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Titel: CO2-Steuerpläne der Politik sind eine vorsätzliche Sabotage des Klimaschutzgedankens

Datum: 22. August 2019 um 11:52 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Soziale Gerechtigkeit, Steuern und Abgaben, Umweltpolitik, Verkehrspolitik
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Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Öffentlichkeit zur Zeit derart polarisiert wie eine CO2-Steuer. Einerseits könnte eine solche Steuer als Teil eines innovativen und sozial austarierten Gesamtkonzepts sinnvolle Lenkungsimpulse zu klimafreundlichen Alternativen eröffnen; andererseits könnte eine solche Steuer jedoch auch als sozial ungerechte Erhöhung der Verbrauchssteuern ohne Lenkungsimpulse den Wunsch nach einem besseren Klimaschutz diskreditieren. Die momentanen Pläne der großen Parteien laufen leider genau auf Letzteres hinaus. Da muss man sich schon fragen, ob hier nicht vielmehr der Wunsch nach einem besseren Klimaschutz durch eine vorsätzlich irregeleitete Politik sabotiert werden soll. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dass Deutschland seinen CO2-Ausstoß massiv reduzieren muss, ist weitestgehend unstrittig. Wie das geschehen soll, ist indes eine der strittigsten Fragen der aktuellen gesellschaftlichen Debatte, bei der die Grenzen in der Praxis offenbar zwischen Utopisten und Realisten verlaufen. Wer an die Fähigkeit der Politik glaubt, die Stellräder unseres Wirtschafts- und Steuersystems so zu justieren, dass nachhaltiges umwelt- und klimafreundliches Verhalten belohnt wird und gleichzeitig kein Luxusthema sein darf, das Gering- und Normalverdiener in der Praxis ausschließt, sieht in einer Steuer zur Lenkung des Verbrauchsverhaltens mit dem Ziel der Minimierung des CO2-Ausstoßes natürlich ein sehr sinnvolles Instrument. Wer jedoch den Glauben an die Fähigkeit, die Handlungsfreiheit und die Integrität der „großen Politik“ verloren hat, wird derart visionäre Vorstellungen höchstens müde belächeln und die praktische Umsetzbarkeit einer solchen Neujustierung per se in Frage stellen. Die Gretchenfrage der Klimapolitik ist also, wie man es mit seinem Vertrauen in die Politik hält. Und leider zeigt die Realität tagein, tagaus, dass die Hoffnung auf Visionen und Utopien wohl vergebens ist.

Wie könnte eine sinnvolle CO2-Steuer innerhalb eines ganzheitlichen klimapolitischen, sozial ausgeglichenen Konzepts denn aussehen? Nehmen wir einen Pendler als Beispiel, der eher zur niedrigen Einkommensgruppe gehört und sich keine teure Wohnung in der Nähe seines Arbeitsplatzes leisten kann. Der Umwelt, dem Klima und dem Pendler wäre dadurch geholfen, wenn man ihm eine realistische und preiswerte Alternative zum motorisierten Individualverkehr anbietet. Dafür müsste in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden, um eine bessere Netzabdeckung bei besseren Taktzeiten und niedrigeren Preisen zu ermöglichen. Das kostet Geld. Um dies zu finanzieren und gleich auch noch eine Lenkungswirkung aufzubauen, könnten daher durchaus die Verbrauchssteuern für fossile Brennstoffe angehoben werden. Es geht hier jedoch im Kern um die Lenkung. Und eine Lenkungswirkung ist nur dann gegeben, wenn es eine Alternative gibt. Wenn der Pendler vor der Wahl steht, für seinen Arbeitsweg mit dem eigenen Auto 300 Euro pro Monat einzukalkulieren oder für 40 Euro mit Bus und Bahn zu fahren und diese Alternative auch ganz real besteht, ist dies ein Musterbeispiel für eine positive Lenkung. Die Realität sieht jedoch gänzlich anders aus.

SPD und Grüne setzen beispielsweise bei ihren CO2-Steuerplänen auf eine stupide Erhöhung der Steuern auf Kraftstoffe und Energieträger gemäß deren CO2-Emissionen. Ohne zuvor(!) realistische Alternativen aufzubauen, ist dies jedoch ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Denn wenn keine realistischen Alternativen bestehen, kann es auch keine Lenkungswirkung geben. Wenn unser Pendler an seinem Wohnort keine Bushaltestelle hat oder der Nahverkehr mit seinen Arbeitszeiten im Schichtdienst nicht kompatibel ist, wird auch eine Erhöhung des Steueranteils auf den Kraftstoff ihn nicht zum Umsteigen bewegen können …. auf was soll er denn auch umsteigen? Für den Pendler stellt sich die Situation dann folgendermaßen dar: Anstatt 200 Euro zahlt er nun 300 Euro pro Monat und stößt dabei genau so viel CO2 aus wie zuvor. Vielleicht fehlen die 100 Euro dann sogar noch an anderer Stelle, um auf anderen Bereichen nachhaltigere Alternativen, die ja meist teurer sind, zu wählen. Ökonomisch betrachtet[*] könnte dies übrigens sogar zu höheren CO2-Emissionen führen.

Eine solche Steuerpolitik ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch im höchsten Maße zynisch. Während die Unternehmerin aus Steuermitteln bis zu 8.000 Euro Zuschuss für ein teures – und ökologisch keinesfalls zwingend sinnvolleres – Elektroauto kassiert, wird der Pendler, der sich schlicht kein umwelt- oder klimafreundlicheres Auto leisten kann, zusätzlich abkassiert. So subventioniert der Leiharbeiter den schicken Tesla der Chefin. Und am Ende muss er sich von selbstgerechten Besserverdienenden auch noch anhören, was für ein „Umweltschwein“ er ist und dass er die Zukunft unserer Kinder ruiniert. So etwas führt den Klimaschutz ad absurdum und wird vollkommen zu Recht von der Masse der Menschen auch nicht akzeptiert.

Keinesfalls besser sehen übrigens die alternativen Konzepte der CDU aus. Dort geht man zur Zeit mit der Idee schwanger, ein Zertifikatemodell für einen „Emissionshandel“ zu implementieren. Wie genau das funktionieren soll, weiß die CDU jedoch selbst nicht – nur, dass die Zertifikate auf „oberster Ebene“ ansetzen sollen und es nur rund 120 „Marktteilnehmer“ geben soll. Solche Modelle gibt es ja schon auf internationaler Ebene und dort führten sie nur dazu, dass die Finanzmärkte ein neues Spielzeug fanden, das sich auch vortrefflich zum Steuerbetrug eignet. Die Klimaschutzwirkung blieb – wenn überhaupt – marginal. Es ist nicht anzunehmen, dass ausgerechnet die Industrie-Lobby-Partei CDU nun ein Modell entwickelt, bei dem dies anders sein könnte. Und auch hier ist das Kernproblem die reine Orientierung auf die Preise ohne das vorherige Schaffen von Alternativen. Oder zugespitzt: Beim SPD-/Grünen-Modell zahlt der Pendler 100 Euro Steuern und muss weiter mit seinem alten Auto fahren. Beim CDU-Modell zahlt der Pendler 100 Euro mehr, die von den Ölkonzernen auf den Endkunden umgelegt werden, und muss ebenfalls weiter mit seinem alten Auto fahren. In beiden Fällen führt die Bepreisung der CO2-Emissionen jedoch nicht zu deren Reduktion, sondern nur zu einer Mehrbelastung des Endkunden.

Als besonders problematisch könnte sich zudem herausstellen, dass diese kontraproduktive finanzielle Mehrbelastung den Klimaschutzgedanken vollends desavouiert. Schon heute verbinden viele Menschen die Idee des Klimaschutzes mit einer „Luxusdebatte“, die am Ende nur dazu führt, dass die Umverteilung von unten nach oben nun auch noch unter dem Banner des „Klimaschutzes“ forciert wird. Dies war übrigens auch die Initialzündung der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich und hierzulande hat sich die AfD als Schutzpatron des „deutschen Diesels“ gegen die „Ökostalinisten“ in Position gebracht.

Am 20. September – also erst nach den Landtagswahlen im Osten – wird das „Klimakabinett“ tagen und man geht davon aus, dass die Bundesregierung dann auch ein Konzept für eine CO2-Steuer vorlegen wird. Visionäre und Utopisten werden dabei sicher kein Gehör finden. Es sieht vielmehr so aus, als wolle die Bundesregierung den Klimaschutz im Namen des Klimaschutzes beerdigen. Denn wenn das Gros der Wähler mit Klimaschutz nur noch unsoziale Preissteigerungen ohne Lenkungswirkung und ohne Alternativen verbindet, kann das Thema auch gleich wieder auf das politische Abstellgleis geschoben werden, auf dem es schon die letzten Jahrzehnte ignoriert wurde. Den Wirtschaftslobbyisten dürfte das sehr recht sein. Und hier muss man schlussendlich die Frage stellen, ob die Politik den Klimaschutz nicht vielleicht gar absichtlich durch derartig schlechte Gesetze sabotiert. Irgendwann reichen Dummheit, Fantasielosigkeit und Mutlosigkeit als Erklärungsmuster für das stete Versagen nicht mehr aus. Hier wird der Klimaschutz mit vollem Vorsatz vor die Wand gefahren.

Titelbild: Nicole Lienemann/shutterstock.com


[«*] Ökonomen kennen solche Situationen als „Giffen-Paradoxon“. Wenn die Preise für nötige Güter steigen, kann es durchaus sein, dass vor allem bei einkommensschwachen Haushalten die Nachfrage nach diesen Güter nicht etwa sinkt, sondern steigt. Das liegt daran, dass man durch die Preissteigerung erst recht kein Geld mehr für teurere Alternativen hat und dadurch gezwungen ist, noch mehr vom ursprünglichen Gut zu konsumieren. Wenn am Ende des Monats nicht mehr genug Geld für einen Familienausflug mit der Bahn auf dem Konto ist, nimmt man halt das Auto. Ob Kraftstoffe wirklich ein „Giffen-Gut“ sind, dürfte jedoch umstritten sein, da der Preis im weitesten Sinne vor allem durch Monopole gesteuert wird und es keine nennenswerte „Preiselastizität der Nachfrage“ gibt.


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