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Titel: Über das Meinungsmanagement im Neoliberalismus oder der Kampf gegen den unsichtbaren Feind

Datum: 3. Mai 2017 um 8:59 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache
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Der Neoliberalismus hat den Menschen zu einem Unternehmer seiner selbst gemacht, der im Wettbewerb Jeder gegen Jeden steht, stets bereit, sich selbst zu optimieren. Das führt zu der Entsolidarisierung und Egomanie, die wir täglich erleben. Möglich wurde das durch eine verstärkte Meinungsmanipulation, die durch stetige einseitige Kampagnen, permanenter Wiederholung von Phrasen, der Arbeit von Lobbyvereinen und den vielen „Experten“ möglich werden, befeuert durch die Leitmedien, in denen man nur bruchstückweise andere Standpunkte erfährt. Von Brigitte Pick[*].

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat in seiner jüngsten Umfrage im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen herausgefunden, dass nicht nur der Politik misstraut wird, sondern auch der Wissenschaft und Forschung, die nicht unabhängig forscht und urteilt. Den sogenannten Experten misstrauen danach 61 Prozent der Befragten. „Auf das Urteil von Experten gebe ich im Allgemeinen nicht viel. Diese sogenannten Experten sind meist nicht unabhängig. Deshalb kann man sich auf ihr Urteil nicht verlassen.“[1]

Die Gedanken sind nicht neu. Schon die Studentenbewegung von 1968 skandierte: Brecht die Macht der Manipulateure und berief sich unter anderem auf Herbert Marcuse[2] und Adorno. Mit gleichem Titel drehte Helke Sanders 1967/68 einen Film zur Kampagne gegen den Springer-Konzern.

Andersmeinende als Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen, sorgt so für die Deutungshoheit der politischen Eliten bei umstrittenen Fragen wie beispielsweise Russlands Rolle unter Putin, der Rolle Syriens und der Ukraine oder auch den Morden an den Kennedys, sekundiert von den Medien.

Am 26. Oktober 2017 werden 3.571 bisher unbekannte Dokumente und 34.000 weitere veröffentlicht, die bisher nur mit Schwärzungen zugänglich waren – es sind die letzten aller noch im Archiv befindlichen Unterlagen zur Ermordung Kennedys und können Licht in das Dunkel der umstrittenen, jedoch offiziellen Alleintäterthese und die Rolle der Geheimdienste bringen. Die CIA haben nach 1945 allein fast 40 „Regime-Changes“ oder Putsche initiiert.[3] Zum 60. Jahrestag (2013) des Putsches im Iran gegen Mossadegh 1953 hat der amerikanische Geheimdienst CIA erstmals öffentlich seine Beteiligung zugegeben. Experten schätzen die Anzahl der Militärstützpunkte der USA in der Welt auf knapp 1000[4] , Russland hat dagegen 20, zu denen natürlich die in Syrien und auf der Krim gehören.

Der Autor und freie Journalist Mathias Bröckers hat jahrelang zu dem Kennedy-Mord recherchiert und sein Buch JFK , Staatsstreich in Amerika , von 2013 erscheint gerade mit einem neuen Nachwort zum 100-jährigen Geburtstag JFKs.[5]

„JFK war als klassischer kalter Krieger ins Amt gekommen, vollzog dann aber schon während der Kuba-Krise einen aus Sicht des Militärs und der CIA dramatischen Wandel seiner Politik. CIA-Chef Dulles und die Generäle wollten ihn mit der Schweinebucht-Operation zu einem Militäreinsatz gegen Castro zwingen, mit seiner Weigerung machte er sie zu seinen Feinden. Er wollte den Kalten Krieg beenden und den Krieg in Vietnam und hatte angekündigt, nach seiner Wiederwahl nach Moskau zu reisen und einen Friedensvertrag zu schließen. Innenpolitisch setzte er sich massiv für die Bürgerrechte ein und schickte die Nationalgarde, um den ersten schwarzen Studenten in Mississippi zu immatrikulieren, was der dortige Gouverneur verweigerte; zudem wollte er die Öl-Barone der Südstaaten zu höheren Steuern verpflichten. Neben dem militärisch-industriellen Komplex hatte er damit auch die Reaktionäre des Südens als Großfeind und aus diesen Kreisen kommen die Drahtzieher des Mords. Die Schützen waren sehr wahrscheinlich angeheuerte Killer der korsischen Mafia, bezahlt wurde die Operation von texanischen Öl-Baronen und organisiert von Agenten der CIA, die auch den Sündenbock Oswald präpariert hatten und die propagandistische „Nachbereitung“ steuerten. Im ersten Fahndungsaufruf der Dallas Police, 20 Minuten nach den Schüssen, werden Größe und Gewicht des gesuchten Täters genannt, die nicht von dem einzigen Augenzeugen stammen konnten, der einen Mann an einem halb geöffneten Fenster im 5. Stock gesehen haben wollte. Sie kamen direkt aus der CIA-Akte zu Oswald.“[6]

Bröckers sagt weiter:

„Nachdem Staatsanwalt Garrison dann 1966 in New Orleans ein Strafverfahren eröffnete, das einige CIA-Leute aus Oswalds Umfeld unter die Lupe nahm und die von Anfang an in der Bevölkerung verbreitete Skepsis an der offiziellen Version weiter verstärkte, verschickte die CIA im April 1967 ihr mittlerweile berühmtes Memo „Countering the Critiscism of the Warren Report“ an alle ihre Stationen. Dort wird der Begriff »conspiracy theories« als Waffe gegen jede Art von Kritik an dem Ergebnis der Warren-Kommission empfohlen. Diese Direktive mit einschlägigen Handlungsanweisungen und Argumentationshilfen legte den Grundstein für die Umdeutung des ursprünglich neutralen Begriffs »Verschwörungstheorie« zu einer negativ konnotierten Vokabel, die seitdem als Disziplinierungs- und Kontrollinstrument im öffentlichen Diskurs fungiert, als Waffe der psychologischen Kriegsführung.“[7]

Die Medien spielen ihre Rolle und gaukeln immer wieder vor, andere Standpunkte zu berücksichtigen. Die werden jedoch vorher strukturiert, wie Pierre Bourdieu in seinem Buch „Über das Fernsehen“ thematisiert hat. Deren Manipulation in Talkshows funktioniere über die nicht sichtbare Arbeit:

„Die Runde selbst ist das Ergebnis einer unsichtbar bleibenden Arbeit. Da ist zum Beispiel die ganze Arbeit der Einladung: Manche Leute lädt man gar nicht erst ein; andere lädt man ein, und sie lehnen ab. Schließlich steht die Runde und das Sichtbare verbirgt das Unsichtbare. Ein konstruiertes Sichtbares zeigt die sozialen Voraussetzungen seiner Konstruktion nicht.“[8]

Unter dem Argument, ein Verschwörungstheoretiker zu sein, werden auch durchaus valide Thesen denen von inszenierten Narrativen gleichgestellt und damit diffamiert. Zu diesen Diffamierungsbegriffen gehören neben Verschwörungstheoretikern genauso Worte wie Populismus, Antiamerikanismus oder die Frage nach dem cui bono, die man mich schon in der Schule lehrte. Themen werden mit Gedanken verklammert, die als anrüchig, rechtsextrem oder rassistisch gelten und damit tabuisiert. „Durch eine solche Verklammerung können sich die Machteliten und Funktionseliten vor Kritik immunisieren, indem sie bestimmte Themenbereiche aus dem öffentlichen Diskussionsraum verbannen.“[9] Sie werden zu einem gedanklichen Sperrgebiet und sind bei den intellektuellen und journalistischen Wasserträgern der Mächtigen beliebt.[10]

Das wurde in der Sendung von Anne Will vom 9.4.2017[11] zum Syrienkonflikt durch den ehemaligen US-amerikanischen Diplomaten John Kornblum, einem Verfechter militärischer Eingriffe und Hard power durch die USA, gegenüber dem langjährigen Nahostkorrespondenten der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT, Michael Lüders, eindringlich vorgeführt. Kornblum tat mit einer Handbewegung und keinem einzigen Argument Lüders Ausführungen als Verschwörungstheorie ab.[12] Ihm wurde nicht widersprochen.

Psychologen liefern eine gängige Erklärung für das Phänomen der Verbreitung von Verschwörungstheorien. Vom Sozialleben Ausgeschlossene, die verzweifelt einen Sinn ihres Lebens suchen, neigen an den Glauben von Verschwörungstheorien, so die simple These. Die mag es geben und es gibt auch nicht belegte oder gefälschte Narrative als Verschwörungstheorien, wie das antisemitische Pamphlet der Protokolle der Weisen von Zion.

Jedoch läuft heute eine politische Praxis, die nicht zwischen Tatsachen und Meinungen trennt , die Linien bewusst verwischt und Deutungen zu Fakten erklärt, oft mit dem Hinweis der Alternativlosigkeit. „Wir müssen also erkennen: Deutungen zu Fakten zu erklären, ist ein häufig gebrauchtes Instrument, die eigene Position mit vernebelnder kommunikativer Macht durchzusetzen. Solche Lüge unterminiert den gemeinsamen Boden, den wir in der Demokratie brauchen, um uns zu verständigen.“[13]

Meinungsmanagement ist kostengünstiger als Gewalt oder Bestechung, so der einflussreiche amerikanische Politikwissenschaftler und Propagandatheoretiker Harold D. Lasswell (1902 – 1978) in der Encyclopedia of the Social Sciences von 1930.[14]

„Daher wurde seit den historischen Anfängen versucht, Machttechniken zu entwickeln, mit denen sich unsere moralischen Sensivitäten gleichsam unterlaufen lassen, die also weniger Widerstand im Volk aktivieren. Diese Machttechniken werden heute oft als Soft Power bezeichnet. Soft Power ist das gesamte Spektrum von Techniken, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Vermittlungsinstanzen für diese Formen der Machtausübung sind – unterstützt durch Stiftungen, Think Tanks, Elitenetzwerke und Lobbygruppen – insbesondere private und öffentliche Medien, Schulen und der gesamte Erziehungs- und Ausbildungssektor sowie die Kulturindustrie. Die Wirkungen von Soft Power-Techniken sind für die Bevölkerung weitgehend unsichtbar; es ist also kaum mit Protesten gegen diese Formen der Indoktrination zu rechnen.“[15]

Demokratie gilt heute in der westlichen Welt als einzige legitimierte Herrschaftsform. Man kann sie von unten und von oben sehen. Das Volk möchte sich nicht dem Willen eines Anderen unterwerfen, sich frei fühlen und hält Demokratie deshalb für attraktiv. Die Mächtigen hingegen können Demokratie nicht für attraktiv halten, denn es würde ihre Machtbedürfnisse einschränken, so Professor Mausfeld. Das führt zu einem Spannungsverhältnis und bedarf der Entschärfung. Es bedarf einer Rechtfertigungsideologie, warum das Volk unmündig sei und einer Führung bedürfe.

„Gegen Demokratie“ heißt das neue Buch des US-Philosophen und Politikwissenschaftlers Jason Brennan. Darin fordert er nicht weniger, als die Demokratie abzuschaffen und ein volles Wahlrecht nur noch den Gebildeten, Wissenden und Informierten zuzugestehen.

„Wähler wissen einfach oft nicht, was wirklich gut für sie ist und ob ihre Wählerstimme wirklich ihren eigenen Interessen dient“, sagte Brennan im Deutschlandradio Kultur. Zum Beispiel die Trump-Wähler: „Denen ist wahrscheinlich noch überhaupt nicht bewusst, dass sie sich letztlich in die eigenen Füße geschossen haben.“

Bei den Durchschnittswählern konstatiert Brennan außerdem einen eklatanten Mangel an Wissen: „Ihnen fehlen oft einfach die Fakten, sie haben auch keine Ahnung, was Sozialwissenschaften angeht.“ Das sei etwa bei den Brexit-Befürwortern deutlich geworden. Diese hätten sich bei ihrer Einschätzung der Zahl der Einwanderer um den Faktor sechs geirrt, bei den Kosten für Wohlfahrtsprogramme gar um den Faktor 400. „Die Remain-Wähler, also die, die in der EU bleiben wollten, haben sich zwar auch geirrt bei gewissen Fakten, aber da war diese Fehlerdiagnose einfach nicht so hoch. Das heißt, sie waren einfach besser informiert.“[16]

So offen sagt es kaum einer, dafür gibt es aber ein Demokratiemanagement. Die Mehrheit des Wahlvolkes zeigt sich noch immer zufrieden mit den Parteien, obwohl wir uns schon lange Zeit in einem Klassenkampf von oben befinden (Abbau des Soziaalstaates, Bankenrettung, Überwachungsausbau, Militarisierung der EU, Osterweiterung der Nato etc.).

Die Einbettung von politischen Ereignissen und Themen in subjektive Deutungsrahmen nennt die Kommunikationswissenschaft „Framing“. Emotional und selektiv ausgewählte Frames schaffen eine übermächtige Wirkung in der Öffentlichkeit und werden bewusst für die Öffentlichkeitsarbeit durch Politik und Medien eingesetzt. Es ist eine klassische Methode, um zu manipulieren. Dazu gehört die Dämonisierung des Gegners. Dem Putsch gegen den im April 1951 demokratisch gewählten Premierminister Mohammed Mossadegh im Iran 1953 ging eine Kampagne voraus, die ihn als böse, irre, gerissen, provokant und gefährlich darstellte und mit Hitler verglich. Fast wortgleich wird diese Sprache gegenüber Hussein, Gaddafi und Baschar al-Assad wiederholt[17], der gerade von dem US –Sprecher Sean Spicer mit Hitler verglichen wurde, sich aber kurz danach dafür entschuldigen musste.

Die Rahmenerzählung vom Volk als Hirten und Schafen, also die vom Dienen und Herrschen, oder Masse und Elite bietet die Basisideologie und ist heute weitgehend verinnerlicht.

Mausfeld spricht von Techniken der Mentalvergiftung durch Erzeugung von Angst und Hass.

„Durch die Erzeugung von Hass lässt sich auch Ängsten ein geeignetes Zielobjekt geben, auf das sich dann Affekte des Volkes richten können. Dadurch ist sichergestellt, dass sich Empörungsenergie und Veränderungsbedürfnisse nicht gegen die Zentren der Macht richten. Auch die strukturelle Erzeugung von Ängsten auf sozio-ökonomischem Wege – beispielsweise ein hohes Maß von beruflichem Stress, gesellschaftliche Versagensängste und Ängste vor sozialem Abstieg – lässt sich für dieses Ziel nutzen. Weitere Methoden, die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Zentren der Macht abzulenken, sind Zerstreuung durch eine mediale Überflutung mit Nichtigkeiten, Konsumismus, Ausbildung von ‚Falsch-Identitäten‘ oder Infantilisierung.“[18]

Michel Foucault spricht von einem ‚Wahrheitsregime‘, das behauptet, eine bestimmte Interpretation sei richtig und wahr, indem es die Kritiker und die Vertreter abweichender Meinungen ignoriert und diskreditiert.

Sucht man nach Erklärungen für das unselige Intervenieren der USA in der Welt, findet man eine Erklärung in der Ideologie des Exzeptionalismus und der Idee eines ‚benevolenten‘ Imperiums, also eines Imperiums, dessen Handeln von einem selbstlosen Wohlwollen getragen ist. .

„Der Begriff ‚amerikanischer Exzeptionalismus‘ bezeichnet eine Ideologie, der zufolge die USA eine einzigartige Sonderstellung unter den Nationen der Welt einnähmen, die aus ihrer besonderen Geschichte und aus ihrer einzigartigen Machtfülle erwachse. Der Exzeptionalismus stellt die politische Kernideologie der USA dar…. Wegen ihrer Einzigartigkeit seien die USA, so die Vertreter des Exzeptionalismus, grundsätzlich an völkerrechtliche Vereinbarungen nur insoweit gebunden, wie ihnen dies nützt. Auch ließen sich ihre Taten grundsätzlich nicht nach den moralischen Normen bewerten, nach denen die USA die Taten anderer Nationen bewerten. Denn es könne grundsätzlich keine „moralische Äquivalenz“ zwischen den USA und anderen Staaten in der Bewertung ihrer Taten geben, da sich Verbrechen von ‚wesenshaft Guten‘ nicht mit Maßstäben bewerten ließen, die man an Verbrechen von ‚wesenshaft Schlechten‘ anlegt. Folglich mögen die USA zwar gelegentlich ‚Fehler‘ machen, können jedoch aus grundsätzlichen Gründen keine Kriegsverbrechen begehen – weder in Vietnam, noch im Irak oder in Syrien. Und aus ebenso grundsätzlichen Gründen können sie auch keine Zivilisten ermorden, sondern Zivilisten sterben einfach als ‚kollaterale‘ Folge bester Intentionen.“[19] Nach dem Kampf gegen den Kommunismus folgte in den USA eine Verbrämung der Ideologie eines „moralischen Idealismus“. „Zum anderen beanspruchten die USA, nicht lediglich ein Imperium zu sein; vielmehr seien sie, so Charles Krauthammer, ein „einzigartig gutartiges Imperium; das ist keine bloße Selbst-Beglückwünschung, es ist eine Tatsache.“ Bill Clinton (28. April 28, 1996) nannte die USA “world’s greatest force for peace and freedom”. Barack Obama (9. April 2007) drückte seine exzeptionalistischen Überzeugungen mit den Worten aus: “this country is still the last best hope on earth.” Und Hillary Clinton (25. Juli 2016) nannte die USA „das großartigste Land, das je in der Geschichte auf der Erde geschaffen wurde“ – “the greatest country that has ever been created on the face of the earth for all of history”. Dies sind keine Einzelstimmen, sondern sie drücken ideologische Kernüberzeugungen US-amerikanischer Identität aus.“[20]

Die US-Außenministerin Madeleine Albright antwortete in der Fernsehshow “60 Minuten” am 12. Mai 1996 Lesley Stahl gegenüber: “Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder gestorben sind (wegen der Sanktionen gegen den Irak). Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und – sagen Sie, ist es den Preis wert?” Albright: “Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.”[21] Den Einsatz von Cruise Missiles gegen den Irak rechtfertigte sie mit den folgenden Argumenten: „Wenn wir Gewalt anwenden müssen, dann, weil wir Amerika sind. Wir sind die unverzichtbare Nation. Wir sind groß. Wir blicken weiter in die Zukunft.“[22]

Einer der ideologischen Paten Obamas, Chefideologe und Unilaterist ist Zbigniew Brzezinski, früherer Sicherheitsberater von Jimmy Carter.

„Zbigniew Brzezinski begründete die Position der „ersten und einzigen echten Supermacht“ mit „vier entscheidenden Domänen globaler Macht“: der weltweiten Militärpräsenz, der weltwirtschaftlichen und technologischen Führungsrolle (die auch die militärische Überlegenheit ermöglicht) und der kulturellen Hegemonie, die sich in der weltweiten und durch amerikanische Medienkonzerne verbreiteten Attraktivität des American way of life manifestiert. Es ist richtig, dass die USA als einzige Militärmacht wirklich global operieren können; dass ohne sie auf globaler Ebene wenig läuft; dass sie also – so Außenministerin Madeleine K. Albright – zur „unverzichtbaren Nation“ geworden sind, ohne deren Zutun kein Weltproblem gelöst werden kann. Der Hegemon ist der Chefarchitekt der politischen Weltordnung. Er ist zugleich die weltwirtschaftliche Führungsmacht, die in den 90er Jahren einen beispiellosen Wirtschaftsboom erlebte. Der US-Dollar blieb die internationale Leitwährung, die New Yorker Börse die internationale Leitbörse. Der IWF und die Weltbank haben nicht nur ihre Hauptquartiere, sondern auch ihren dominanten Großaktionär in Washington.“[23]

Man kann und muss zum Beispiel die schrecklichen Kriege im Vorderen Orient anders erzählen.

Der Verein „Freundschaft mit Valjevo“, einer Stadt im Westen Serbiens, hatte den Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz zu einem Vortag nach Pfaffenhofen eingeladen. Professor Dr. Günter Meyer ist ein profunder Kenner der arabischen Welt, denn er hat mehr als 40 Jahre umfangreiche Studien in den arabischen Ländern durchgeführt und dort auch gelebt. Der Redakteur fasst seinen Vortrag wie folgt zusammen:

„Nach dem Sturz von Saddam Hussein in 2003 gab es ein Machtvakuum; der US-Verwalter Paul Bremer beging den Fehler, alle Sicherheitskräfte und Beamten des Regimes in die Perspektivlosigkeit zu entlassen, die sich zum großen Teil radikalen Anti-US-Gruppen anschlossen- das war später ein großes Potential für die Terrorgruppen in Syrien. Durch den „arabischen Frühling“ in 2010, angefangen mit dem Sturz autokratischer Regierungen in Tunesien und Ägypten und den Sturz Gaddafis durch die Nato begannen aufgrund der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit und der hohen Jugendarbeitslosigkeit auch in Syrien die Proteste. Die Anti-Regierungsgruppen wurden finanziell und mit Waffen vor allem aus den USA und den Golfstaaten unterstützt. Aus diesen Gruppen entwickelte sich durch Ableger der al-Qaida und der Nusra-Front die Gruppe ISIS, die immer mehr Zulauf aus moselmischen Staaten und Europa erhielt. Der dann ausgerufene „Islamische Staat“ war dann die Folge. Der IS und andere Gruppen hatten Interesse daran, Staatschef Assad von der Macht zu vertreiben, was auch im Sinne der USA und verschiedener Golfstaaten lag. Inzwischen haben die USA die Fehlentwicklungen eingestanden und bekämpfen die Truppen des IS, und Russland unterstützt dabei den Kampf Assads gegen alle Terroristen aus Eigeninteresse. Inzwischen ist die Lage so verfahren, dass es immer komplizierter wird, das Land zu befrieden. Auch die Kurden in Syrien und im Irak hatten Interesse an einem geeinten kurdischen Staat, was wiederum nicht im Interesse der Türkei liegt, die deshalb in letzter Zeit in das Gebiet einmarschierte und die kurdischen Rebellen bekämpft. Andererseits hat die Türkei ein Interesse daran Assad von der Macht zu vertreiben, weil sie die ihnen nahe stehende Moslembruderschaft an die Macht bringen will.

Syrien hatte vor Beginn der Konflikte 22,4 Millionen Einwohner – inzwischen sind 11 Millionen Menschen geflohen und vertrieben. Die meisten Flüchtlinge leben in Lagern in Syrien an der türkischen Grenze, in der Türkei, in Jordanien und im Libanon.

Die Ausführungen von Professor Meyer waren natürlich viel fakten- und umfangreicher, so dass es unmöglich wäre, dies alles in einem Bericht zusammenzufassen.

Professor Meyer ging auch auf die „Weißhelme“ ein, die im letzten Jahr den Alternativen Friedenpreis erhalten hatten. Sie sind eigentlich eine Zivilschutzorganisation der Nusra-Front in die mehrere hunderte Millionen Dollar aus dem Ausland investiert wurden. Nusra und IS sind Ableger der al Qaida-Organisation, die sich einige Zeit heftig bekämpft und sich inzwischen wieder versöhnt hatten. Die Nusra Kämpfer sind dabei die brutalsten von allen. Die Berichte und Fotos über die Rettungsaktionen der Weißhelme sind oft gefälscht, um die Welt zu manipulieren. Auch unklar ist, ob alle Berichte der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte stimmen, die ihren Sitz in London hat und aus einem syrischen Textilhändler besteht, der angeblich über 200 Informanten in Syrien hat. Ebenfalls auffallend ist, dass zwar die Verbrechen des Assad-Regimes veröffentlicht werden, nicht aber die der Kämpfer gegen Assad.

Nach Einschätzung von Professor Meyer wird sich durch den Einsatz Russlands und den gemeinsamen Kampf aller Kräfte gegen den IS die Position Assads in Syrien festigen. Offen ist, wie sich die USA unter Trump in Zukunft verhalten werden. Wenn die bisherige Politik fortgeführt werden sollte, dann kann der Krieg noch lange dauern und das Flüchtlingsproblem wird sich weiter verschärfen.“[24]

Meinungsmanipulation und Indoktrination beherrschen jedoch unsere Leitmedien. „Die Journalisten dürfen ihr Jagdfieber an Enthüllungsgeschichten abarbeiten, die die Verworfenheit von Personen, nicht die Verwerflichkeit von gesellschaftlichen Kausalitäten bloßlegen“, schreibt Daniela Dahn.[25]

„Dabei lassen sich zwei Arten unterscheiden: eine eher kurzfristig angelegte und eine sehr langfristig angelegte. Ich werde sie als Aktualindoktrination und Tiefenindoktrination bezeichnen. Die Aktualindoktrination vollzieht sich bei der alltäglichen Aufnahme tagesaktueller Nachrichten. Sie zielt darauf, eine Rahmenerzählung für die täglichen politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse zu vermitteln, die mit der Sicht der Eliten übereinstimmt, und auf diese Weise ein gesellschaftliches Weltbild zu erzeugen und zu stabilisieren. Und sie zielt darauf, Fakten, die diese ideologische Rahmenerzählung gefährden könnten, durch eine geeignete Faktenselektion und durch eine geeignete De-Kontextualisierung und Re-Kontextualisierung ‚unsichtbar‘ zu machen – sie also aus ihrem tatsächlichen Sinnzusammenhang zu reißen und sie in einen behaupteten Sinnzusammenhang zu stellen, der sie ihrer politischen Brisanz entkleidet und mit der Sicht der Eliten übereinstimmt.“[26]

Es bedurfte keines Donald Trump, um die Machtansprüche der USA zu verdeutlichen.

Für die USA hat George F.Kennan, einer der brillantesten amerikanischen Politikstrategen und Vertreter der sog. „realistischen Schule“, schon 1948 ausgesprochen, worum es geht; seine machtpolitische Analyse lautet:

„Wir besitzen etwa 50 % des Reichtums dieser Welt, stellen aber nur 6,3 % seiner Bevölkerung. … Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eine Form von

Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten. Um das zu erreichen, werden wir auf alle Sentimentalitäten und Tagträumereien verzichten müssen; und wir werden unsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalen Vorhaben konzentrieren müssen.

Wir dürfen uns nicht vormachen, dass wir uns heute den Luxus von Altruismus und Weltbeglückung leisten könnten. […] Wir sollten aufhören von vagen – und für den Fernen Osten – unrealistischen Zielen wie Menschenrechten, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss. Je weniger wir dann von idealistischen Parolen behindert werden, desto besser.“[27]

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks haben die USA einen Ring von Militärbasen in etwa 80 Ländern angelegt und geben dafür 150 Milliarden Dollar pro Jahr aus. Russland erweckte einige Begierden. So wurde die Wiederwahl Jelzins 1996 durch USA – Wahlhelfer beeinflusst und von dem US Magazin Time nach der Wahl veröffentlicht, wie der Spiegel vom 15.7.1996 berichtete.[28] Der Beutezug kam unter Putin zum Erliegen und nennt sich fortan „Friedenssicherung zur Eindämmung der russischen Aggression.“

Die repräsentative Demokratie ist das Gegenteil einer partizipatorischen Demokratie wie sie Athen kannte, als Regierung durch das Volk. Sie hält die Masse von der Politik fern und ermöglicht den Eliten, ihren Besitz zu wahren und zu vermehren. Die amerikanische Verfassung muss man als ein Modell einer Elitentheorie der Demokratie lesen. Die Wahl beschränkt sich auf eine Konkurrenzwahl von Funktionseliten.[29] Die Beschränkung der Demokratie auf Wahlen ist eine zweifelhafte, denn sie schließt die Partizipation der Bürger am Gemeinwesen aus. Sie sind nicht Ausdruck der Volkssouveränität und verschleiern Veränderungsbedürftiges. Die westliche repräsentative Demokratie ist Elitendemokratie. Die Entwicklung von Demokratiekonzeptionen und Demokratietheorien findet sich in der Diskussion einer Spezialliteratur und findet nicht in der Öffentlichkeit statt. Die repräsentative Demokratie gilt als alternativlos und wird deshalb nicht hinterfragt.

„Die ‚repräsentative Demokratie‘ hat für die eigentlichen Zentren politischer Macht den Vorteil, dass die gesamte Veränderungsenergie des Volkes in der Wahl anderer Repräsentanten aus einem vorgegeben Spektrum erschöpft wird. Damit fehlen innerhalb der gegenwärtigen Formen ‚repräsentativer Demokratie‘ Mechanismen, durch die ein Veränderungswille politisch wirksam werden kann. Genau dadurch stellt die ‚repräsentative Demokratie‘ für die Machteliten eine nahezu perfekte Herrschaftsform dar; sie ist eine Form der Oligarchie, die jedoch dem Volk als Demokratie erscheint.“[30]

Daniela Dahn, freie Schriftstellerin und Publizistin, Gründungsmitglied des „Demokratischen Aufbruchs”, hat ein kluges Buch über den westlichen Staat geschrieben, in dem sie am Ende für ein Rätesystem, wie es Hannah Arendt vorschwebte, plädiert, „da der Staat sich immer mehr in eine Apparatur zum Schutz systemrelevanten Privateigentums aus Kosten der Allgemeinheit entwickelt. ..Dieser irrationale Mechanismus ist durch Reparaturen am Rande nicht zu beheben. Frei ist, wer die als falsch erkannte Funktionslogik umzukehren vermag.“[31]

Darüber kann man streiten und diskutieren.


[«*] Brigitte Pick (*1946) studierte in Berlin Geschichte. Von 1969 bis 2005 war sie ohne Unterbrechung im Berliner Schuldienst tätig. 1970 wechselte sie an die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln und übernahm deren Leitung 1983. Seit 2005 ist sie im Ruhestand.
Veröffentlichungen:

  • Pick, B. (2007): Kopfschüsse. Wer PISA nicht versteht, muss mit RÜTLI rechnen. Hamburg: VSA-Verlag
  • Pick, B. (2011): Kaktusküsse. Wer »Überflüssige« in der Schule aussortiert, darf sich über Hartz IV nicht beklagen. Hamburg: VSA-Verlag
  • Pick, B. (2013): Randnotizen aus der 2. deutschen Republik. Kindle Edition

[«1] faz.net – Interessen schlagen Fakten vom 22.2.2017 von Renate Köcher

[«2] Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Übers. von Alfred Schmidt. Luchterhand, Neuwied 1967 u. ö.* 4. Aufl. Deutscher Taschenbuchverlag, dtv wissenschaft, München 2004

[«3] wikipedia.org – Liste der Militäroperationen der Vereinigten Staaten 20. Jahrhundert

[«4] wikipedia.org – Liste von Militärbasen der Vereinigten Staaten im Ausland

[«5] Mathias Bröckers: JFK, Staatstreich in Amerika, Verlag Westend, März 2017

[«6] nachdenkseiten.de – „Diese Morde waren ein regime change von innen“ vom 20.3.2017 – Marcus Klöckner im Gespräch mit Mathias Bröckers

[«7] Ders. S.o.

[«8] Pierre Bourdieu: Über das Fernsehen, Suhrkamp 1998, S.46-47

[«9] Rainer Mausfeld:Die Angst der Machteliten vor dem Volk, PDF Datei, S.13

[«10] Ders. A.a.O. S.14

[«11] daserste.ndr.de – Trump bekämpft Assad – Droht jetzt ein globaler Konflikt? vom 9.4.2017

[«12] Michael Lüders : Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München 2015

[«13] Gesine Schwan: Was ist hier bittschön Fakt? Im Tagesspiegel vom 3.4.2017

[«14] Zitiert nach Prof. Rainer Mausfeld: Die Angst der Machteliten vor dem Volk PDF Datei, S.6

[«15] Ders. S.6

[«16] Zitiert nach nachdenkseiten.de – Hinweise des Tages #12 vom 11.4.2017

[«17] Siehe auch: Michael Lüders: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München 2015, S.17

[«18] Rainer Mausfeld, a.a.O. S.11f

[«19] Ders. S. 15

[«20] Ders. S. 20

[«21] youtube.com – US-Außenministerin: 500’000 Tote Kinder waren den Preis wert!!! vom 8.12.2014

[«22] sef-bonn.org – Multilateralismus vs. Unilateralismus von Prof. Dr. Franz Nuscheler, Januar 2001, S.5

[«23] Ders. S.6

[«24] hallertau.info – Verwirrender Syrien-Konflikt vom 18.3.2017

[«25] Daniela Dahn: Wir sind der Staat! Hamburg 2013, S. 93

[«26] Mausfeld, a.a.O. S.17

[«27] George F. Kennan, Memo PPS23 vom 28. Februar 1948, freigegeben am 17. Juni 1974, zitiert nach Mausfeld,S.21

[«28] spiegel.de – „Eine verdammte Lüge“

[«29] Mausfeld a.a.O. S. 28f

[«30] Ders. S. 32

[«31] Daniela Dahn, a.a.O. S.173


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