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Titel: Wodarg von „Transparency“ kaltgestellt – Die Begründung ist infam

Datum: 30. März 2020 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Soziale Bewegungen, Strategien der Meinungsmache
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Die Organisation „Transparency International“ lässt die Funktionen ihres Vorstandsmitglieds Wolfgang Wodarg nun „ruhen“ – wegen Wodargs Rolle in der Corona-Debatte. Dieser Schritt ist abzulehnen, auch wenn man Wodarg kritisch sieht. Die Begründung für die Sanktion ist hanebüchen. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Organisation „Transparency International Deutschland“ lässt Mitgliedschaft und Funktionen von Wolfgang Wodarg „ruhen“, wie der Vorstand mitteilt. Das ist eine Reaktion auf Äußerungen des Mediziners und Ex-Bundestagsabgeordneten (SPD), die sich kritisch mit dem Management der Corona-Krise befassen. Wodarg ist langjähriges Mitglied und Teil des Vorstands von „Transparency“. Der Schritt der Organisation, Wodargs Meinungsäußerungen mit persönlichen Sanktionen zu begegnen, ist abzulehnen. Zusätzlich ist die Begründung für die Kaltstellung Wodargs infam und sie offenbart große Mängel an Medienkompetenz bei „Transparency“. Weil diese Medien-Inkompetenz gesellschaftlich noch weit verbreitet ist, geht die Bedeutung über den Fall Wodarg hinaus.

Das Schreiben der „Antikorruptions-Initiative“ ist unter diesem Link zu finden. Wolfgang Wodargs vielbeachteten Artikel „Panikmacher isolieren“ findet man auf seiner Webseite unter diesem Link, ein aktuelles Interview von Radio München mit Wodarg findet sich unter diesem Link. Die NachDenkSeiten haben sich unter anderem in diesem Artikel oder in diesem Artikel mit Wodarg beschäftigt. Der nicht über alle Zweifel erhabene Charakter von „Transparency“ wurde auf den NachDenkSeiten kürzlich etwa in diesem Artikel thematisiert.

Wodargs „Vermutungen und Diffamierungen“

Die Inhalte von Wodargs Thesen sollen hier nicht besprochen oder bewertet werden. Ich persönlich stehe ihnen eher skeptisch gegenüber, ebenso der scheinbaren Sicherheit ihres Vortrags. Für die folgenden Fragen tut meine persönliche Meinung aber, wie jene des Vorstands von „Transparency“, nichts zur Sache: Hat Wodarg (trotz eines ausgerufenen Notstandes) das Recht, seine Inhalte weiterhin und in den Medien seiner Wahl zu verbreiten? Darf er dafür persönlich sanktioniert werden? Die erste Frage muss bejaht, die zweite verneint werden, Begründungen folgen weiter unten.

Der Vorstand „Transparency“ schreibt in der Mitteilung, der Schritt gegenüber einem langjährigen Mitglied und Vorstandskollegen sei schwergefallen. Der Grund sei nicht, dass Wodarg „in den letzten Wochen als einer der schärfsten Kritiker all derjenigen öffentlich in Erscheinung getreten“ sei, „die als Virologen, Epidemiologen oder staatliche Entscheidungsträger für die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Viruskrankheit verantwortlich“ seien. Diese Position sei schließlich sein „gutes Recht“. Auch wenn es im Schreiben heißt, Wodargs Argumentation beruhe „auf bloßen Vermutungen und Diffamierungen“, so sei sie doch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Die (nur scheinbare) Medien-Inkompetenz von „Tranparency“

Dann folgt die eigentliche Begründung – ein Absatz, der ein fragwürdiges Verständnis vom eben noch eingeräumten „guten Recht“ auf Meinungsfreiheit offenbart. Zudem tritt eine große (und mutmaßlich nur scheinbare) Naivität bei der Beurteilung der deutschen Medienlandschaft zutage:

„Problematisch und für uns als Organisation letztlich untragbar ist es, wenn diese kritischenThesen, die u.a. eine aus der Pharmaindustrie und ihren Profitinteressen gesteuerte Kampagne unterstellen, in radikalen Medien wie KenFM, Rubikon, Geolitica oder in einem Interview mit Eva Herman verbreitet werden. Diese Medien, die regelmäßig mit Verschwörungstheorien, mit antidemokratischen sowie teils antisemitischen Vorurteilen arbeiten und einige davon personell der AfD nahestehen, sind so weit von den demokratischen Überzeugungen und Prinzipien unseres Vereins entfernt, dass sich jede Zusammenarbeit mit ihnen verbietet. Nicht zuletzt deshalb wurde Wolfgang Wodarg selbst von vielen seriösen Blättern wie dem Tagesspiegel, der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung den Verschwörungstheoretikern zugerechnet.“

Dieser eine Absatz enthält gleich mehrere Verzerrungen, die informierten Medienkritikern immer wieder begegnen: Zum einen werden sehr unterschiedliche Publikationen unter dem pauschalen, nicht belegten, dafür aber umso verletzenderen Vorwurf des Antisemitismus zusammengefasst. Zum anderen wird das Urteil der „vielen seriösen Blätter“ wie FAZ und SZ über Wodarg als „Verschwörungstheoretiker“ nicht nur nicht zurückgewiesen – es wird von „Tranparency“ als bindend und quasi „amtlich“ akzeptiert: Wodarg ist demnach ein abgeschlossener Fall – schließlich haben die großen Medien doch ihr Urteil verkündet. Hier stützt „Transparency“ auch die viel zu eindeutige Trennung zwischen bösem Internet und unbefleckten Mainstreammedien.

„Kontaktschuld“: Der Bote ist wichtiger als die Botschaft

Und was soll die Betonung auf die „radikalen Medien“ statt auf die Inhalte? Geht es auch in dieser Debatte nun nicht mehr vor allem darum, was gesagt wird, sondern, von wem es gesagt wird? Das gesprochene Wort gilt oft nicht mehr – schwerer als die Inhalte, mit denen man sich mühsam auseinandersetzen müsste, wiegt die „Kontaktschuld“ mit „belasteten“ Gesprächspartnern. Hat man diese unhaltbaren Kriterien wie „Transparency“ erst einmal eingeführt, dann muss man auch nicht mehr inhaltlich widerlegen, was KenFM über Wodarg zu sagen hat – einfacher ist es, das ganze Medium als „radikal“ oder „antidemokratisch“ abzutun.

Es ist auch ein Widerspruch, wenn einerseits Wodarg inzwischen viele der großen Kommunikationskanäle verweigert werden – und man sich andererseits über die (dadurch beschränkte) Auswahl seiner Gesprächspartner und deren politischen Charakter beschwert. Wodarg hätte möglicherweise auch lieber, wie einige seiner Kollegen, über die Bundespressekonferenz zu den großen Medien des Landes gesprochen und die durch einen dortigen Auftritt suggerierte „Seriosität“ genossen.

Dieser Text ist, wie gesagt, keine Verteidigung von Wodargs Inhalten, die man durchaus kritisch sehen kann. Wohl aber könnten seine Standpunkte eine fruchtbare Auseinandersetzung anstoßen, die „Gegenseite“ könnte auf ihn ohne Wut und Spott reagieren und die eigenen Argumente an seinen Einwänden messen und schärfen. Daraus könnten die Bürger einen Gewinn ziehen. Was sind das überhaupt für “wissenschaftliche Konsense“, die nicht mal eine einzige kritische Stimme aushalten? Und eine Organisation mit dem Namen „Tranparency“ fürchtet eine abweichende Aussage? Anstatt einem bedrängten Mitstreiter den Rücken zu stärken (ohne sich inhaltlich gemein zu machen), zieht sie ihm den Boden weg, auf einem Gebiet, das thematisch nichts mit der Corona-Debatte zu tun hat?

Meinungen sollten nur von Gerichten sanktioniert werden

Man sollte sich dagegen wenden, dass Wodarg für die Äußerungen seiner Meinung mit persönlichen Konsequenzen bestraft wird. Dieser Standpunkt geht auch über den Fall Wodarg hinaus: Niemand sollte für das Äußern seiner Meinung persönliche Nachteile erfahren, außer solche, die von einem Gericht als Reaktion auf justiziable Äußerungen (Beleidigung, Volksverhetzung etc) festgelegt werden. Allem anderen muss man die Kraft der Argumente entgegensetzen und keine Sanktionen gegen die Person.

Transparenz bedeutet ja auch nicht „Eindeutigkeit“ oder gar „Einigkeit“ bei strittigen Fragen. Oft entsteht Transparenz – im Gegenteil – gerade durch den Wettstreit der Argumente. „Transparency“ hat durch sein Vorgehen gegen Wodarg den freien Meinungsaustausch gebremst – dadurch hat die Organisation Transparenz verhindert. Der aus der infamen Begründung sprechende Mangel an Medienkompetenz ist, wie gesagt, bedenklich und nur zum Teil mit Naivität zu erklären.

KenFM „antisemitisch“ – Süddeutsche Zeitung „seriös“?

Wenn in der Erklärung KenFM als „antisemitisch“, die „Süddeutsche Zeitung“ aber als Maß der Seriosität bezeichnet werden, wirft das Fragen auf: Stützt sich „Transparency“ in seiner sonstigen Arbeit auch mit solchem Vertrauen auf die „Einordnungen“ der großen deutschen Medien? Ist „Transparency“ die mutmaßliche Mitverantwortung vieler großer Medien an der Vertuschung von institutioneller Korruption oder der medialen Absicherung von Kriegen bewusst? Ist etwa Stefan Kornelius von der „Süddeutschen Zeitung“ in den Augen von „Transparency“ ein ehrbarerer Journalist als Ken Jebsen? Sollte man den großen deutschen Medien gestatten, zu klassifizieren, wer ein zu ächtender „Verschwörungstheoretiker“ ist, und wer politisch und publizistisch hofiert werden sollte?

Unterwerfung und Selbstzensur

Auch die im Schreiben verlangte Unterwerfung und Selbstzensur von Wodarg kann nur als anmaßend bezeichnet werden:

„Der Vorstand hat Wolfgang Wodarg in der letzten Woche aufgefordert, bis zum 24. März 2020 seine Veröffentlichungen in diesen Medien zurückzuziehen und die Löschung der Beiträge auf den Webseiten zu verlangen. Außerdem wurde er aufgefordert, in Zukunft auf Beiträge in derartigen Medien zu verzichten und bei allen seinen sonstigen Meinungsäußerungen dafür zu sorgen, dass in keiner Weise Bezug auf seine Mitgliedschaft bei Transparency Deutschland genommen wird, auch nicht im Abspann durch die Medien selbst.“

Heute ist es das Virus, das uns „zwingt“, Abweichler auf Linie zu bringen – schließlich geht es ja ums große Ganze (Volksgesundheit). Morgen können es Reaktionen auf einen anderen äußeren Feind sein, die solche Dynamiken rechtfertigen oder gar „vorschreiben“ werden.

Titelbild: Casimiro PT / Shutterstock


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