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Titel: AfD-Verbotsdebatte – ein geschicktes Manöver von SPD und Grünen?

Datum: 13. Mai 2025 um 12:51 Uhr
Rubrik: AfD, Innen- und Gesellschaftspolitik, Rechte Gefahr
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Nachdem der umstrittene Bericht des Bundesverfassungsschutzes, der die AfD auf Bundesebene als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, nun die Gerichte beschäftigt, nimmt die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren kein Ende. Den Wortführern und den meisten Kommentatoren unterläuft dabei jedoch ein grandioser Denkfehler: Selbst wenn die Einstufung des Verfassungsschutzes sich als gerichtsfest erweisen sollte, heißt dies noch lange nicht, dass dies für ein angestrebtes Verbotsverfahren von Bedeutung wäre. Hier hat die Rechtsprechung nämlich wohlweislich sehr hohe Hürden in den Weg gestellt, und die in Teilen von Medien veröffentlichten Auszüge des Verfassungsschutzgutachtens lassen nicht den Schluss zu, dass ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg hätte. Warum wird diese Debatte dennoch geführt? Es ist gut möglich, dass sie nicht aus inhaltlichen, sondern aus strategischen Erwägungen geführt wird, um die Brandmauer zu sichern und der CDU eine Alternative zu Koalitionen mit SPD oder Grünen zu verbauen. Von Jens Berger.

Was macht eine Partei zu einer rechtsextremistischen Partei? Wer nun denkt, hier gäbe es seitens der Politikwissenschaft eine klare Antwort, liegt daneben. Sowohl der Begriff „rechtsradikal“ als auch der Begriff „rechtsextremistisch“ sind im wissenschaftlichen Diskurs umstritten. Etwas klarer ist hingegen die Definition des Verfassungsschutzes. Hier gilt „Rechtsextremismus“ als eine verfassungsfeindliche Bestrebung von rechts, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist. Nun kann man sich vortrefflich darüber streiten, ob das auf die AfD zutrifft und ob das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes diese Einstufung rechtfertigt.

Um es vorwegzunehmen: Bei der gesamten Betrachtung geht es nicht um eine inhaltliche Bewertung. Ich persönlich finde die fremdenfeindlichen Zitate einiger AfD-Politiker widerlich und vertrete auf den meisten inhaltlichen Feldern diametral andere Positionen als die AfD. Ich denke jedoch nicht, dass die AfD ernsthaft die freiheitlich-demokratische Ordnung der Bundesrepublik gefährdet, und nur dies darf der Maßstab für eine Verbotsdebatte sein. Da halte ich es mit Voltaire: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Als Säulen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werden im juristischen Kontext die Menschenwürde, die Demokratie und der Rechtsstaat gesehen. Die AfD will weder die Demokratie noch den Rechtsstaat abschaffen. Bei der Menschenwürde ist ein klares Urteil jedoch nicht so einfach. Das Gutachten des Verfassungsschutzes behauptet, die AfD würde – als Gesamtpartei – ein „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis vertreten, das mit der Menschenwürde des Grundgesetzes nicht vereinbar sei“. Dies begründet man unter anderem mit zahlreichen Zitaten von AfD-Politikern, die – Stichwort „Biodeutsche“ und „Passdeutsche“ – Migranten, Farbigen oder Muslimen die Volkszugehörigkeit absprechen. Derlei Zitate sind nicht nur widerlich, sondern zweifelsohne rechtsextrem und wohl auch verfassungsfeindlich. Ob sie ausreichen, um die Partei als Ganzes zu charakterisieren und ihr eine verfassungsfeindliche Ausrichtung zu attestieren, werden nun die Gerichte entscheiden. Hier darf man wirklich gespannt sein, da derlei rechtsextreme Zitate ja kein Alleinstellungsmerkmal der AfD sind. Wir erinnern uns an die CDU-Kampagne mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ – hat eigentlich damals jemand ein CDU-Verbotsverfahren gefordert?

Aber für ein mögliches Verbotsverfahren sind solche Zitate gar nicht mal entscheidend. Hier gelten nämlich deutlich schärfere Voraussetzungen. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Verbotsverfahren gegen die KPD 1956 klargestellt, dass „eine Partei nicht schon dann verfassungswidrig [ist], wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt; es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.“ Die von den Medien veröffentlichten Auszüge aus dem Verfassungsschutzgutachten lassen diesen Schluss für die AfD jedoch nicht zu. Bei der Verhandlung zum zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD haben die Karlsruher Richter die Hürden sogar noch höher gesetzt. Das Verfassungsblog schreibt dazu:

Das Parteiverbot setzt insbesondere eine qualifizierte Vorbereitungshandlung und ein strategisches Konzept der Partei zur planvollen Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzungen voraus. In einem etwaigen Verbotsantrag müsste daher nachgewiesen werden, dass die AfD ein strategisches Konzept hat, mit dem sie als Gesamtpartei die Idee der „ethnisch-kulturellen“ Volkszugehörigkeit umsetzen und die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes aushöhlen will, und dass eine entsprechende zielorientierte qualifizierte Vorbereitungshandlung vorliegt. Aus der Vielzahl der der Partei zuzurechnenden Äußerungen und Aktivitäten der Parteimitglieder und -anhänger muss sich ein strategisches Konzept destillieren lassen, das die AfD planvoll und fortwährend umsetzen will.

Mit anderen Worten: Eine Partei „darf“ sogar verfassungsfeindliche Ziele haben. Dies reicht für ein Verbot nicht aus. Wenn ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg haben will, müssen die Ankläger vielmehr belegen können, dass die Partei planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Verwirklichung dieses verfassungsfeindlichen Ziels hinarbeitet und es zudem dadurch eine spürbare Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gibt. Nun kann man zur AfD stehen, wie man will, die inkriminierten Aussagen von AfD-Politikern gerne auch scharf kritisieren – das tut auch das Gutachten des Verfassungsschutzes. Das Gutachten sagt jedoch nicht – zumindest trifft dies auf die Auszüge zu, die in den Medien veröffentlicht wurden –, dass die AfD als Gesamtpartei planvoll an einer maßgeblichen verfassungsfeindlichen Beeinträchtigung der Menschenrechte arbeitet. Noch einmal: Solange AfD-Politiker verfassungsfeindliche Sprüche machen, ist dies laut geltender Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht noch kein Grund, die Partei zu verbieten. Es müsste vielmehr bewiesen werden, dass die AfD einen realistischen Plan hat, dies auch entgegen dem Gedanken des Grundgesetzes in die Tat umzusetzen. Dies ist aber nicht der Fall, und daher hat das Gutachten auch keinen erkennbaren Einfluss auf eine Verbotsdebatte.

Nun sind die verfassungsrechtlichen Bedenken eines angestrebten AfD-Verbotsverfahren nicht neu. Das ist auch der Grund dafür, warum es im Bundestag für einen solchen Antrag nie eine Mehrheit gegeben hat. Warum kocht die Debatte nun dennoch wieder hoch, und was hat das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes damit zu tun?

Hier kann man freilich nur spekulieren. Wissend, dass ein Verbotsverfahren ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hat, geht es den im Bundestag vertretenen Parteien offenbar vor allem darum, selbst an der Macht zu bleiben. Dafür ist zurzeit vor allem für SPD und Grüne die sogenannte „Brandmauer“ ein Mittel zum Zweck, engt es die CDU doch auf Landes- und Bundesebene bei der Wahl eines möglichen Koalitionspartners ein. Wenn die CDU nicht mit der AfD zusammenarbeiten kann, darf oder will, bleibt realistisch je nach Sitzverteilung immer nur eine Zusammenarbeit mit wahlweise SPD und Grünen oder auf Landesebene auch mit der FDP oder dem BSW übrig, und selbst der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linkspartei ist ja bereits am Bröckeln. Es ist kein großes Geheimnis, dass es innerhalb der CDU durchaus Stimmen gibt – wie beispielsweise die des neuen Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn –, die eine „Normalisierung“ des Umgangs mit der AfD fordern.

Eine „Normalisierung“ des Umgangs mit einer Partei, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ und damit verfassungsfeindlich eingestuft wird, ist jedoch kaum denkbar; schon gar nicht, wenn gegen diese Partei ein Verbotsverfahren laufen würde. Wenn man nun eins und eins zusammenzählt, die politisch Verantwortliche Nancy Faeser (SPD) und auch noch das kuriose Veröffentlichungsdatum – zwei Tage vor dem Amtswechsel im Innenministerium – mit hinzurechnet, riecht das alles doch stark nach einem taktischen Schachzug, der nicht auf das rechtlich ohnehin unwahrscheinliche Verbot der AfD, sondern auf die Bewahrung der Brandmauer gegen die AfD abzielt. Das ist durchaus schlau und hat Jens Spahn bereits in die Defensive manövriert.

Auch wenn SPD und Grüne dem massiv widersprechen würden: Beide Parteien können in Hinblick auf die Machtverteilung gar kein Interesse an einem Verbot der AfD haben, zumal man davon ausgehen muss, dass ein Großteil der AfD-Wähler in einem solchen Szenario die Partei wählen würde, die der AfD inhaltlich am nächsten steht – und das ist die CDU. Woran beide Parteien jedoch machtarithmetisch sehr wohl großes Interesse haben, ist eine starke Brandmauer, die der CDU andere Koalitionsoptionen verbaut und sie förmlich dazu zwingt, mit SPD und/oder Grünen zu koalieren. Oder liege ich mit derlei Spekulationen komplett daneben?

Titelbild: nitpicker/shutterstock.com


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