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Titel: Die Bedingungen für einen dauerhaften und gerechten Frieden

Datum: 21. Mai 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Friedenspolitik, Militäreinsätze/Kriege
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In der Debatte um kommende Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg wird die russische Position meist verkürzt dargestellt oder gleich ganz als „Verweigerung“ diskreditiert. Selbst wenn doch einmal russische Quellen zitiert werden, heißt es nur, man strebe in Moskau eine Friedensordnung an, die „die Ursachen des Ukraine-Konflikts“ dauerhaft beseitigt. Was damit konkret gemeint ist, wird jedoch nicht ausgeführt. Der in Moskau lebende deutsche Journalist Gert-Ewen Ungar ist diesen Fragen für die NachDenkSeiten nachgegangen und skizziert für unsere Leser die russische Position.

Russische Politik verweist regelmäßig darauf, dass mit einem Friedensschluss die Ursachen für den Ukraine-Konflikt dauerhaft ausgeräumt werden müssen. Was eigentlich eine Binsenweisheit ist, weigert man sich, in Westeuropa zu verstehen. Dabei sind die Kriegsgründe von Russland immer wieder klar benannt worden. Es ist der Wille zur Aufnahme der Ukraine in die NATO und der ethnische Konflikt im Innern. Ist beides gelöst, ist der Krieg vorbei und die Grundlage für dauerhaften Frieden geschaffen.

Am Montag telefonierten US-Präsident Trump und Russlands Präsident Putin miteinander. Zuvor hatten sich bereits russische und ukrainische Unterhändler in Istanbul zu direkten Gesprächen getroffen. Eine Verhandlungslösung ist wieder in den Bereich des Möglichen gerückt.

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich russische und ukrainische Diplomaten getroffen haben, seit Russland am 24. Februar 2022 in den Krieg eingetreten ist, der im Jahr 2014 unmittelbar nach dem Maidan-Putsch als Bürgerkrieg begann und seitdem eskaliert.

Russland drängt darauf, dass für eine dauerhafte Friedenslösung die Ursachen für den Krieg ausgeräumt werden müssen. In Deutschland bleibt unklar, was damit gemeint ist, denn es wird nur unvollständig berichtet.

Dabei hat Wladimir Putin wiederholt deutlich gemacht, dass die russische Seite an einem Einfrieren des Konflikts kein Interesse hat. Russland strebt einen „gerechten, dauerhaften Frieden“ an. Dauerhaften Frieden gibt es dann, wenn die Auslöser des Konflikts dauerhaft verschwunden sind – eigentlich ganz logisch und unmittelbar zu verstehen. Für Russland sind diese Gründe klar, deutsche Politik stellt sich dagegen dumm.

Einer dieser Konfliktgründe geht auf das Jahr 2008 zurück. Auf dem damals stattfindenden NATO-Gipfel in Bukarest wurde der Ukraine eine Beitrittsperspektive eröffnet. Russland hat damals deutlich gemacht, dass nach all den Osterweiterungsrunden der NATO die Aufnahme der Ukraine in das Militärbündnis für Russland eine rote Linie darstellt. Das hat auch historische Gründe. Napoleon und die deutsche Wehrmacht marschierten durch die ukrainische Ebene in Richtung Russland, denn es gibt dort kaum natürliche Hindernisse.

Sowohl der Ukraine als auch der NATO und den Ländern des Westens waren die russischen Sorgen allerdings gleichgültig. Die Ukraine nahm im Jahr 2019 den NATO-Beitritt sogar als Staatsziel in ihre Verfassung auf.

Für einen dauerhaften und gerechten Frieden muss diese Konfliktursache verschwinden, ist die Logik der russischen Argumentation. Geben die Ukraine und der Westen das Ziel auf, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, ist der Konflikt gelöst. Es könnte also ganz einfach sein, wenn man denn wollte, allerdings will man nicht. Man will vor allem in Westeuropa nicht, macht der bisherige Verlauf deutlich.

Bereits im Frühjahr 2022 lag nach mehrwöchigen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland ein konkretes Verhandlungsergebnis vor. Die Verhandlungen begannen bereits wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 28. Februar 2022. Sie fanden zunächst in der weißrussischen Grenzregion Gomel statt und wurden dann in der Türkei fortgesetzt. Auf das substanzielle Ergebnis der damaligen Verhandlungen wird in Russland regelmäßig verwiesen.

Die Ukraine erklärte sich bereit, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten, stimmte Obergrenzen für ihr Militär zu, verzichtete auf atomare Bewaffnung, bekommt dafür Sicherheitsgarantien einer breit aufgestellten Staatenallianz, zu der auch Russland und China gehören. Der Krieg könnte schon längst wieder zu Ende sein, wenn man gewollt hätte. Aber man wollte nicht, denn man hält an seinem Grund fest.

Angeblich auf Bitten des deutschen Kanzlers Olaf Scholz hat sich Russland als Zeichen des guten Willens im Frühjahr 2022 aus der Region um Kiew zurückgezogen. Kurze Zeit später machten die Bilder von Butscha die Runde. Damit war der mögliche Friedensschluss vom Tisch. In Russland hält man Butscha schon aus diesem Grund für eine Inszenierung, die das Ziel hatte, die Einigung zu hintertreiben. Großbritanniens Premier Boris Johnson soll bei seinem Besuch in Kiew Wolodymyr Selenskyj dazu gedrängt haben, den Krieg weiterzuführen. Der Westen sei noch nicht zum Frieden bereit. Dafür versicherte Johnson der Ukraine die volle westliche Unterstützung. Seitdem hat sich die Situation der Ukraine allerdings drastisch verschlechtert.

Der Plan Russlands ging nicht auf. Dieser bestand meiner Meinung nach darin, durch den Einmarsch einen Schock auszulösen, sodass die Ukraine Verhandlungen zustimmt, denen sie sich zuvor verweigert hatte. An eine Einnahme der Ukraine war nicht gedacht. Die Truppenstärke von rund 100.000 Mann zu Beginn der militärischen Spezialoperation war viel zu niedrig ausgelegt, um die Ukraine komplett zu besetzen. Es handelte sich um eine Demonstration der Stärke.

Der eigentliche Krieg begann erst, nachdem sich die Ukraine auf Anraten des Westens aus der ausverhandelten Vereinbarung wieder zurückgezogen hatte. Dann wurden die russischen Truppen aufgestockt, Russland stellte auf Kriegswirtschaft um und machte sich für einen dauerhaften Krieg bereit.

Auch jetzt ist die Bedingung, an der Russland für einen möglichen Friedensschluss festhält, dass die Ukraine auf einen NATO-Beitritt dauerhaft verzichtet. Der Auslöser des Konflikts muss verschwinden, dann löst er sich von selbst.

Einer, der diesen Zusammenhang verstanden hat, ist Donald Trump. Er treibt eine Verhandlungslösung voran, die russische Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Trump hat unter anderem einem NATO-Beitritt der Ukraine eine Absage erteilt. Allerdings halten die westeuropäischen Staaten weiterhin daran fest, die Ukraine ins Bündnis aufzunehmen. Auch sie reden zwar von einem „gerechten Frieden”, meinen damit aber das Gegenteil von dem, was Russland im Sinn hat. Der Vorschlag, in die Ukraine „Friedenstruppen” entsenden zu wollen und die USA dabei einzubinden, wie er von den willigen Koalitionären Starmer, Merz und Macron ins Spiel gebracht wurde, ist nichts anderes als eine NATO-Präsenz in der Ukraine, die nur nicht so genannt wird.

Die Europäer wollen weiterhin keinen Frieden, wenn das bedeutet, dass Interessen Russlands berücksichtigt werden. Das wirft auch ein Licht auf die Frage, wer in diesem Konflikt eine imperialistische Agenda vertritt. Russland ist es nicht, Westeuropa will dagegen die Unterwerfung Russlands erzwingen.

Ausgeräumt werden muss auch der ethnische Konflikt in der Ukraine. Im Vorfeld des Maidan wurde durch westliche Einflussnahme ein ukrainischer Nationalismus aktiv gefördert. In der Folge entstanden tiefe gesellschaftliche Verwerfungen zwischen der Westukraine und den Menschen im Osten, die sich mehrheitlich als Teil der russischen Welt sehen. Dieser vom Westen schon im Vorfeld des Maidan befeuerte Nationalismus und vorsätzlich geschürte Hass führte zum Bürgerkrieg.

Vertreter der ukrainischen Regierung bekannten sich wiederholt öffentlich zum Ziel der „Vernichtung alles Russischen”. Die zielgerichteten Angriffe auf Zivilisten im Donbass und das extrem grausame Vorgehen der Ukraine in Kursk verdeutlichen, dass es sich bei der geäußerten Genozidabsicht nicht nur um Rhetorik, sondern um gelebte Praxis handelt. Die deutschen Medienkonsumenten werden von diesen brüsken Tatsachen allerdings gut abgeschirmt. Die massenweisen Hinrichtungen von Zivilisten in Kursk beispielsweise finden in den Medien des deutschen Mainstreams faktisch keine Erwähnung.

Der Versuch, den innerukrainischen ethnischen Konflikt zu befrieden, wurde vom Westen, allen voran von Deutschland sabotiert. Der Versuch hieß Minsk 2. Minsk 2 war ein völkerrechtlich bindendes Abkommen, das in 13 Schritten den Weg zum Frieden und zum Erhalt der territorialen Integrität unter Ausklammerung der Krim sicherstellen sollte. Eine Verfassungsreform sollte dem Donbass Autonomie garantieren. Minsk 2 war der Versuch, eine zentrale Konfliktursache zu befrieden.

Angela Merkel hat in einem Interview in der Wochenzeitung Die Zeit später zugegeben, dass es ihr sowie den Verhandlungspartnern aus der Ukraine und Frankreich nie um die Herstellung von Frieden, sondern um die Aufrüstung der Ukraine gegangen sei. Sie verfolgte das Ziel, der Ukraine Zeit zu verschaffen, sagte Merkel im Dezember 2022.

Die Aufteilung der Ukraine ist daher die notwendige Konsequenz, die den zweiten Grund für den Krieg beseitigt: die ethnischen Spannungen. Auch das hat man in den USA deutlich besser verstanden als in der EU und in Deutschland. Dort skandalisiert man die Forderungen nach einem Gebietsabtritt als unzumutbar.

Obwohl die Menschen im Donbass in gleich mehreren Referenden ihren Willen bekundet haben, sich von der Ukraine lösen zu wollen, besteht man in Westeuropa darauf, diese Willensbekundungen zu ignorieren. „Gerechter Frieden” ist nach westlicher Lesart ein Frieden gegen den Willen dieser Menschen. Die westeuropäischen Ideen, die einen „dauerhaften Frieden” sichern sollen, sind daher schon aus rein logischen Gründen zum Scheitern verurteilt. Eine Ordnung, die den Willen der Menschen im Donbass dauerhaft ignoriert, wird sich nicht dauerhaft installieren lassen können. Man muss es klar sagen: Deutsche Vorstellungen von einem dauerhaften Frieden in der Ukraine führen notwendig zu einer Herrschaft der Gewalt.

Aber auch in diesem Zusammenhang hat sich die Situation der Ukraine inzwischen deutlich verschlechtert. War in der Vereinbarung vom Frühjahr 2022 noch die Rede davon, dass die Entscheidung über den Donbass später getroffen werden soll, sieht es jetzt danach aus, dass dessen Status für Russland nicht mehr zur Debatte steht. Der Donbass ist russisch.

Einer der russischen Unterhändler sagte nach dem Treffen in Istanbul, sollte sich die Ukraine nicht mit dem Verlust von vier Regionen abfinden und die Verhandlungen deshalb platzen lassen, wird es in der nächsten Runde nicht mehr um vier, sondern um acht Regionen gehen, die von der Ukraine abzutreten sind. Die Ukraine wird dann unter anderem auch Odessa und den Zugang zum Schwarzen Meer verlieren.

Klar ist: Wer einen Konflikt lösen will, muss seine Ursachen beseitigen. Russland hat die Ursachen des Ukraine-Konflikts klar benannt. Die USA haben diesen Zusammenhang inzwischen verstanden. Nur in Westeuropa verweigert man sich noch der Einsicht und fabuliert sich eine Geschichte zusammen, der jede Rationalität fehlt. Russland hat weder die Absicht, die gesamte Ukraine einzunehmen, noch will es Länder der EU überfallen.

Gerade die ersten Tage des Kriegs im Februar 2022 zeigen klar, dass der Ukraine-Krieg aus russischer Sicht als Politik mit anderen Mitteln gedacht war. Es geht Russland seit 2008 und dann verstärkt ab 2014 darum, die Konfliktursachen zu eliminieren. An denen aber will Westeuropa unter allen Umständen festhalten.

Einem Friedensabkommen, das die Kriegsursachen nicht beseitigt, wird Russland aber nicht zustimmen. Das ist eine gute Nachricht, denn das heißt, dass aus russischer Sicht ein echter, gerechter und dauerhafter Frieden möglich ist. Den Weg dorthin ist Russland bereit zu gehen. Jetzt muss das richtige Verständnis von Gerechtigkeit nur noch in Berlin, Brüssel, London und Paris ankommen.

Titelbild: vchal/shutterstock.com


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