NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Bundesregierung will nichts tun, um deutsche Unternehmen vor den Folgen der illegalen US-Sanktionen gegen Kuba zu schützen

Datum: 8. Juli 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich:

In der letzten Woche hat die US-Regierung in ihrem einseitigen Wirtschaftskrieg gegen Kuba die Zwangsmaßnahmen massiv verstärkt. Ziel ist, einen Einbruch des kubanischen Bruttoinlandsprodukts um 25 Prozent zu verursachen. Da Deutschland seit Jahren in den Vereinten Nationen gegen die US-Blockade stimmt und deren sofortige und bedingungslose Aufhebung fordert, wollten die NachDenkSeiten wissen, ob die aktuelle Bundesregierung bei der Einschätzung der Vorgängerregierungen bleibt, dass die US-Sanktionen gegen Kuba völkerrechts- und menschenrechtswidrig sind. Zudem kam die Frage auf, was die Bundesregierung tut, um deutsche Unternehmen, die Opfer der extraterritorialen Anti-Kuba-Sanktionen der USA werden und in Folge Aufträge in Millionenhöhe verlieren, zu schützen. Die Antwort geriet zum Sinnbild bundesdeutscher Unterwürfigkeit gegenüber den USA. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

In dem am 30. Juni veröffentlichten Memorandum zur nationalen Sicherheit (NSPM) mit dem Titel „Verschärfung der Politik der USA gegenüber Kuba” kündigte das Weiße Hause eine ganze Reihe neuer Restriktionen an. So will die Trump-Regierung zum Beispiel „direkte und indirekte” Finanztransaktionen von Unternehmen unterbinden, die von der kubanischen Regierung kontrolliert werden. Das betrifft auf der Karibikinsel so ziemlich alle Unternehmen vom Lebensmittel- über den Energie- bis zum Gesundheitssektor. Ausnahmen sollen lediglich für Geldüberweisungen gelten, „die den politischen Zielen der USA dienen“. Zudem wollen die USA das bereits existierende gesetzliche Verbot von touristischen Reisen aus den USA nach Kuba noch strikter kontrollieren und durchsetzen, indem alle reisebezogenen Geldüberweisungen aufgezeichnet und mindestens fünf Jahre lang gespeichert werden.

Laut dem Kuba-Experten Edgar Göll wird allein die Entscheidung von Trump im Zuge der Sanktionsverschärfung, dass der kubanische Finanzdienstleister Orbit keine Überweisungen mehr von in den USA lebenden Kubanern an Familienangehörige in Kuba entgegennehmen darf, die sogenannten „remesas“, einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um schätzungsweise 25 Prozent verursachen.

Verkauft wird das Ganze vom Weißen Haus im besten Gringo-Zynismus als „Förderung eines stabilen, prosperierenden und freien Kubas“.

Die US-Blockade gegen Kuba ist einer der wenigen Bereiche, in denen selbst engste Verbündete wie die EU-Länder, Japan oder auch die sonst immer im Sinne Washingtons stimmenden Ministaaten unter US-Protektorat wie die Marshallinseln oder Palau gegen die USA stimmen. Bei der letzten diesbezüglichen Abstimmung in der UN-Vollversammlung im Oktober 2024 votierten 187 Staaten für die von Kuba vorgelegte Resolution mit dem Titel „Notwendigkeit der Aufhebung des von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargos”, in welcher „das sofortige und bedingungslose Ende der US-Blockade gegen Kuba“ gefordert wird. Lediglich die USA und Israel stimmten gegen die Resolution, ein einziges Land, Moldawien, enthielt sich.

Was die USA von dem beinahe einhellig erfolgten Stimmverhalten in den Vereinten Nationen halten, wird auch in dem aktuellen Trump-Memorandum deutlich gemacht:

„Die NSPM unterstützt das Wirtschaftsembargo gegen Kuba und lehnt Forderungen in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Foren nach dessen Aufhebung ab.“

Die massiven Auswirkungen der illegalen US-Sanktionen auf deutsche und andere europäische Banken, Unternehmen und Vereine

Jede Transaktion, jeder Handel mit Kuba kann von Washington, genauer gesagt vom US-Finanzministerium und dem ihm unterstellten OFAC, dem US-Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen, mit der Verhängung von horrenden Strafsummen geahndet werden. Diese sind zwar vollkommen illegal, aber vor die Entscheidung gestellt, diese zu zahlen oder den Zugang zum US-Markt zu verlieren, entscheiden sich natürlich fast alle Unternehmen und Banken zu entsprechenden „Strafzahlungen“. Daneben haben diese Strafzahlungen vor allem eine präventiv-abschreckende Wirkung auf Drittstaaten. Potenzielle und interessierte Investoren, Wirtschaftspartner, Banken, Versicherungen und Unternehmen sehen angesichts der drohenden US-Zwangsmaßnahmen inzwischen fast ausnahmslos davon ab, sich überhaupt in Kuba wirtschaftlich zu engagieren.

Anbei eine kleine Auswahl der bisher von den USA erzwungenen Strafzahlungen, Kontosperrungen oder anderer Zwangsmaßnahmen gegen deutsche und europäische Unternehmen, Banken und Vereine seit 2013:

2013:

  • Die deutsche Heavy-Metal-Band COR sammelte über eine Spendenplattform im Internet etwa 8.000 Euro für eine Tour nach Kuba. Doch PayPal, mit Verweis auf die US-Blockade, sperrte das Konto und fror die Hälfte der eingegangenen Spenden ein.
  • Die italienische Bank Intesa Sanpaolo muss drei Millionen Dollar an die USA zahlen, weil sie von 2004 bis 2008 insgesamt 53 Geldüberweisungen nach Kuba vorgenommen hatte.
  • Das Schweizer Unternehmen Weatherford International Ltd. soll 252 Millionen US-Dollar an die USA zahlen wegen „Verstößen“ gegen die US-Blockade. Es hatte Ausrüstungsgüter für die Erdöl- und Erdgasgewinnung nach Kuba geliefert.

2014:

  • Das US-Finanzministerium forderte von der französischen Großbank BNP Paribas eine Rekordstrafe von zehn Milliarden US-Dollar wegen Geschäften mit Kuba ein.
  • Im selben Jahr verhängte die US-Regierung gegen die Commerzbank wegen deren Kuba-Geschäft eine Strafe in Höhe von 650.000 US-Dollar.
  • Der deutsche Verein Netzwerk Cuba will für eine internationale Veranstaltung einen Spendenbetrag in Höhe von 4.000 Euro an ein Konto der britischen CSC (Cuba Solidarity Campaign) nach London überwiesen. Die Überweisung wird von der Postbank mit dem Hinweis verweigert, dass die einzubeziehende US-Korrespondenzbank das Geld wegen des Kubabezugs einbehalten werde.

2015:

  • Die französische Bank Crédit Agricole wird aus dem gleichen Grund zu einer Strafzahlung in Höhe von 787 Millionen US-Dollar genötigt.
  • Ebenfalls 2015 sollte die Commerzbank, bei der die Bundesregierung 15 Prozent Anteile hält, sage und schreibe 1,71 Milliarden Dollar „Strafgebühr“ zahlen.

2017:

  • Im Herbst 2017 wollte der deutsche Verein „Netzwerk Cuba“ umfangreiche Spenden nach Kuba überweisen, die zur Behebung der durch Hurrikan „Irma” verursachten massiven Schäden dienen sollten. Die Postbank lehnte dies erneut mit Verweis auf die Folgen durch das (illegale) US-Embargo ab.

2018:

  • 2018 verhängten die USA gegenüber der französischen Geschäftsbank Societé Generale eine Strafzahlung in Höhe von 1,34 Milliarden US-Dollar.

2019:

  • Die Uni Crédit Group wird von den USA zur Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar wegen des angeblichen Verstoßes gegen die anti-kubanische US-Blockade genötigt.

2022:

  • Die Westfalen AG sah sich gezwungen, einen Vertrag über die Lieferung eines sogenannten Kapnographiemonitors, eines Gerätes zur Messung des Kohlendioxidgehalts in der Ausatemluft von beatmeten Patienten, aufzukündigen. Hintergrund war die Drohung, auf die Schwarze Liste der USA gesetzt zu werden, was bedeutet hätte, dass die Westfalen AG den US-Markt für Im- und Exporte verloren hätte.
  • Ebenfalls 2022 kündigte die Bayer AG unter anderem einen Großvertrag zur Lieferung von Tierarzneimitteln nach Kuba. Hintergrund: Bayer hatte zuvor mit einem US-Konsortium fusioniert und musste in Folge die kompletten Handelsbeziehungen zu Kuba abbrechen.
  • Auch die Brüel & Kjær Vibro GmbH, ein deutsches Unternehmen, das die Technologie für Systeme zur Schwingungsüberwachung der thermischen Turbinen liefert, die vom staatlichen kubanischen Energieunternehmen „UNE“ verwendet werden, hat 2022 vor dem Hintergrund von Strafandrohungen durch das sogenannte Helms-Burton-Gesetz der USA auf eine weitere Zusammenarbeit verzichtet.

Die obige Aufzählung endet nicht grundlos 2022, da ab 2023 die illegalen US-Maßnahmen als „mission accomplished“ angesehen werden können. Aus den beschriebenen Gründen (Strafmaßnahmen sowie Angst um Verlust des US-Marktes) sowie der geradezu existenziellen Energie- und Wirtschaftskrise, die Kuba seit 2023 durchläuft, investieren deutsche Unternehmen schlichtweg nicht mehr auf Kuba und unterhalten auch sonst so gut wie keine Handelsbeziehungen mehr, die von den USA sanktioniert werden könnten.

Fazit

Die USA bestimmen de facto darüber, ob deutsche Unternehmen und Banken Geschäfte mit einem Drittstaat wie Kuba machen dürfen. Bei Nichtachtung werden wie dargelegt teilweise horrende Strafzahlungen in Milliardenhöhe erzwungen. Ebenso erdreisten sich die USA, Transaktionen innerhalb der EU zu verhindern, nur weil im Überweisungsbetreff „Kuba“ steht.

Eigentlich wäre es Aufgabe der Bundesregierung und der EU-Kommission, ihre Bürger und Unternehmen vor solchen unilateralen und willkürlichen Vorgaben und damit einhergehenden Verletzungen von EU-Recht zu schützen. Dafür gibt es sogar eine sogenannte „Council Regulation“ der EU-Kommission (Nummer 2271/96) unter dem Titel „Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung der von einem Drittland erlassenen Rechtsvorschriften und der darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“. Das heißt, zumindest auf EU-Ebene liegen durchaus Instrumente gegen diese US-Willkürmaßnahmen vor. Nur ist die EU-Kommission, insbesondere unter der aktuellen Chefin Ursula von der Leyen, nicht gewillt, diese einzusetzen. Auch in Deutschland gäbe es durchaus Möglichkeiten, die USA mit ihren illegalen extraterritorialen Maßnahmen in die Schranken zu weisen.

Dass die USA das Handeln von EU-Bürgern und Wirtschaftsunternehmen maßgeblich fremdbestimmen können und damit massiv EU- und Völkerrecht ohne jede Konsequenz brechen, ist als skandalös zu bezeichnen. Es stellt sowohl Deutschland als auch der EU als Ganzes ein Armutszeugnis aus und führt die proklamierte politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit als angebliche internationale „Führungsmacht“ komplett ad absurdum. Eine selbstbewusste und ihrem Amtseid verpflichtete Bundesregierung müsste hier eigentlich aktiv werden, die Verstöße systematisch sammeln, vor ein Schiedsgericht bringen und die Betroffenen der illegalen US-Maßnahmen entsprechend unterstützen. Eigentlich, denn die Wirklichkeit sieht so aus:

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 8. Juli 2025

Frage Warweg
In der letzten Woche haben die USA die völkerrechtswidrigen Sanktionen gegen Kuba erneut verstärkt. Deutschland stimmt ja seit Jahren in den Vereinten Nationen gegen die US-Blockade und fordert dessen sofortige und bedingungslose Aufhebung. Vor dem Hintergrund würde mich interessieren, ob die aktuelle Bundesregierung denn bei der Einschätzung der Vorgängerregierung bleibt, dass die US-Sanktionen gegen Kuba völkerrechtswidrig sind. Hat sie gegenüber dem US-Wertepartner diese erneute Verstärkung der Sanktionen kritisiert? Die Frage geht im Zweifel an das Bundespresseamt und an das AA.

Regierungssprecher Kornelius
Die Bundesregierung hat zu dieser Frage meines Wissens noch keine abschließende Position erarbeitet.

Deschauer (AA)
Das AA sucht gerade den entsprechenden Zettel. Das gibt vielleicht die Gelegenheit, dass in der Zwischenzeit eine andere Frage gestellt wird – sollte noch Zeit sein.

Vorsitzende Hamberger
Dann stellen wir das Thema kurz zurück.

Vorsitzende Hamberger
Dann kommt jetzt die Antwort des Auswärtigen Amts auf die Frage von Herrn Warweg.

Deschauer (AA)
Wir melden uns bei Ihnen, Herr Warweg.

Zusatzfrage Warweg
Ich habe noch eine Nachfrage.

Deutsche Unternehmen, Banken und Vereine sind regelmäßig Opfer von US-Behörden, die mit horrenden Strafsummen und der Drohung, den Zugang zum US-Markt zu verlieren, die völkerrechtswidrige Blockade mit extraterritorialer Wirkung durchsetzen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde etwa die Bayer AG von den USA gezwungen, einen Großvertrag zur Lieferung von Tierarzneimitteln nach Kuba und in Folge dann die kompletten Handelsbeziehungen mit der Insel aufzukündigen. Da würde mich interessieren: Welche Hilfsmaßnahmen bietet die deutsche Bundesregierung den von den illegalen US-Sanktionen gegen Kuba betroffenen deutschen Banken und Unternehmen an – auch eingedenk des geleisteten Amtseids der hierfür verantwortlichen Minister? Namentlich würde mich da die Einschätzung vom BMWE, AA und BMF interessieren.

Kornelius
Vielleicht kann ich dazu eingangs etwas sagen. Sie kennen ja die amerikanische Rechtslage in der Durchsetzung von Sanktionen gegenüber Drittstaaten beziehungsweise direkt gegen Sektoren gerichtete Sanktionen. Das ist eine geübte Praxis, die die USA in vielen Bereichen anwenden. Die Bundesregierung hat dazu keine neue Position entwickelt, auch jetzt im Falle Kubas nicht. Insofern können wir das nicht vertiefen; es sei denn, Sie haben Entlastungen zu bieten. Aber das ist eine Praxis, die auch den Marktteilnehmern bekannt ist.

Zusatzfrage Warweg
Ja, aber meine Frage war: Welche Hilfsmaßnahmen gibt es?

Kornelius
Die Bundesregierung hat keine Hilfsmaßnahmen, was das angeht.

Zusatzfrage Warweg
Man lässt das einfach so geschehen?

Kornelius
Ich glaube, das ist jetzt hinreichend beantwortet.

Frage von New-York-Times-Korrespondentin
Mich würde interessieren, ob das überhaupt ein Thema ist. Haben sich die Firmen dazu an die Bundesregierung bzw. an ihr Ministerium gewendet?

Kornelius
Ich glaube, meine Antwort hat das bereits beantwortet; die Marktteilnehmer kennen die Praxis.

Frage Warweg
Meines Wissens gibt es zumindest auf EU-Ebene eine Arbeitsgruppe EU-Kuba, die sich genau damit beschäftigt, wie man EU-Staaten in Bezug auf diese extraterritorialen US-Sanktionen helfen kann. Frau Deschauer, zumindest darüber werden Sie informiert sein. Können Sie uns den Stand dieser Arbeitsgruppe kurz schildern?

Deschauer (AA)
Herr Warweg, Ihr intensives Interesse an Kuba zum Ende dieser Bundespressekonferenz kann ich nachvollziehen. Wir haben hier aber schon deutlich gemacht, zu welchen Aspekten wir uns hier äußern und zu welchen Dingen wir etwas nachreichen, und das machen wir im gegebenen Fall, wenn wir das können.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 07.07.2025


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=135712