länder entscheiden. Die moldauische Machtelite – als Nutznießer – hat kein Interesse an einer solchen Regelung, außerdem würde der globale Westen keine Transparenz in der Beziehung zwischen den von ihm bereitgestellten Mitteln und der politischen Einflussnahme zulassen. Davon zeugt zum Beispiel der Druck der USA und der EU auf die ungarische und die georgische Regierung, wie kürzlich durch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober zur Verurteilung Georgiens deutlich wurde.
Wahlen zum Staatsoberhaupt – eine Bestandsaufnahme
Elf Personen sind als Kandidaten für das Amt des Staatsoberhauptes registriert worden. Unter den Kandidaten sind die derzeitige Staatschefin Maia Sandu (mit Unterstützung der regierenden Aktions- und Solidaritätspartei) und zehn Oppositionskandidaten, wie zum Beispiel der ehemalige Generalstaatsanwalt Alexandr Stojanoglo, Kandidat der Sozialistischen Partei, die ehemaligen Premierminister Ion Kiku und Vasili Tarlev, die ehemalige Gouverneurin des autonomen Gebiets Gagausien, Irina Vlah, der Oppositionspolitiker Renato Usatij und die bekannte Medienpersönlichkeit Natalia Morar.
40 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter leben im Ausland und hatten bis zum 6. September Zeit, sich für die Wahl registrieren zu lassen. Logischerweise meldeten sich die meisten Menschen aus Russland an (38 Prozent), gefolgt von denen, die in Italien leben (11,5 Prozent), dann Deutschland (9 Prozent), den USA (6,6 Prozent) und Rumänien (5 Prozent). Im Vergleich zu diesem Indikator sind in Russland nur zwei Wahllokale geöffnet, während in Italien 60, in Deutschland 26, in Frankreich 20, im Vereinigten Königreich 17, in Rumänien 16, in den USA 16, in Spanien elf, in Irland zehn und in Portugal sechs existieren. Die OSZE-Wahlexperten werden die Wahl wahrscheinlich als „free and fair“ einstufen.
Maia Sandu will zeitgleich Referendum über den EU-Beitritt der Republik Moldau
Die herrschende Elite macht keinen Hehl daraus, dass das Referendum über den EU-Beitritt eine mobilisierende Kraft hinter der derzeitigen Staatschefin haben könnte, die während ihrer gesamten Amtszeit bereits vom politischen Westen unterstützt wurde. Die Opposition sieht den Zeitpunkt des Referendums als Instrument zur Beeinflussung der Wahlen, da eine grundlegende Motivation für alle moldauischen Bürger ein EU-Lebensstandard ist, der vielleicht irgendwann einmal erreicht wird, obwohl sie gewisse Befürchtungen haben.
Die Militarisierung Europas und der EU ist alarmierend für die moldauische Bevölkerung, die in vielen Bereichen von Russland abhängig ist und in allen Lebensbereichen gemeinsame Interessen hat.
Die Moldauer sehen, dass selbst das neutrale Österreich als EU-Mitglied gezwungen ist, eine Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben, die das Wesen seiner verfassungsmäßigen Neutralität infrage stellt. Bevor Finnland und Schweden Mitglieder der NATO wurden, konnten sie jahrelang keine neutrale Außenpolitik mehr betreiben, wie es in der Republik Moldau bereits der Fall ist (verpflichtende Teilnahme an Sanktionen, gemeinsame Erklärungen, Militarisierung).
Die Probleme der moldauischen Gesellschaft haben sich durch den Krieg in der Ukraine erheblich verschärft, und die Brüsseler Erklärungen zur Eskalation des Krieges machen die EU nicht gerade attraktiver. Die Energiepreise sind infolge der Sanktionen bedrohlich gestiegen. Die Ukraine hat sich verpflichtet, ab 2025 kein russisches Gas mehr durch ihr Territorium zu lassen. Dadurch sind die Gaslieferungen an die Republik Moldau, einschließlich der abtrünnigen Region Transnistrien, infrage gestellt. Das Immunsystem der staatlichen Souveränität wurde bereits von Bürgern des Nachbarlandes in hohen moldauischen Staatsämtern mit Unterstützung des politischen Westens geschwächt.
Die Neutralität und Staatlichkeit der Republik Moldau hängen zunehmend von der Zurückhaltung des politischen Westens ab, was eine eher schwache Garantie ist. Bei den Wahlen zum Staatsoberhaupt am 20. Oktober tritt ein Kandidat mit der Unterstützung des globalen Westens an, nämlich das derzeitige Staatoberhaupt. Zehn Kandidaten treten mit Parteiprogrammen der Opposition oder individuellen Programmen (für ein neutrales Land, das zwischen Ost und West gedeiht) an. Zusammen haben sie viel mehr Unterstützung als die derzeitige Staatschefin, die eine weitere Amtszeit anstrebt. Die Frage ist, ob die zehn Oppositionskandidaten für das Amt des Staatschefs in der Lage sein werden, eine gemeinsame Plattform zu bilden und ihre Wähler hinter dem Kandidaten zu versammeln, der am 3. November die zweite Runde erreichen wird, oder ob der Prozess der Aufgabe der moldauischen Staatlichkeit unter Maia Sandu fortgesetzt wird.
Rumänien spielt eine Stellvertreterrolle bei der Expansion des Westens in der Republik Moldau
Die USA bauen 100 km von der moldauischen Grenze entfernt den Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogălniceanu zum größten US-Stützpunkt in Europa aus, der doppelt so groß sein soll wie Ramstein in Deutschland. Dies ist Teil eines 2,7 Milliarden US-Dollar schweren Projekts, das ihnen einen dauerhaften strategischen Zugang zum Schwarzmeerraum verschaffen soll. Der Umfang der Investition lässt keinen Zweifel an der Bedeutung der strategischen Ziele der USA in der Region, die die rumänische Diplomatie effektiv nutzt: Sie erreicht ihre moldauischen Ziele mit US- und EU-Geldern, EU-Projekten – die Beseitigung der moldauischen Neutralität und Staatlichkeit im Interesse des globalen Westens, um in Richtung Russland mehr Territorium zu erobern.
Am 8. Oktober gab das Europäische Parlament (EP) unter Bezugnahme auf den Bericht des Leiters des moldauischen Geheimdienstes, mit rumänischer Staatsbürgerschaft, einen Beschluss ab, in der es die ausländische Einmischung in die innen- und außenpolitischen Prozesse der Republik Moldau, insbesondere in den Präsidentschafts- und Referendumswahlkampf am 20. Oktober, verurteilte.
Falls es der Leser noch nicht erraten hat, wurde nicht die rumänische Einmischung verurteilt, sondern die russische sowie „Putins Freunde“ – die Führung der gagausischen Autonomie. Laut der Erklärung des EP müssen die Souveränität, Staatlichkeit und Neutralität der Republik Moldau vor diesen Personen geschützt werden. Arme EP-Abgeordnete; woher könnten sie wissen, dass das Volk von Gagausien seine Heimat um Größenordnungen mehr liebt, die Neutralität und die Staatlichkeit von Moldau besser verteidigt als manche von den zu Beginn dieses Artikels erwähnten Vertretern der politischen Elite?
So kann einem anständigen, gutmütigen, hart arbeitenden moldauischen Volk, das ein besseres Schicksal verdient hat, die nationale Identität – die nach Ansicht einiger ihrer Machtelite gar nicht existiert –, den Namen der Staatssprache und die Neutralität (und dann die Staatlichkeit) weggenommen werden. Wir haben die Ukraine bereits zerschlagen lassen, um im Interesse des Westens an Boden zu gewinnen. Jetzt ist Moldau an der Reihe.
Dr. György Varga war von 2008 bis 2012 Botschafter von Ungarn in der Republik Moldau, von 2017 bis 2021 Leiter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Russland.
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