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Titel: Junkers 315-Milliarden-Euro-Luftnummer

Datum: 27. November 2014 um 11:39 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Europäische Union, PR, Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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„315 Milliarden Euro: Junckers Mega-Investitionsplan wird noch etwas größer“, doch diese Zahl „könnte sogar noch höher ausfallen“, denn sie „sei nur konservative Schätzung“ – so war es gestern auf SPIEGEL Online zu lesen. Und auch fast alle anderen großen Medien griffen diese Zahl auf und plapperten nach, was Juncker und die EU-Kommission vorplapperten. Ein weiteres Beispiel für das kollektive Versagen der Medien, das Albrecht Müller gestern anprangerte. Sobald man nur ein wenig hinter die Kulissen blickt, stellt sich schnell heraus, dass Junckers gigantische Luftnummer nicht mehr als ein gigantischer PR-Trick ist. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Europas Wirtschaft steckt in einer Dauerkrise, die Massenarbeitslosigkeit grassiert und der Politik sind die Hände gebunden. Die privaten Haushalte sind durch Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen und schärfere Kreditvergaberichtlinien der Banken nicht in der Lage, die Wirtschaft anzukurbeln. Und wo der Absatz stagniert, sieht auch die Wirtschaft keinen Grund zum Investieren. Positive Impulse vom Weltmarkt sind auch nicht zu erwarten – nicht nur Europa, sondern auch die USA, Japan und China leiden unter einer globalen Konjunkturdelle. Um die Wirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen wären gerade jetzt staatliche Investitionen bitter nötig. Doch da die Staaten sich durch die Schuldenbremsen selbst auferlegt haben, kein zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen, ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Keine Frage, es wäre eine sehr gute Nachricht, wenn die EU denn tatsächliche eine größere Geldmenge in die Hand nehmen würde, um die Wirtschaft vor allem in den besonders betroffenen Staaten in der Peripherie anzukurbeln. 315 Mrd. Euro wären da ein echter Befreiungsschlag. Doch leider sind diese 315 Mrd. Euro eine bloße Wunschvorstellung, fern ab jeder realistischer Betrachtung.

Wie viel Geld nimm die EU denn nun eigentlich bei ihrem „großen Investitionsprogramm“ in die Hand? Die Antwort ist ernüchternd – die EU nimmt keinen einzigen Cent in die Hand. Was die EU-Kommission vorgestellt hat ist bei näherer Betrachtung vielmehr ein Garantiefonds in Höhe von 21 Mrd. Euro. Davon stammen 16 Mrd. Euro aus anderen EU-Investitionsprogrammen (linke Tasche, rechte Tasche) aus dem laufenden Haushalt und die restlichen fünf Milliarden werden als Kredit über die Europäische Investmentbank EIB geschöpft. Diese fünf Milliarden sind also die einzige Komponente, die tatsächlich als zusätzliches Geld für Investitionen bereitgestellt wird – und das auch noch gestreckt über drei Jahre, also 1,7 Mrd. Euro pro Jahr.

Wie kommt Jean Claude Juncker dann aber auf 315 Mrd. Euro? Ganz einfach. Die EU-Kommission will mit den 21 Mrd. Euro risikoreiche Kredite von privaten Unternehmen für Infrastrukturprojekte in Höhe von 60 Mrd. Euro absichern. Und nun hat die PR-Abteilung der EU-Kommission die vollkommen willkürliche – und komplett unrealistische – Rechnung aufgestellt, dass Investitionen in Höhe von 60 Mrd. Euro über Zweitrundeneffekte zu Investitionen in Höhe von „mindestens“ 315 Mrd. Euro führen sollen. Diese Zahl ist also durch nichts gedeckt, während die „Berechnung“ jeglicher empirischer Basis widerspricht. Mit der gleichen „Logik“ hätte die EU-Kommission auch die Zahl von 100 Mrd. Euro, 200 Mrd. Euro oder gar einer Billion Euro in den Ring werfen können.

Bezogen auf die Garantiesumme von 21 Mrd. Euro ergibt sich bei der angeblichen Investitionssumme von 315 Mrd. Euro eine Hebelung von 1 zu 15. Für jeden Euro, den die EU für Kredite privater Unternehmen garantiert, sollen also 15 Euro an privaten Investitionen mobilisiert werden. Diese Annahme ist, vor allem wenn man bedenkt, dass Europa sich in einer Wirtschaftskrise befindet, kompletter Unsinn. Oder wie Dimitris Papadimoulis, griechisches Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments, sagt: „Dass durch das eingesetzte Geld Investitionen in 15facher Höhe bewirkt würden, glaubt kein Volkswirt der Welt“. Recht hat er, wobei er sogar noch tiefstapelt. Da von den 21 Mrd. Euro für Garantien ja 16 Mrd. Euro aus anderen laufenden Programmen abgezweigt werden, beträgt der eigentliche Hebel nicht 1:15, sondern sogar 1:63.

Mit diesem Wissen im Hintergrund lesen Sie doch bitte noch einmal, was der SPIEGEL dazu schreibt. Manchmal ist das, was sich die deutsche Journaille zu volkswirtschaftlichen Themen aus den Fingern saugt, einfach nur noch zum fremdschämen. An der grenzenlosen Arroganz und Selbstverliebtheit der Herren und Damen Qualitätsjournalisten ändert dies jedoch nichts.

Zwei mal drei macht vier,
widewidewitt und drei macht neune,
ich mach mir die Welt,
widewide wie sie mir gefällt


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