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Titel: Thüringen und Iowa – Hauptsache nicht „links“!

Datum: 6. Februar 2020 um 12:29 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Rechte Gefahr, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
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In Thüringen schließen sich CDU und FDP mit Björn Höckes rechtsextremer AfD zu einer informellen Koalition zusammen, um den für die Linkspartei kandidierenden gemäßigten Sozialdemokraten Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten aus dem Amt zu fegen. Die NachDenkSeiten kommentierten dies bereits gestern. Ein vergleichbarer Vorgang, der jedoch ungleich höhere Folgen haben könnte, spielte sich derweil gestern auf der anderen Seite des Atlantiks im ländlichen US-Bundesstaat Iowa ab. Dort sorgte ein „seltsame“ Verkettung von angeblichen Fehlern dafür, dass nicht der linke Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders, sondern der dem Establishment nahestehende junge Außenseiter Pete Buttigieg faktenwidrig von den Medien als Sieger der ersten Vorwahlen der demokratischen Partei gefeiert und nun als großer Sanders-Gegner aufgebaut wird. Auch hier heißt die Botschaft: Hauptsache nicht links! Und am Ende wird wahrscheinlich Donald Trump seine zweite Amtszeit antreten können. Um „links“ zu verhindern, scheint dem Establishment alles recht zu sein. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Screenshot: CNN

Screenshot: Real Clear Politics

Es ist schon erstaunlich. Sowohl in den deutschen als auch in den US-Medien wird Pete Buttigieg als Gewinner der Vorwahlen in Iowa gefeiert. Dabei hat Bernie Sanders laut den bislang „offiziell“ gemeldeten Zahlen, die 96% der Caucus-Ergebnisse umfassen, 44.753 Stimmen (26,5%) und Pete Buttigieg lediglich 42.235 Stimmen (25,0%) geholt. Beide konnten 11 Delegiertenstimmen holen. CNN, New York Times und Co. orientieren sich jedoch nicht an den abgegebenen Stimmen, sondern an der rein synthetischen Rechengröße der „Staats-Delegierten-Äquivalenten“ (SDE). So wird aus dem Kandidaten mit den zweitmeisten Stimmen der strahlende Sieger. Wie die SDEs genau berechnet werden, versucht NPR zu erklären.

Inwieweit diese Zahlen überhaupt korrekt sind, ist eine Frage, die sich wohl nicht beantworten lässt. Inoffizielle Zwischenergebnisse, die von der Sanders-Kampagne zwischenzeitlich veröffentlicht wurden, weisen nicht nur einen größeren Vorsprung (Sanders 28,0%, Buttigieg 20,8%) aus, sondern sehen Sanders auch bei der synthetischen Größe der SDEs klar vorne. Aber diese Zahlen beziehen sich auf nur 40% der Bezirke und sind daher kein Beweis, dass die „offiziellen“ Zahlen falsch sein könnten. Skepsis ist jedoch angebracht, denn an eine Verkettung dummer Zufälle mag man bei den seltsamen Vorkommnissen rund um die Vorwahl in Iowa eigentlich nicht glauben.

Kaum kamen die ersten Ergebnisse der Vorwahlen, nach denen Sanders klar vorne und sein vermeintlicher Hauptkonkurrent Joe Biden katastrophal abgeschnitten hatte, an die Öffentlichkeit, meldeten die Verantwortlichen der Demokraten in Iowa, es gäbe technische und organisatorische Probleme, die die Auszählung der Ergebnisse ein wenig verzögern. Aus dem „ein wenig“ wurde dann ein ganzer Tag. Panne? Zufall? Das mag sein. Seltsam jedoch, dass die Software, die erstmals für die Auszählung der Ergebnisse genutzt wurde, von einer jungen Firma stammt, die von leitenden Mitarbeitern der 2016er-Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton geführt wird. Bereits in diesem Wahlkampf wurde vor vier Jahren sowohl vom Clinton-Team als auch vom Verwaltungskopf der Demokratischen Partei alles nur Denkbare unternommen, um die Sanders-Kampagne zu sabotieren und den linken Kandidaten zu desavouieren. Diese Machenschaften kamen nur an die Öffentlichkeit, weil interne Mails und Dokumente im Rahmen des DNC-Leaks veröffentlicht wurden. Dieser Leak machte Geschichte – doch paradoxerweise nicht wegen der Inhalte, die auf verheerende Art belegen, wie das Establishment den linken Kandidaten Sanders mit allen legalen und illegalen Mitteln verhindert hat, sondern wegen der vermeintlich russischen Herkunft der Hacker, die das Leak veröffentlichten.

Diese Sabotage führte 2016 dazu, dass Hillary Clinton die Vorwahlen gewinnen konnte und als Kandidatin des Establishments gegen den sich selbst als Anti-Establishment-Kandidaten gerierenden Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen antrat und verlor. Um den linken Kandidaten Bernie Sanders, der nach allen Umfragen Donald Trump geschlagen hätte, zu verhindern, entschied sich das Establishment der Demokraten, lieber dem wankelmütigen rechten Donald Trump als Präsidenten ins Amt zu verhelfen. Hauptsache nicht links. Im aktuellen Wahlkampf scheint es ähnlich zu laufen.

Während Bidens krachende Niederlage in Iowa auch durch noch so ambitionierte Datenkosmetik nicht wegdiskutiert werden konnte, tauchte nun wie durch „Zauberhand“ ein weiterer Kandidat des Parteiestablishments am Himmel auf: Pete Buttigieg. Der hat die Vorwahlen zwar nicht gewonnen, wurde aber von nahezu allen Medien als „Überraschungssieger“ gefeiert. Ergebnisse lagen ja nicht vor, da die Software nicht funktionierte; die Software, die aus dem näheren Clinton-Umfeld stammt und deren Hersteller pikanterweise von niemand anderem als der Buttigieg-Kampagne mit mehr als 42.000 US-Dollar mitfinanziert wurde. Zufälle gibt es. Und die naheliegende Alternative, die Ergebnisse einfach per Telefon zu sammeln, schied offenbar auch aus – die Verantwortlichen der Demokratischen Partei weigerten sich offenbar, Ergebnisse entgegenzunehmen oder legten den Hörer direkt wieder auf. Zufall? Daran kann man glauben, man muss es jedoch nicht.

Wie dem auch sei: Durch die „pannenbedingte“ Verspätung der Ergebnisse stand nun nicht Bernie Sanders, sondern der angebliche „Überraschungsgewinner“ Pete Buttigieg im Medienfokus – ein junger, „moderater“ Politiker, der voll und ganz den Mitte-Rechts-Kurs des Clinton-Lagers unterstützt. So überraschend war sein Achtungserfolg aber nicht wirklich. Buttigieg wurde schon früh als Alternative zum schwächelnden Establishment-Kandidaten Biden aufgebaut und seine Kampagne verfolgte die Taktik, „all in“ zu gehen und die gesamten Mittel für die ersten beiden Vorwahlen in Iowa und New Hampshire zu verwenden. Auch diese Taktik ist nicht neu: Rick Santorum ging 2012 bei den Republikanern ähnlich vor und konnte das Momentum als großer Sieger der ersten Vorwahl sogar nutzen, um dem späteren Sieger der Vorwahlen, Mitt Romney, einige Kopfschmerzen zu bereiten. Wenn das Parteiestablishment nun den chancenlosen Joe Biden fallen lässt und die nicht eben unbeträchtlichen Mittel der Großspender auf den „Überraschungsgewinner“ Pete Buttigieg umlenkt, könnte er durchaus Chancen haben, Sanders herauszufordern und mit Hilfe weiterer schmutziger Tricks der Parteiführung und des Clinton-Lagers sogar die Vorwahlen gewinnen … nur um dann als weiterer Establishment-Kandidat bei den echten Wahlen gegen Donald Trump zu verlieren.

Den Demokraten oder besser deren Parteiführung ist eine zweite Amtszeit Trumps offenbar lieber, als dass es einen linken demokratischen Präsidenten namens Bernie Sanders geben könnte. Hauptsache nicht „links“!

Titelbild: John Gress Media Inc/shutterstock.com


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