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Titel: Netanjahus Schmierentheater – die Falken in Washington und Tel Aviv leiten die nächste Eskalationsstufe ein

Datum: 3. Mai 2018 um 12:56 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege
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Zumindest in Europa kam Benjamin Netanjahus Infomercial-Show über die angeblichen Lügen der Iraner und ihr Atomprogramm nicht sonderlich gut an. Aber das wird den Chef der israelischen Rechts-Rechtsaußen-Regierung nicht sonderlich stören, geht es beim ganzen Schmierentheater doch vor allem darum, Trumps Pläne einer globalen Eskalation anzutreiben. Israelischen Insiderinformationen zufolge war die Präsentation Netanjahus zuvor zusammen mit Trump und dem neuen US-Außenminister Pompeo koordiniert wurden. Im Nahen und Mittleren Osten stehen die Zeichen auf Sturm und dieser Konflikt ist global. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wenn sogar ein überzeugter Transatlantiker wie Norbert Röttgen die vermeintlichen „Enthüllungen“ der Israelis als „Täuschungsmanöver“ bezeichnet, lässt dies schon tief blicken. Einzig und allein Springers WELT mit ihren neokonservativen Hardlinern Clemens Wergin und Alan Posener zeigt sich abermals derart vernagelt, dass man sich fragen muss, ob da die Unternehmensgrundsätze des Springer-Verlags mitsamt ihrer Treueschwüre zu Israel und den USA nicht überstrapaziert werden. Doch diese Kommentare sind in der Tat Ausnahmen. Das Gros der deutschen Leitartikler hat die Äußerungen des israelischen Staatschefs ungewöhnlich kritisch kommentiert und dies gilt unisono für die meisten Politiker – Ausnahmen wie Heiko Maas bestätigen die Regel.

Bibis Zirkusnummer

Die Zurückhaltung und Ablehnung hat natürlich einen guten Grund. Denn die Präsentation, die Netanjahu am Montagabend in englischer Sprache vor internationalen Medien abhielt, war derart lächerlich, dass der Mossad so langsam um seinen „guten“ Ruf fürchten muss. Der Waffenkontroll-Experte Jeffrey Lewis fasst seine Sicht der Dinge in einem Artikel für das Fachblatt „Foreign Policy“ zusammen:

„Netanjahus Zirkusnummer vom Montag, in der er ein ganzes Füllhorn von Dokumenten des iranischen Atomprogramms vor dem Jahr 2003 präsentierte, hatte ein Publikum von exakt einer Person. Es war Teil einer koordinierten Anstrengung mit dem Außenminister Mike Pompeo, US-Präsident Trump davon zu überzeugen, den Atomdeal mit Iran zu begraben. Und ja, wenn Sie überhaupt nichts über das iranische Atomprogramm vor dem Jahr 2003 wissen, war das Alles vielleicht sogar überzeugend. Wenn Sie sich jedoch […] mit dem Thema befasst haben, werden Sie dies alles schon vorher gehört haben. Da gab es nichts Neues“.
Jeffrey Lewis in FP

Genau so umschreibt die internationale Atomenergiebehörde IAEA die Situation und auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zweifelt ganz offen an Netanjahus „Beweisen“ und verweist ihrerseits auf die mittlerweile zehn Berichte der IAEA, die Iran Vertragstreue bescheinigen. Diese Position teilt übrigens auch die israelische Zeitung Haaretz, der britische Guardian und die Washington Post.

Trumps Wahlversprechen werden Wirklichkeit

Um was geht es also? Soll wirklich Donald Trump überzeugt werden, wie Lewis und die meisten anderen Kommentatoren dies andeuten? Daran kann man zumindest Zweifel haben. Warum sollte der Mann, der das Atomabkommen mit Iran stets als „Desaster“ oder gar als „schlechtesten Vertrag, der jemals verhandelt wurde“ und der zu einem „nuklearen Holocaust“ führen wird, bezeichnet hat, davon überzeugt werden, dass er den Vertrag, den er seit dem ersten Tag seines Wahlkampfs kündigen will, nun auch kündigen soll? Mehr noch: Lewis und viele Leitartikler sehen offenbar den neuen US-Außenminister Mike Pompeo als „Mastermind“ hinter dieser koordinierten „Trump-Beeinflussung“. Das ist aber wenig wahrscheinlich. Schließlich hat Trump Pompeos Vorgänger Rex Tillerson doch genau deswegen entlassen, weil Tillerson das Atomabkommen mit Iran – anders als Trump – nicht kündigen wollte. Dass Pompeo ein Hardliner ist, der das Atomabkommen – ebenso wie Trump – ablehnt und auch genau deshalb zum Nachfolger ernannt wurde, zeigt, dass es Trump und seinen Beratern sehr ernst mit der Aufkündigung des Abkommens ist.

Hier rächt sich nun übrigens die stets auf Russland fokussierte komplett einseitige „Trump-Berichterstattung“. Denn dass Trump ein sehr aktives Netzwerk zur politischen Rechten in Israel unterhält, ist ja keineswegs neu – „Bibi“ Netanjahu schläft schon mal gerne auf der Couch von Trumps Schwiegersohn, wenn er mal in den USA weilt.

Die Falken haben sich durchgesetzt

Eine einseitige Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA wäre eine Steilvorlage für die Falken – sowohl in Washington als auch in Tel Aviv und Teheran. Schon heute führt Israel auf syrischem Boden ganz offen Krieg gegen Iran. In den letzten Monaten verging kaum eine Woche, in der die israelische Luftwaffe nicht irgendeine iranische Stellung, ein iranisches Flugfeld oder ein iranisches Depot in Syrien bombardiert hätte und dabei intensiviert Israel seine Aktionen von Tag zu Tag. Am Montagmorgen – wenige Stunden vor Netanjahus „Schmierentheater“ – verabschiedete die Knesset die Abschaffung des Parlamentsvorbehalts. Nun braucht Netanjahu nur noch die Unterschrift seines rechtsradikalen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman, um ohne Zustimmung des Parlaments anderen Staaten den Krieg zu erklären. Letzterer erklärte vor einer Woche übrigens noch, Israel habe genau drei Probleme: „Iran, Iran, Iran“. Die Frage von Krieg und Frieden ist also nun in den Händen zweier rechter Falken, an deren Geisteszustand man ernsthaft zweifeln muss. Doch dies ist beileibe nicht das einzige Problem.

Sekundäre Sanktionen und ein heißer Wirtschaftskrieg

Würde ein einseitiger Rückzug der USA aus dem Atomabkommen nur die USA und Iran treffen, so wären die Folgen überschaubar. Dummerweise würde dies jedoch auch und vor allem die gefürchteten „sekundären Sanktionen“ auslösen. Selbst wenn die anderen Unterzeichnerstaaten, also Iran, Frankreich, Großbritannien, Russland, China, Deutschland und die EU, am Vertrag festhalten, kann – und wird – jedes Unternehmen weltweit von den USA mit Sanktionen bedroht, das mit Iran Geschäfte macht. Und diese Drohungen sind sehr real. Die französische BNP Paribas wurde 2015 wegen Verstößen gegen die US-Sanktionen gegen Kuba, Iran und Sudan von einem US-Gericht zu einer Strafe von 8,9 Milliarden US$ verurteilt. Ähnlich erging es dem chinesischen Telekommunikationsgiganten ZTE, der wegen seiner Geschäfte mit Iran und Nordkorea 892 Millionen US$ zahlen musste. In beiden Fällen handelte es sich wohlgemerkt um unilaterale Sanktionen der USA, an denen weder Frankreich noch China beteiligt waren.

Wenn es also nun um einen einseitigen Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit Iran geht, geht es auch um einen Frontalangriff auf die im Entstehen begriffenen regionalen Initiativen, die vor allem von China ausgehen. So stellt Iran beispielsweise einen Eckstein des Projekts „One Belt, One Road“ dar, mit dem China die innerasiatischen Märkte und Rohstoffquellen eng an sich binden will. China ist schon heute der wichtigste Handelspartner Irans. Nach dort wird das meiste Öl verkauft, von dort kommen neben allerlei Investitionsgütern und Konsumprodukten vor allem Direktinvestitionen. Chinesische Öl- und Gasfirmen erschließen heute die großen Öl- und Gasfelder Irans, chinesische Handels- und Förderbanken finanzieren große Infrastrukturprojekte und es gibt sogar ein Pendant zu den deutschen Hermes-Bürgschaften, die in China von der „Sinosure“ an chinesische Händler ausgestellt werden, die mit Iran Geschäfte tätigen. Würden die USA hier „sekundäre Sanktionen“ verhängen, wäre dies de facto ein heißer Wirtschaftskrieg gegen China.

Das Risiko einer militärischen Eskalation ist groß

Und auch militärisch ist das Risiko eines US-Rückzugs aus dem Atomabkommen groß. Dies betrifft nicht nur die unberechenbaren Falken in Tel Aviv, sondern auch die Saudis, die wohl ebenfalls bereits in die gemeinsame Koordination eingeweiht sind. So kann es natürlich ein Zufall sein, dass Mike Pompeo – also der Mann für Trumps Sanktionen – direkt nach seiner Amtseinführung nach Saudi Arabien und dann nach Israel reiste. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Dass Saudi Arabien gerne neben Israel die neue Hegemonialmacht über den gesamten Nahen und Mittleren Osten werden will, ist kein Geheimnis. Die Schwächung und schlussendlich der militärische Konflikt mit Iran, stehen da klar auf der Agenda.

Ebenfalls nicht vergessen sollte man die Auswirkungen neuer Sanktionen auf die politische Situation in Iran. Der heutige Präsident Hassan Rohani war seinerzeit der Chefunterhändler Irans beim „Atomstreit“. Er gilt als Reformer, der sich gegen die Hardliner im iranischen Establishment nur mit Mühe durchsetzen konnte. Hier geht es weniger um das Atomprogramm selbst oder gar um Hegemonialansprüche oder große geostrategische Fragen, sondern um die lokale Wirtschaft, die unter den Sanktionen massiv gelitten hat. Wenn der Verhandlungsweg, für den Rohani steht, an Trump und Netanjahu scheitert, birgt dies die große Gefahr, dass Iran in die Hände der Hardliner fällt. Wenn dies passiert, hätten wir folgende Gemengelage – Israel und Iran in den Händen der Falken, Saudi Arabien mit Hegemonialansprüchen, der globale Großkonflikt USA-China, Russlands Verteidigung seiner letzten lokalen Einflusssphären, die Kriege in Syrien, Gaza, Irak und Afghanistan und über allem thront ein unberechenbarer US-Präsident mit einem zu allem bereiten politischen Establishment an seiner Seite. So ähnlich dürfte die Vorstufe zu Armageddon aussehen.


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