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Titel: Der Diesel-Skandal und das Versagen der Presse: „Das ist ein sehr heißes Eisen“

Datum: 19. Dezember 2017 um 9:09 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Ökonomie, Interviews, Lobbyismus und politische Korruption, Medienkritik, Verkehrspolitik
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Journalisten widmen den Abgasmanipulationen an Dieselfahrzeugen viel Aufmerksamkeit. Sie berichten über sie vor und zurück und die Schlagzeilen könnten kaum größer sein. Aber warum haben nicht die Medienvertreter, die sich als Fachjournalisten mit der Automobilbranche auseinandersetzen, frühzeitig Alarm geschlagen? Hätten nicht gerade sie, die doch bestens über die Branche informiert sind, eine Ahnung davon haben müssen, wie die großen Autofirmen vorgehen? Im Interview mit den NachDenkSeiten wirft Urs Bär, der sich als Journalist seit zwanzig Jahren mit der Automobilbranche auseinandersetzt, unter anderem ein Licht auf seine eigene Zunft und hinterfragt kritisch die Rolle der Medien im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal.
Ein Interview von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die großen Medien, sagt Bär, bleiben bei ihrer Berichterstattung „weit hinter kritischen Auffassungen in der Bevölkerung zurück, die durchaus das systemische Kernproblem des ganzen Schlamassels durchschaut.“ Medien, so führt der Insider weiter aus, erweckten zu oft den Eindruck, „als ob die jahrelangen und systematischen Manipulationen allein auf das moralische Fehlverhalten einzelner Politiker, Ingenieure oder Vorstände zurückzuführen wären.“ Doch die Realität sei eine andere, sagt Bär, der in dem Interview unter einem Pseudonym in Erscheinung tritt, weil er berufliche Nachteile aufgrund seiner kritischen Einlassungen befürchtet. Die Identität von „Bär“ ist den NachDenkSeiten bekannt.

Herr Bär, der „Diesel-Skandal“ war und ist seit geraumer Zeit ein großes Thema in den Medien. Sie sind als Verkehrsjournalist ein Kenner der Automobilbranche. Was ist Ihnen in der Berichterstattung aufgefallen?

Überaus bemerkenswert finde ich zunächst einmal, dass solche Betrügereien überhaupt an die Öffentlichkeit kommen. Neu ist ja nicht, dass im großen Stil manipuliert wird, neu ist, dass es aufgedeckt wird. Auffällig an der Berichterstattung ist aber die Oberflächlichkeit.

Wie meinen Sie das?

Da wird zu oft der Eindruck erweckt, als ob die jahrelangen und systematischen Manipulationen allein auf das moralische Fehlverhalten einzelner Politiker, Ingenieure oder Vorstände zurückzuführen wären. Da bleiben die großen Medien weit hinter kritischen Auffassungen in der Bevölkerung zurück, die durchaus das systemische Kernproblem des ganzen Schlamassels durchschaut: riesige, monopolartige Konzerne, die alles daran setzen, noch mehr und noch mehr Profit zu hecken, und sei es mit Mobilitäts-, Auto- und Motorenkonzepten von vorgestern, die völlig veraltet und daher schädlich sind und dringend weiterentwickelt werden müssen, damit der Verkehr keine Zumutung für Mensch und Umwelt mehr ist, sondern sicher, komfortabel, klimafreundlich und – und das ist eigentlich das Wichtigste – nützlich und bezahlbar für alle Menschen ist. Dagegen steht das Prinzip der Profitmaximierung. So erklärt sich der Dieselskandal, und das muss bis an die Wurzel aufgeklärt werden, damit er überwunden werden kann.

Was sind denn Ihrer Meinung die Ursachen für den Diesel-Skandal?

Ein Beispiel: Es gibt technische Prüfinstitute wie die TÜVs, die messen den Verbrauch und die Emissionen von neuen Autotypen, bevor die eine Zulassung erhalten. Diese Institute sind formal gesehen unabhängig. Aber: Der Markt dieser Prüforganisationen wurde in den 90er Jahren liberalisiert, die ehemals wie eine Behörde geführten TÜVs werden nun wie Privatunternehmen geführt und streben selbst nach Gewinn. Nun kommt’s: Die Autohersteller können selbst wählen, zu welcher Prüforganisation sie für die Typzulassung gehen. Ja, glauben Sie, dass diese Prüfunternehmen ein Interesse daran haben, ihren Kunden bei einer systematischen Manipulation auf die Schliche zu kommen, wenn davon Folgeaufträge abhängig sind? Dabei werden diese Tests für sich genommen bestimmt in Ordnung sein. Aber die Prüforganisationen haben einfach nicht das Interesse, tiefer zu schürfen und beispielsweise eine Schadsoftware zu entdecken. Eigentlich müssten diese Prüfinstitute staatlich sein oder die Prüfungen müssten unter strenger staatlicher Aufsicht erfolgen, unter sehr strenger. Dieses Beispiel sagt sehr viel aus zum Verhältnis von Staat und Autowirtschaft und hier liegt aus meiner Sicht der Hund begraben.

Hat der Diesel-Skandal etwas mit dem neoliberalen Staat zu tun?

Das hat er. Ich will noch mal mit einem Beispiel antworten: Sie kennen bestimmt das Reifenlabel, das von der EU eingeführt wurde: Jeder zum Verkauf stehende Neureifen muss bestimmte Angaben zu Sicherheit, Energieeffizienz und Geräuschentwicklung vorweisen. „Prima“, denkt sich da der Kunde, „jetzt kann ich mich beim Kauf besser entscheiden“. Was er nicht weiß: Die Angaben auf dem Label macht der Reifenhersteller selbst, das wird nicht kontrolliert! Wenn Sie das wissen, wundern Sie sich dann noch über die Dieselschummeleien und dass die Luftverschmutzung trotz schärferer Emissionsgrenzwerte zunimmt? Der neoliberale Staat will den wirtschaftspolitisch eingreifenden Sozialstaat als Repräsentant des Allgemeinwohls abschaffen und einzig effiziente Rahmenbedingungen für die Geschäftemacherei setzen – wozu übrigens auch gehört, die Verbraucher mit solch einem Pseudo-Label zu beruhigen. Daher hat auch die Autolobby ein Wörtchen mitzureden in Brüssel und Berlin, wenn es etwa um neue Emissionsgrenzwerte geht, also namentlich der Verband der Automobilindustrie VDA mit seinem Präsidenten Matthias Wissmann, der CDU-Verkehrsminister unter Kohl war. Das ist auch der Grund, weshalb die technisch längst machbaren Verbrauchs- und Abgasprüfungen im Alltagsbetrieb der Fahrzeuge so lange nicht eingeführt wurden. Stattdessen wurden bis heute die Autos unter künstlichen Laborbedingungen auf einem Prüfstand geprüft, und die Autohersteller konnten das zu prüfende Auto völlig legal bis zur Unkenntlichkeit verändern: mit zum Bersten befüllte Reifen oder ohne Radio, Klimaanlage oder andere übliche Ausstattungsdetails, teils sogar ohne Sitze, nur um das Gewicht und damit den Verbrauch zu drücken. So kamen und kommen die angeblich so niedrigen Normverbrauchswerte zustande.

Bei dem Diesel-Skandal scheint auch ein Versagen der Presse sichtbar zu werden. Warum haben nicht gerade die Journalisten, die sich intensiv mit Autos, den Autokonzernen usw. für die jeweiligen Fachmagazine auseinandersetzen, frühzeitig Alarm geschlagen?

Das ist ein sehr heißes Eisen. Jeder Autojournalist weiß seit Jahrzehnten um die stetig gewachsene Diskrepanz zwischen den offiziellen Normverbrauchswerten und dem realen Spritverbrauch, die locker 50 Prozent und mehr ausmacht.

Aber warum haben Journalisten dann nicht Alarm geschlagen?

Da muss ich etwas ausholen. Es gibt heute kaum noch Zeitungsverleger, die sich als Garant einer kritischen, tiefgreifend informativen Meinungsbildung und einer plural-streitbaren Presselandschaft verstehen. Die von Heuschrecken befallenen Verlage sollen vielmehr Gewinn abwerfen, die journalistische Arbeit wird zu „Content“ und zur Ware. Es gibt Autoredakteure, deren Vorgesetzter sitzt nicht in der Chefredaktion, sondern in der Anzeigenabteilung. Deren Arbeitsmotto lautet: erst die Anzeige besorgen, dann den Artikel schreiben. Und so sehen die Autoseiten dann auch aus. Oder die Autoseiten werden ganz gestrichen, weil es zuwenig Anzeigen gibt. Tja, und dann kommt noch hinzu: Wer als Autojournalist überhaupt arbeiten möchte, der ist abhängig davon, dass er von der Industrie eingeladen wird, wenn ein neues Produkt präsentiert wird. Und von der Einladungsliste kann man auch ganz schnell wieder gestrichen werden. Es ist übrigens eine Mär, wenn ich das noch sagen darf, dass Autojournalisten es sich im schicken Test-Cabrio an der Côte d’Azur und mit Champagner im Luxushotel auf Kosten der Autofirma gutgehen lassen. Das gibt es zwar, aber nur für sehr wenige. Sehr viele Kollegen sind dagegen schon froh, wenn ihre Artikel überhaupt abgedruckt werden und verlangen dafür keinen Cent Honorar, nur damit sie im Geschäft bleiben. Oft leben sie von Hartz IV . Ich frage Sie: Wie soll so ein selbstbewusster, qualitativer Journalismus gedeihen, der mit seiner kritischen Berichterstattung so etwas wie den Dieselskandal erst gar nicht entstehen lässt?

Was müsste denn nun getan werden? In den Medien ist immer wieder von Fahrverboten und einem Nachrüsten der Diesel-Autos zu hören. Was halten Sie davon?

Einfache Konsum- oder Technikkritik führt am Problem vorbei. Viel wichtiger ist doch, dass die Produktion und das Verkehrssystem vernünftig weiterentwickelt und umgestaltet werden, dass die Unternehmen zu Investitionen in Forschung und Entwicklung gezwungen werden. Die öffentliche Sensibilisierung und der Druck im Zusammenhang mit dem Dieselskandal sind doch da! Und dann geht es auch: Woher kommt es denn, dass auf einmal ein Autozulieferer eine Autobremse präsentiert, die sage und schreibe 90 Prozent weniger Feinstaub entwickelt? Meinen Sie, dass die Forschung dafür erst mit der Aufregung um den Dieselskandal angefangen hat? Nein. In den Schubladen der Forschungsabteilungen schlummern allerhand Pläne für wirklich interessante und nützliche Dinge, die aber unter Verschluss gehalten werden, um die bestehenden Produkte und Fertigungsanlagen bis zum geht nicht mehr profitabel zu nutzen. Oder kommen wir auf VW zurück. Die haben nun eine Investitionsoffensive in Höhe von über 70 Milliarden Euro angekündigt. 70 Milliarden! Vornehmlich für Elektromobilität und autonomes Fahren, also das geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung, und das zeigt doch, was möglich ist. Und trotz dieser Riesensumme senkt VW damit sogar noch die Investitionsquote gemessen am Umsatz, da ist also noch erheblich mehr drin. Die Voraussetzung dafür, also sowohl für diese enorm hohe Summe wie auch dass sie für vernünftige neue Produkte eingesetzt wird, ist öffentlicher Druck und eine selbstbewusste Belegschaft, die mitentscheiden will. Der Betriebsrat bei VW hat schon vor Jahren die Nachhaltigkeit als Entwicklungskonzept des Konzerns durchgesetzt – gegen harte Widerstände des Managements. Bis die Herren gemerkt haben, dass man mit Investitionen ins Energiesparen den Gewinn mittelfristig sogar erhöhen kann. Nun gut, ich bin der Überzeugung, dass die Beschäftigten am besten wissen, worauf es ankommt und wie man es hinkriegt, gesellschaftliche Probleme zu lösen, die müssen das Sagen haben. Und da kommt es auf jeden Einzelnen an!

Noch mal zurück: Warum bringen Fahrverbote nichts?

Fahrverbote treffen diejenigen, die sich ein neues verbrauchsarmes Auto nicht leisten können, und im Zweifel wird es nur noch mehr Gestank, Lärm und Staus zur Folge haben, denn es wird verstärkt Ausweichverkehr geben.

Wie sollte eine Nachrüstung ablaufen?

Die Autohersteller versuchen durchzusetzen, dass sie mit einfachen Software-Aktualisierungen an den betroffenen Autos davonkommen. Die kosten so gut wie nichts, lassen sich aber nur mit jüngeren Autos machen, also mit sehr wenigen. Wirkungsvoller könnte eventuell eine technische Nachrüstung am Motor mit einem Katalysator gegen Stickoxide sein, das könnte man an deutlich mehr, aber längst nicht an allen Autos durchführen, kostet aber mehr und will die Industrie daher nicht. Dennoch: Auch im Konflikt um Ad-hoc-Maßnahmen darf man die Autoindustrie, die uns das alles ja immerhin eingebrockt hat, nicht aus der Verantwortung lassen, auch wenn sie allein das Problem der Luftqualität höchstens dämpfen, aber nicht lösen.

Im Zuge des Diesel-Skandals wird vermehrt auch über ein tieferliegendes Problem gesprochen. Dabei geht es um den zunehmenden Verkehr ganz allgemein.
Wie müsste eine Politik aussehen, die das Allgemeinwohl in Sachen Verkehr im Blick hat und die ökonomische Seite nicht vernachlässigen will?

Es gibt einen immer unerträglicher werdenden Widerspruch. Einerseits kommen weltweit sehr, sehr viele Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben, die Umwelt und das Klima werden massiv beeinträchtigt, in den Ballungszentren wird der Verkehr immer rauher und dichter und gesundheitsgefährdender, und in den ländlichen Regionen hierzulande wie in den in Unterentwicklung gehaltenen Ländern werden die Menschen von Mobilität richtiggehend ausgeschlossen. Und auf der anderen Seite haben wir die Tendenz zu Elektromobilität und Automatisierung, die den Menschen viel schmutzige Arbeit und Aufwand abnehmen könnte. Was heißt das? Das heißt, dass die Vision vom unfallfreien, umweltfreundlichen und komfortablen Verkehr, durch den alle Menschen sinnvoll am gesellschaftlichen Leben teilhaben und mitgestalten können, keine utopische Spinnerei ist. Eine Spinnerei ist dagegen, auf Teufel komm raus am Individualverkehr in seiner jetzigen Form festzuhalten, das ist ein Anachronismus, weil das System definitiv an seine Grenze gekommen und deshalb schwer krisenhaft ist. Das jetzige Verkehrssystem kann die von ihm geschaffenen Probleme – Sicherheit, Umweltschutz, Staus, überfüllte Städte, Mobilität nicht für alle – nicht lösen.

Sie halten also einen Rückgang des Individualverkehrs, also dass jeder mit seinem eigenen Auto mit einem herkömmlichen Benzin- bzw. Dieselmotor weiterfährt wie bisher, für notwendig?

Ja, der Individualverkehr muss aufgehoben werden in ein gesellschaftliches Konzept von Verkehr für alle, durch ein integriertes System, das alle bestehenden Verkehrsträger miteinander verbindet.

Sie haben ein „integriertes Verkehrssystem“ erwähnt. Was meinen Sie damit?

Computer, Digitalisierung und Internet haben eine klare gesellschaftliche Tendenz: Wer eine Reise machen möchte, muss nicht mehr mühselig Auto, Bahn, Taxi und ÖPNV koordinieren und sich über Verspätungen und Staus ärgern. Er erhält vielmehr ein Angebot aus einem Guss, dass alle Verkehrsträger unter einem Dach vereint anbietet, die dann natürlich auch aufeinander abgestimmt sein müssen: bis zur öffentlichen Fahrradstation für die letzte Meile. Das bedeutet natürlich auch Veränderungen in der Infrastruktur und eine Demokratisierung der Organisation. Langfristig und mit autonomen Fahrzeugen wäre vielleicht sogar denkbar, was ich „kollektive Taxis“ nenne: öffentliche Fahrzeuge, die ihre Route aktuell und nach dem Bedarf der Fahrgäste berechnen. Sie sammeln auf ihrem Weg die Leute ein und bringen einen nach dem anderen zum Ziel. Es gibt eine wissenschaftliche Simulation für Manhattan, die die Machbarkeit eines solchen Konzepts bereits nachgewiesen hat – mit erheblich weniger Verkehrsaufkommen und nur minimalen Umwegen für die einzelnen. Das wäre die Aufhebung von Individualverkehr und ÖPNV. Man muss dabei nur eines sehen: Unter Bedingungen von Konkurrenz und unter Aufrechterhaltung der Konzerngrenzen ist das schwer zu verwirklichen, weil es gesellschaftliche Planung und Steuerung voraussetzt und verlangt.

Das ist ja auch ein klarer Trend. Immer mehr ist von autonom fahrenden Autos die Rede.
Birgt diese Entwicklung nicht auch große Gefahren?

Ja, es gibt Dystopien, in denen Maschinen mit künstlicher Intelligenz die Macht über die Menschen übernommen haben, sie ausbeuten und bekriegen. Auf der anderen Seite gibt es die Zukunftsvision vom Schlaraffenland, in dem alles automatisch funktioniert und die Menschen nur noch faul am Strand oder im Bett liegen. Vor beidem würde mir grauen, halte ich aber für Nonsens. Aber was meinen Sie genau?

Vorstellbar ist, dass autonom fahrende Autos beispielsweise so programmiert werden, dass sie nicht mehr in eine bestimmte Gegend fahren. Das heißt: Der Autofahrer wäre nicht mehr frei, dorthin sein Fahrzeug zu steuern, wohin er es steuern möchte. Gerade auch im Hinblick auf den Ausbau der Überwachungsinfrastruktur und die zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Spannungen könnten solche Möglichkeiten schnell von Staaten, die es mit Demokratie und Freiheitsrechten nicht mehr so genau nehmen, missbraucht werden.

Ja, das ist denkbar; die größere Gefahr sehe ich aber woanders, nämlich in der hegemonialen Manipulation. Was meinen Sie ist der Grund, dass Google und Co. unbedingt ins Geschäft mit dem autonomen Auto einsteigen möchten?

Sagen Sie es bitte.

Die Datenkraken wollen an die Daten der Reisenden heran, das ist ein riesiger, ungehobener Schatz für sie: Wer fährt wann mit wem von wo nach wo, was macht er während der Fahrt, wo kauft er ein und so weiter? Diese Daten bedeuten Macht. Für Werbung, aber auch zur gezielten Steuerung von moralischen Vorstellungen, Normen und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, Stichwort Fake news. Und wenn Autohersteller laut darüber nachdenken, dass sie eines Tages dem Käufer ihres vollautomatischen Autos absolute Priorität in einer Unfallsituation einräumen, auch wenn dafür der Tod eines oder mehrerer Fußgänger in Kauf genommen werden müsste – auch dagegen muss man unbedingt sein. Aber lassen sie uns auf die positiven Potenziale zu sprechen kommen. Elektromobilität und Automatisierung bergen eine große Möglichkeit: nämlich, um mit Brechts Galileo zu sprechen, die „Mühsal der menschlichen Existenz zu erleichtern“. Sie können die Menschheit von schmutziger, entwürdigender, kaputtmachender Arbeit befreien und den Alltag erleichtern, damit – und das möchte ich betonen – die Beschäftigten über Inhalt und Art und Weise des Wirtschaftens entscheiden und alle die Gesellschaft humaner gestalten können. Dazu gehört auch ein sicherer und umweltfreundlicher Verkehr für alle. Auf dem Weg dorthin halte ich neben den ökonomischen und sozialen Fragen, die wir bereits erörtert haben, für ganz entscheidend, dass es im Straßenverkehr einen Kulturwandel gibt. Weg von „ich zuerst“ oder „freie Fahrt für freie Bürger“ hin zu Fairness, Verständnis und Entgegenkommen. Damit wären auch Maßstäbe gesetzt, wie die technologische Seite des Verkehrssystems sich entwickeln sollte.


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