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Titel: China-USA: Nicht die Systeme, sondern die Menschen (Politiker) sind das Problem.

Datum: 10. August 2020 um 9:37 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Länderberichte, Ungleichheit, Armut, Reichtum, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Die Eskalation der politischen Spannungen zwischen den USA und China wurde weltweit trotz der Corona-Krise wahrgenommen. Die vereinfachte Analyse, dass die USA den Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht überschritten haben und China langsam, aber sicher an ihre Stelle tritt – und damit zum ersten ernsthaften Konkurrenten bzw. Herausforderer seit einem Jahrhundert wird – ist im Grundsatz richtig, jedoch eine wenig hilfreiche Vereinfachung. Von Horst Rudolf.

Denn angesichts der Tatsache, dass die meisten Länder dieser Welt von beiden atomar mehr als ausreichend bewaffneten Superstaaten mehr oder weniger stark – politisch wie wirtschaftlich – abhängen, brauchen wir, bzw. unsere Politiker, weitaus mehr Kenntnisse sowie das Verständnis von Geschichte und Hintergründen, um zumindest Fehler zu vermeiden oder sogar einen konstruktiven Beitrag zur Entspannung der Lage zu leisten. Im Prinzip stehen alle Informationen und viele kluge Analysen zur Verfügung – doch fehlt es am Willen, diese auch zu nutzen bzw. umzusetzen.

Vorab in Beispiel zur Einführung und zum Nachdenken

Die Spannungen USA-China haben – man kann kaum Schritt halten – erst in dieser Woche einen neuen Höhepunkt erreicht, als der US-Außenminister Michael Pompeo, der sich derzeit als Hardliner profiliert, erklärte, alles „Chinesische“ solle in den USA aus den Bereichen IT-Software (Apps), Hardware (Huawei etc.), Cloud- und Community-Diensten (TikToc etc.) ab sofort reduziert und dann abgeschafft werden. Sicher wird man ein ähnliches Vorgehen in den nächsten Tagen auch den Euro-Partnern und anderen „empfehlen“.

Den aktuellen „Fall Hongkong“ kann man – wenn man nur will – auch in Europa eher nachvollziehen als die Gesamtproblematik der Spannungen China-USA.

Westliche/europäische Politiker und fast alle Medien verurteilen die verstärkte Kontrolle Hongkongs durch Peking schlicht als „Angriff auf die demokratischen Strukturen dieses Landes, auf die dortigen Freiheitsrechte“ etc.

Doch wer fragt noch, ob Hongkong jemals eine Demokratie war – ebenso wie das bei Geschäftsleuten und Urlaubern beliebte Singapur – das schlicht eine diktatorische (aber erfolgreiche) Regierung bzw. jüngere Geschichte hat.

Wir verurteilen Sklavenhandel, Rassismus und angeblich auch Kolonialismus – aber Hongkong war bisher eine britische „Kron-Kolonie“. „Erworben“ hatten die Briten diese Region unter übelsten Umständen, dem gezielten Einsatz von Heroin und riesigen Opfern unter den Chinesen. Es baute später – nach dem Zweiten Weltkrieg – das heutige moderne Hongkong auf, während die Chinesen sich erst einmal vom Maoismus befreien mussten.

Richtig ist: In Hongkong gab/gibt es weitgehende Freiheitsrechte, vor allem wirtschaftliche. Doch die Mafia-Organisation der Triaden hat immer noch fünfstellige Mitgliederzahlen (und spielt bei den Demonstrationen mit) und kein Ort der Welt war/ist wohl so erfolgreich bei der Geldwäsche wie das Duo Macao-Hongkong.

Dabei findet die „Vor- und Hauptwäsche“ in Macao statt (weiterhin organisiert durch professionelle mafiöse Organisationen), die „Klarspülung und Trocknung“ in Hongkong – womit das in Hongkong angekommene Geld schon fast sauber ist, in jede beliebige Währung der Welt mit Hilfe internationaler Banken konvertiert werden kann und der Ruf des Stadtstaates ebenso sauber bleibt – oder sogar als „demokratisch“ bezeichnet wird.

Der ehem. britische Chef der Geheimpolizei im Stadtstaat (auch das war typisch für die Hongkong-Demokratie!), der seit vielen Jahren auch mit einem US-Geheimdienstler zusammenarbeitet (inzwischen als privates Sicherheitsunternehmen) schätzte die jährliche Geldwäsche auf weit über 100 Mrd. US-Dollar. Doch während man sich über Panama-Papers und Steueroasen in Europa und anderswo aufregt, ist all dies in Hongkong Teil der „Demokratie“, die es zu erhalten gilt?

Schlimmer noch: Wem ging es in Hongkong, wo man über viele Jahrzehnte keinerlei ernsthafte demokratische Opposition sah, denn gut? Den reichen In- und Ausländern, Banken, Reedereien, Geschäftsleuten, Geldwäschern, etc.

Hingegen hatten Millionen von „Gastarbeitern“, die aus Festland-China oder anderen Ländern einströmten, niemals demokratische Rechte oder gar vollständige allgemeine „Menschenrechte“ auch nur zu erhoffen.

Denn eine große Zahl von ihnen lebt/vegetiert neben den vielen Reichen und Ultrareichen in erbärmlichen Unterkünften. Häufig sind es 2 (zwei!) Quadratmeter, die jeden Vergleich mit den Tönnies-Arbeitern bestehen. Basisgesundheit und andere soziale Dienste stehen ihnen zwar zur Verfügung – doch höchstens in Größenordnungen, die dem „kommunistischen“ China entsprechen. Diese Gruppen haben nie für Demokratie, sondern höchstens für ihre minimalen Rechte demonstriert – wenn überhaupt.

Von wegen Demokratie und Rechtsstaat! Ja, auf der unteren Ebene, vom Straßenverkehr bis zum Baurecht, aber auch bei akademischen Freiheiten und den Medien funktioniert es in Hongkong bisher vergleichsweise gut. Doch niemand kannte bzw. wollte unter der britischen „Demokratie“ ein mit uns vergleichbares Arbeits- oder Aufenthaltsrecht.

Umgekehrt: Wer in Hongkong die Mittel hat, hat das Sagen. Und die „dumme“ chinesische Führung hat es niemals geschafft (siehe Analysen weiter unten), der Welt klarzumachen, dass ihr teilweise erfolgreicher Kampf gegen Korruption solange löcherig war, wie sich immer wieder eine große Zahl von Festland-Chinesen mit ihren erschlichenen oder erpressten Millionen ins „freie“ Hongkong absetzte – und von dort u.a. in die USA, geschützt vom britischen „Protektorat“ – wie das Wort selbst erklärt.

Kein Wunder nun, dass die Führung in Peking kocht, wenn Boris Johnson bis zu drei Millionen Hongkong-Chinesen öffentlich einen Umzug ins Königreich anbietet – nicht zuletzt werden das wieder mehrheitlich die Gruppen sein, die schon bisher Angst hatten, ihre Konten in Hongkong irgendwann nicht mehr vor der chinesischen Steuerfahndung verbergen zu können.

Der vormals reichste Mann Chinas, Li Ka-ching, dessen Sohn Victor Li der Präsident der Handelskammer Hongkongs ist, unterstützt die Demokratiebewegung – seine Geschäftsinteressen stehen gegen Peking. Was kein deutscher Journalist oder Abgeordneter wissen will: Der große Dienstleister „ISTA“ gehört Li Ka-ching und dessen Messgeräte funken rund um die Uhr aus Millionen deutscher Haushalte – aber das ist eben ein demokratischer Hongkong-Chinese und kein „böser Huawei-Kommunist“. Zur Beruhigung: Lange Zeit taten sich die Huawei-Programmierer mit ihren eigenen Sicherheitsprogrammen schwer und waren lange den Angriffen der NSA ausgesetzt. Zum Glück vertreten diese aber den demokratischen Westen.

Unser Medien-Schwerpunkt über Hongkong liegt hingegen vorwiegend bei dem Häuflein von überzeugten Demokraten, die schon früher gegen die halb-demokratische Regierung aufgestanden waren. Dass sich diesen eine Mehrzahl von Pseudo-Demokraten hinzugesellt hat, die allen Grund haben, einige Saubermänner aus Peking zu fürchten, ist kein Thema.

Und was außerdem nicht in der Presse steht: Wahrscheinlich hätten die Briten Hongkong noch viel länger als ihre Kronkolonie behalten wollen, hätten die Chinesen nicht ein „unschlagbares“ Druckmittel zur Hand: Ohne die Wasserversorgung aus dem benachbarten chinesischen Festland könnte Hongkong nicht überleben. Denn die eigene Produktion ist zu gering und eine Meerwasser-Entsalzung für Millionen Einwohner nicht realisierbar.

Was wollen wir damit sagen? Schon den vergleichsweise transparenten „Fall Hongkong“ muss man weitaus differenzierter beurteilen, statt wie die USA oder Europa (AM Maas) ihre angebliche moralische „Erhabenheit“ und Entrüstung über Chinas Hongkong-Politik durch scharfe Kritik und Sanktionen gegen Peking zu praktizieren.

Womit wir zurück zu den grundlegenden Fragen der Systeme kommen. Denn noch weitaus mehr, als was an mangelnden Detail-, Hintergrund- und historischen Kenntnissen über Hongkong fehlt, wird im Falle des bevölkerungsreichsten Staates der Welt verfälscht und ignoriert.

Vom Beispiel Hongkong zu den Hintergründen China-USA

Ohne um den heißen Brei zu reden: Obwohl China seit der Regierung Deng Xiaoping in das vorher sowjetisch-planwirtschaftliche System viele neue Freiheitsgrade einführte, blieben die grundlegenden politischen Strukturen immer noch weitgehend leninistisch, gelenkt von einer zentralen Parteistruktur, die sich derzeit einer durchaus fachlich/technokratisch qualifizierten Regierung unter Xi Jinping bedient.

Xi wiederum – wie die meisten seiner Mitstreiter – ist von der Sinnhaftigkeit dieser Grundstruktur bzw. Ideologie weitgehend überzeugt und die Mehrheit des Parteiapparates steht ebenso hinter ihm, wie er hinter dem Apparat der Partei steht. Die Berichte über interne Auseinandersetzungen treffen ebenso zu, wie man sich die Einzelheiten sparen kann. Doch ebensolche „Zustände“ kennzeichnen in unseren modellhaften Demokratien doch gerade deren Lebendigkeit – und das ist in China nicht anders, nur dass man dort sein Gesicht wahrt und den Bürgern nicht rund um die Uhr die Nachtruhe nimmt – wissen tun es alle, auch in Diktaturen.

Mehr noch als US-Politiker, die überzeugt sind oder auch sich einreden, einer freiheitlichen Demokratie zu dienen, gehen chinesische Politiker davon aus, dass ihr System einer straffen Führung mit modernen Elementen und einer florierenden Wirtschaft für das bevölkerungsreichste Land der Erde optimal ist. Schließlich ist China die erfolgreichste Entwicklungsdiktatur der Welt und hat im letzten Jahrzehnt ca. ein Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums generiert – sowie mehr als eine halbe Milliarde Menschen aus Armut befreit.

Für chinesische Politiker, aber auch für eine große Zahl der Chinesen, haben wirtschaftliche Menschenrechte schlicht Vorrang vor den – von uns als höherwertig eingestuften – allgemeinen Menschenrechten.

Und während im „reichsten Land der Erde“ immer weniger Menschen an ihre „unbegrenzten Möglichkeiten“ glauben, ging es vielen Chinesen in den vergangenen zwei Jahrzehnten tatsächlich immer besser – zwar nicht allen, jedoch nicht nur den reichen Eliten (wie in den USA), sondern auch einer riesigen, der Armut entwachsenen Unter- und neuerdings wohlhabenden Mittelschicht.

Das gab es in den USA auch – jedoch ist dieser Zyklus nun entweder vorüber oder seit langem unterbrochen, während China tatsächlich noch „Luft nach oben hat“. Vor allem hat es seine eigenen (strukturellen) Probleme durchaus erkannt und geht sie – teilweise erfolgreich – energisch an. Dazu gehört der Umweltschutz, die Digitalisierung der Wirtschaft, große Anstrengungen im Erziehungswesen und natürlich der schwierige Umstieg von „alten“ Industriezweigen wie Kohle und Stahl auf Hightech, etc.

Die mediale westliche Propaganda, China sei trotz allem ein Kontrollstaat und damit grundsätzlich negativ zu sehen – oder nun gar zu bekämpfen – wird nicht einmal von amerikanischen wissenschaftlichen Untersuchungen gedeckt.

Erst kürzlich wurde eine Langzeit-Studie vom Ash-Center der renommierten Harvard-School veröffentlicht (vielleicht auch als kleiner Seitenhieb gegen das aktuelle Washington), die klar darlegt, dass die Chinesen zwischen 2003 und 2016 immer zufriedener mit ihrer Regierung waren als jemals zuvor. Mehr als 30.000 Chinesen in Stadt- und Landregionen wurden dazu befragt.

Unter anderem glaubte kaum ein Drittel der Chinesen vor zwanzig Jahren, dass der Kampf gegen Korruption erfolgreich sein könnte. Unter Xi Jinping stieg die Zustimmungsrate auf über 70% an. Seitdem haben sich die meisten Umfragewerte zwar etwas abgeschwächt, doch verbleiben sie auf relativ hohem Niveau.

Und im Gegensatz zu westlichen Demokratien, wo häufiger lokale Politiker mehr Lob bekommen als die Führung in der Hauptstadt, ist es in China umgekehrt: Dort lobt man eher die straffen zentralen Vorgaben und kritisiert häufiger die lokalen Vertreter.

Der Ausdruck „hierarchical satisfaction“ – zu übersetzen mit höherer Zufriedenheit mit der höheren Ebene – ist für westliche Denkweisen eher unverständlich, jedoch sehr chinesisch, wie auch ein namhafter Professor an der Lee-Kwan-Yew-Universität in Singapur unterstreicht.

Dass ein Teil der Zustimmung auch durch wirksame Propaganda unterstützt wird, stellt niemand infrage, ebenso die Tatsache, dass Bürger höherer Bildungsschichten weitaus weniger propaganda-abhängig sind als ungebildete – aber dies gilt weltweit, allen voran in den USA.

Wo stehen wir nun im Konflikt China-USA?

Es könnte so aussehen, als hätten die Chinesen mit ihrer „Expansion“ im Südchinesischen Meer (SCS -South China Sea) und der Militarisierung dieser Region das Problem los- und wären den Amerikanern auf den geostrategischen Schlips getreten. Chinas wirtschaftliche Erfolge – die sie tatsächlich auch unter Einsatz ähnlich unfairer Mittel wie vormals die Japaner errungen haben (was bei uns wohl vergessen wurde), wurden für die USA erst zum Problem, als deren eigene Wirtschaft sich immer weniger dem weltweiten Wettbewerb gewachsen zeigte.

Hinzu kam, dass die weltweite Finanzkrise 2008 die westlichen Staaten weitaus härter traf als Asien bzw. China. Denn die Asiaten hatten aus der – vom „Demokratie-Propagandisten“ George Soros 1998 brutal losgetretenen – Asien-Währungskrise zumindest gelernt, dass Finanzmärkte gefährlich sind und Hochgeschwindigkeits-Zocken böse enden kann.

Die Obama-Regierung versuchte noch ab etwa 2010 das Geschäft bzw. den Handel mit den asiatischen Staaten über China hinaus zu beleben – doch blieb dies relativ kraftlos, da die Initiative ebenso unsystematisch wie wenig nachhaltig angelegt war.

Zum Verständnis für den weiteren Verlauf – bis hin zur jüngsten „Kriegserklärung“ durch den US-Außenminister Mike Pompeo – braucht man weder akademische Vorbildung noch allzu tiefe Kenntnisse der US-Mentalität. Donald Trumps ursprüngliche Idee, die Weltpolitik geschäftlich und auf einfachste Weise zu regeln – seine eigentliche Stärke – scheiterte nicht nur an den Chinesen, sondern an der tief eingefahrenen US-Mentalität und -Politik.

Diese bewegt sich seit langem in ideologischen und religiös-pseudo-moralischen Kategorien. Vereinfacht: Nicht am deutschen, sondern am US-amerikanischen Wesen soll die Welt genesen. In der weltweiten (Schaden-)Freude über den Zwist zwischen dem ehemaligen Berater und Hardliner Bolton und Donald Trump wird völlig übersehen, dass Trump vielleicht der „Verrückte“, zumindest der Chaot ist – doch die wahren Feinde Chinas (und des Weltfriedens) sind Menschen wie Bolton, Pence, Cruz, Pompeo und viele andere – die gerade von US-Militärs unterstützt werden.

Wahrscheinlich hat Trump längst die Übersicht darüber verloren, wie viele Manöver, „FONOPS“, Übungen und Aktionen seine Generäle in den vergangenen drei Monaten im Südchinesischen Meer, in der Taiwan-Straße und nahe dem chinesischen Festland durchführten. Lt. interner US-Quellen dient dieses „hohe operationelle Tempo“ dazu, den Chinesen zu zeigen, dass trotz der Corona-Probleme das US-Militär in der Lage ist, seine Kampfbereitschaft auch im Pazifik aufrecht zu erhalten.

Der Auslöser war nicht etwa die peinliche Lahmlegung der USS Theodore Roosevelt mit 1156 infizierten Soldaten, sondern dies war schon vorher als politisch-militärische Strategie angelegt: Bereits am 16. April stellte der Republikaner Mac Thornberry vor dem „House Armed Services Committee“ die sog. „Indo-Pacific Deterrence Initiative“ vor, die dazu dienen soll – so die US-Sicht – ein Gegengewicht zur chinesischen Aggression zu bilden.

Auch deutsche Medien vergaßen nicht nur, dies zu analysieren, sondern übersahen wohl auch, dass der Text der „European Deterrence Initiative“ von 2014 nachgestrickt war, die dazu dienen sollte, eine ebensolche Aggression in Europa zu verhindern – diesmal von Seiten Russlands.

Doch sind diese neuen Programme keineswegs Kriegsspiele auf geduldigem Papier, sondern echte militärische Hardware, Systeme zur Raketenabwehr, Beobachtungs- und Spionageaktivitäten, die Bereitstellung von Ausrüstung, Truppenverschiebungen sowie der Ausbau militärischer Einrichtung und Übungen mit regionalen Partnern von Thailand bis Tokyo – für zusammen sechs Milliarden US-Dollar.

Vor allem gibt es klare Informationen, dass sich die USA noch stärker an der Seite Taiwans profilieren will, „natürlich, um China von einer gewaltsamen Übernahme abzuhalten.“

Nicht der russische, der chinesische „Bär“ wurde geweckt

Chinas „Militarismus“ ist vergleichsweise neueren Datums – und daher den USA bisher kaum vergleichbar, wenn auch schnell wachsend. Denn das chinesische „Imperium“ beschäftigte sich über Jahrtausende vorwiegend mit seinem eigenen Zusammenhalt, statt andere Länder zu erobern.

Nichts unterstreicht dies besser als der Bau der Chinesischen Mauer – die zur Verteidigung zumindest etwas erfolgreicher war als der neuzeitliche Versuch Donald Trumps im Süden der USA.

Schlimmer noch, Chinas historische interne Schwächen wurden immer wieder brutal ausgenutzt, beispielsweise durch die kolonialen Eroberungen durch das britische Weltreich – deren Präsenz bis heute in Hongkong zu „bewundern“ ist. Noch mehr gedemütigt wurden Chinas selbstverliebte Herrscher durch die – weitaus üblere – lange Zeit der Knechtschaft unter japanischer Herrschaft.

Dieser sehr vereinfachte geschichtliche Exkurs dient schlicht der Beantwortung der Frage, „Wie wird China auf den wachsenden Druck der USA reagieren?“ Die Antwort kann nicht in einer detaillierten Voraussage der Zukunft liegen, jedoch in einer klaren Analyse: China wird einen Teufel tun, sich noch einmal bevormunden, unterdrücken oder gar entmündigen zu lassen, koste es, was es wolle.

China seit einiger Zeit auch als wirtschaftlich aggresiv einzustufen, ist nicht abwegig, aber in den vergangenen fünf Jahrzehnten galt dies für die USA, Deutschland und viele andere „Marktwirtschaften“ schlicht als Zeichen klugen Handelns, fleißiger Bürger und kreativer Denker.

Französische Handelsvertretungen nennen sich stolz „poste d’expansion économique“ – etwa „Vorposten wirtschaftlicher Ausdehnung“. Was den westlich-demokratischen „Göttern“ über Jahrhunderte erlaubt war, nimmt man den aufstrebenden Chinesen nun übel.

US-Außenminister Pompeo hielt vor zwei Wochen eine Rede, wie man sie von einem ehemaligen CIA-Chef schon lange erwarten konnte: „Kommunisten lügen immer… am meisten, wenn sie denken, sie sprächen für 1,4 Milliarden Menschen, die sie überwachen, unterdrücken oder durch Druck zum Schweigen bringen..“

„Ich fordere die Führer aller Länder auf, das zu tun, was Amerika getan hat – ganz einfach auf Gegenseitigkeit, Transparenz und Verantwortung (accountability) der Kommunistischen Partei Chinas zu bestehen.“

Beachtet man – ganz ohne Hintergedanken – dass die Forderung nach Transparenz bei den Kommunisten just zum Zeitpunkt erfolgte, als sein eigener Chef, Präsident Trump, wieder einmal ablehnte, seine Einkommens-, Steuer- und Vermögensverhältnisse zu erklären, braucht man über den Begriff Doppelmoral keine Talkshow abzuhalten – oder sollte dies erst recht tun.

Pompeo hielt seine Rede bewusst im Garten der „Richard Nixon Library“ bzw. vor dessen Geburtshaus im kalifornischen Yorba Linda, denn – was immer Nixon sonst anrichtete – er war es, der, zusammen mit Henry Kissinger, die eingefrorenen politischen Beziehungen zu China erstmals nach den Zweiten Weltkrieg wieder auftaute.

Kurz und schmerzlos erklärte der US-Außenminister diesen Versuch für beendet mit den Worten, „Wir dürfen das nicht fortsetzen. Wir dürfen nicht dahin zurückkehren.“ Das offizielle Washington hat damit – vielleicht sogar an Trump vorbei – die globale Entspannung für beendet erklärt – mit den Russland-Sanktionen schon vorher.

In der zwanzigminütigen Rede kritisierte er nebenbei noch Deutschland, das sich nicht eindeutig an die Seite der USA stelle, und rief die „freie Welt“ dazu auf, sich gegen China zu vereinen, denn „die Chinesen sind stärker auf uns angewiesen, als wir auf sie angewiesen sind…“

Wenn er da nicht irrt, obwohl dies ökonomisch tatsächlich zutrifft. Denn China braucht seinen Außenhandel und seine Investoren derzeit nicht nur wegen der Corona-Krise, sondern mittelfristig vor allem, um seine angelaufenen massiven Strukturreformen und Programme wie das „Go West“ und die „Seidenstraße“ durchzuziehen.

Auch die – extrem wichtige – weitere Stärkung von Chinas Mittelschicht kostet viel Geld, ebenso wie die Sanierung des Bankensystems. Doch die USA – die ein Börsianer in Frankfurt kürzlich als „ein WireCard mit 350 Millionen Einwohnern“ bezeichnete – sitzen im Verschuldungs-Glashaus – und das Volk wartet auch dort auf Besserung.

Hingegen sind die Chinesen, auch und gerade aufgrund des permanenten Druckes durch die USA, in den vergangenen Jahren heute stärker vereint als in den vergangenen zweitausend Jahren ihrer Geschichte. Und – ebenso wie die Amerikaner seit langem – haben sie endlich auch viel zu verlieren, allen voran Jahrzehnte eines unvergleichbaren wirtschaftlichen Aufschwunges.

Pompeos Rede-Versuch, auch noch einen Keil zwischen die „guten, fleißigen“ Chinesen“ und deren „vom Volk abgehobene, unverantwortliche“ Regierung (Kurzfassung) zu treiben, zeigt, dass auch er die Analysen seiner Nachrichtendienste ebenso wenig liest wie Trump selber.

Zweierlei, dreierlei, vielerlei Maß (Maas)

Dass sich die USA nur bei „Atlantikern“, Mainstream-JournalistInnen und ebensolchen PolitikerInnen – und damit leider auch bei den „demokratisch fühlenden Massen“ – auch in Deutschland noch Gehör verschaffen, liegt schlicht an selektiver Informationsverarbeitung.

„China kauft Europa auf“, ist fast schon ein Klassiker. Niemand rechnet nach, dass US-Finanzkonzerne ein Vielfaches an deutschen und europäischen Unternehmen in der Tasche (Fachsprache Portfolio – Investitionen) haben. Vor Huawei zittern europäische Politiker, die kaum Hard- und Software unterscheiden können – und in ihren Gebäuden läuft das gesamte Internet über Cisco-Server.

Diese US-Firma hat uns „garantiert“, keine „Backdoors“ in ihre Geräte einzubauen. Tun sie auch nicht, denn jeder halbwegs nüchterne Amateur-Spion weiß, dass die Geräte „sauber“ die Cisco-Werke verlassen, danach jedoch von bekannten Dienstleistern mit drei Buchstaben in einer getrennten Hightech-Operation vor dem Export (nach Deutschland etc.) noch nachgerüstet werden.

Der (echte) Witz unter Geheimdienstlern ist der Code, solche Geräte schlicht als „Export-Version“ zu bezeichnen, während die (korrekt verschlüsselnden bzw. hintertür-freien) Geräte für den Eigengebrauch reserviert sind.

Das machen (fast) alle Länder so. Und wenn Kzl’in Merkel vor der Presse sagte, „Freunde abhören, das geht schon gar nicht“, hat sie sich auf das „naive“ bzw. anständige Deutschland bezogen. Denn „Export“-Geräte mit Hintertürchen wurden tatsächlich (zumindest für lange Zeit) nur an „weniger befreundete“ Staaten verkauft.

Dass Kanzler Kohl und das AA verwanzte Telefonanlagen von Frankreich bekamen, die USA mit ihren Antennen bei Bonn und in Bayern Airbus- und andere Firmen ebenso abhörten, wie die Schweizer bis nach Karlsruhe oder Stuttgart hin lauschten – alles kein Problem im Vergleich zur heutigen angeblichen „chinesischen Gefahr“ für Deutschland?

Eine Analyse des „China-Bashing“ durch die USA und Konsorten (im Wortsinn gemeint) und die damit verbundenen Spannungen und Risiken wäre ohne das Südchinesische Meer (SCS) mehr als lückenhaft. Auch diesbezüglich ist die Beurteilung auf den ersten Blick eindeutig, zumal China sogar die Klagen vor dem Internationalen Seegerichtshof (dem ISGH in Hamburg) klar verloren hat. Das Verdikt: China hat keinesfalls umfassende territoriale Ansprüche auf die meisten der künstlichen oder „aufgearbeiteten“ Inseln.

Die Position der USA: China behindert (tatsächlich und potenziell) die „FONOP“, die freie Seeschifffahrt bzw. „Freedom of Navigation Operations“ – wobei sich die USA bei FONOP in der Praxis auf ihre 7. US-Flotte beziehen, die gerade dort und im Indischen Ozean zusammen mit der 6. US-Flotte umfassende Manöver durchführt.

Wer über diese größte Militärflotte der Welt mehr erfahren möchte, findet fast für jeden Flugzeugträger oder Fregatte deren eigene (!) Website – man hat schließlich nichts zu verbergen, sondern verteidigt (wie an ca. 1.000 weiteren globalen militärischen Außenposten) die Freie Welt.

Dagegen sieht China mit seinen paar Dutzend kulturell-politischen „Konfuzius-Instituten“, die ebenso der Verbreitung ihrer Ideologie und Denkweise dienen wie vergleichbare westliche Einrichtungen, weltweit bisher ohne größere Militärhäfen (die jetzt langsam entstehen) nicht sehr militant aus – wird aber als der Aggressor dargestellt.

Doch China ist nicht nur ein (bisher) schwacher Aggressor, sondern ein „lausiger“ PR-Praktiker: Denn im SCS hätte China seit Jahren mit offenen Karten spielen können, statt sich in alt-kommunistischer Geheimniskrämerei und Abstreiterei einen schlechten Ruf zu machen.

Denn die „Besetzung“ des SCS fand nicht – wie ebenfalls behauptet wird – vorwiegend wegen der dortigen Tiefsee-Rohstoffe oder Fischereirechte statt (die es durchaus gibt und an denen die Chinesen tatsächlich interessiert sind), sondern als Antwort auf (um nicht zu sagen: aus Angst vor) der 6. und 7. US-Flotte. Denn China hat ein riesiges Problem: Ein essentieller Teil seiner Energie- (und auch Waren-) Versorgung läuft durch die Meerenge von Singapur bzw. die Magellan-Straße.

Nicht die dort notorischen Piraten, sondern schon ein einziges U-Boot der Amerikaner könnte diese abriegeln – und China in wenigen Wochen wirtschaftlich in die Knie zwingen. Militärisch sind die USA den Chinesen immer noch haushoch überlegen. Nicht nur hat China erst angefangen, überhaupt brauchbare Flugzeugträger zu bauen bzw. auszurüsten, auch seine Atom-U-Boote sind vergleichsweise zu langsam und die diesel-elektrischen zu laut.

Vor allem fehlt den Chinesen für einen wirksamen Einsatz eine Navigations-Logistik aus der Luft. Wenn also – wie kürzlich – die USA ihre überlegenen P-8 (Poseidon) und weitere „Spürhunde“ wie die EP-3E demonstrativ bis auf 76,5 Kilometer vor Shanghai (!) patrouillieren lassen, können die Chinesen nur mit den Zähnen knirschen – oder endlich nachrüsten, was das Zeug hält.

Leider fehlt den meisten europäischen Politikern augenscheinlich die Zeit und/oder Fantasie, sich ein umgedrehtes Szenario mit chinesischen U-Booten am Panama- oder Suez-Kanal auszumalen – aber was dann passieren würde, kennen wir ja von der Kuba-Krise.

Klartext: Letztendlich geht es im Südchinesischen Meer nicht um die freie Seefahrt der USA, sondern um die von China. Und in einer gewissen Verzweiflung haben die Chinesen die vielen Inseln im SCS für die nächsten 10-20 Jahre zu Ersatz-Flugzeugträgern „aufgerüstet“, um von dort ihr lebensnotwendiges „FONOP“, d.h. ihren Energie- und Warenverkehr mit dem Nahen Osten und Europa mit dem bisher vorhandenen Flug- und Raketenmaterial sicherzustellen.

So hemdsärmelig die amerikanische China-Politik ist, so unfähig bzw. unwillig sind die Chinesen, der Welt zu sagen, was Sache ist und wo der Schwerpunkt ihrer Interessen liegt. Ein tragischer „Treppenwitz“ der Weltgeschichte, denn selbst wenn China mehr oder weniger brutal die Wahrheit sagen würde, wäre dies glaubhaft bzw. nachvollziehbar und würde (wie heute schon von den ASEAN-Staaten) „geschluckt“ – während die USA ihre Glaubwürdigkeit an vielen Stellen längst eingebüßt haben.

Die Mehrzahl aller auch nur einfach gebildeten Bürger bis ins Innere Afrikas weiß, dass Chinesen nicht kommen, um Almosen zu vergeben, sondern dass es um Geschäft, Anerkennung und Präsenz geht – nicht mehr, nicht weniger, und vor allem „verkaufen“ sie (fast) keine Ideologie mehr – außer dass man den „chinesischen Weg“ akzeptiert.

Wenn immer wieder westliche/deutsche Medien afrikanische oder andere Länder, die China-Hilfe oder Investitionen empfangen, vor diesen warnen, ist dies längst zu einer Beleidigung geworden. In einem Bonner Restaurant fragte ich eine Kellnerin aus Sri Lanka, was sie denn vom chinesischen (medial: Skandal-) Projekt des Hambantota-Hafens halte, der im Rahmen der Seidenstraße entstand.

Antwort: „Ohne die Chinesen hätten wir immer noch keinen Hafen, und hätte es unsere eigene Regierung allein gemacht, wäre das Geld in den Taschen verschwunden und der Hafen eine Geisterstadt“. Kurz: Wer diesen Ländern Vorträge über „böse Chinesen“ hält, ist ein Rassist, völlig unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Information.

Dass Chinesen durch ihr häufig ungehobeltes Auftreten ähnlich negativ „rassistisch“ eingestuft werden wie eine Gruppe Stiefel tragender Texaner in einer buddhistischen Pagode, zeigt nur, dass Chinesen – wie dazumal die USA – enorme wirtschaftliche Fortschritte gemacht haben, doch noch viel „inter-kulturelles“ Verständnis und Erfahrung brauchen, um nicht nur akzeptiert, sondern auch gemocht zu werden – derzeit Fehlanzeige.

Die USA wiederum haben – seit Vietnam – weltweit blutige und teure Kreuzzüge geführt und sich (nach durchaus vernünftigen Quellen) in ca. 80 Ländern in Wahlen eingemischt. Doch dass dies überwiegend zu mehr Freiheit und (echter) Demokratie in den betroffenen Staaten geführt hätte, ist höflich gesagt kaum nachweisbar – was sich inzwischen, wenn auch sehr langsam, herumspricht.

Chinas Fehler – sogar Dummheit – liegt hingegen darin, völlig logische, sogar geo-strategisch durch den Druck der USA provozierte Aktionen wie die „Neue Seidenstraße“ (BRI) als eine Art Dienst an der Menschheit zu verkaufen, statt als Handels-, Wirtschafts- und Außenpolitik mit durchaus expansiven Absichten.

Letztendlich hat sich die Führung in Peking schneller in eine potenzielle „Thukydides-Falle“ hineinmanövriert, als nötig – vor allem, ohne sich beim Rest der Welt diplomatisch-professionell um frühzeitigen Beistand zu bemühen. (Kurzfassung der Thukydides-Falle: Die Kriegsgefahr wächst, wenn eine Macht eine andere überflügelt.)

Denn derzeit profitiert China – bei der Mehrzahl westlicher Länder (anders in Asien oder Afrika) – weniger von seinen „guten Taten“ oder zumindest kooperativ-pazifistischem Verhalten (keine Sanktionen, keine militärischen Interventionen, aber „üblicher“ politischer oder wirtschaftlicher Druck), als von der unsäglichen Politik Trumps und seiner „Genossen“ wie Pompeo.

Warum haben die Chinesen – im weltweiten Vergleich – trotzdem immer noch einen schlechteren Ruf als die Amerikaner? Vereinfachte Antwort: Wer ein Volk nicht kennt, verhält sich verdeckt rassistisch – und die Chinesen kennt man weitaus weniger als die Amerikaner.

Immerhin, zumindest bei der Person Trump „hört der Spaß auf.“ Noch einfacher, aber weiterhin wahr: „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht“ – und wer kennt schon China?

Hatte Außenminister Genscher 1978/79 recht, als er (nach der SS-20-Bedrohung durch die UdSSR) die USA mit einem riskanten diplomatischen Trick zwang, die US-Nuklearwaffen nicht nur in Deutschland zu belassen, sondern sogar zu modernisieren, dann könnte die Welt auch diesmal darauf hoffen, dass die Thukydides-Falle vorerst nicht zuschnappt, es also nicht zum Krieg zwischen den USA und China kommt.

Eine Warnung ist allerdings angebracht: Wer glaubt, bei einem Abgang Trumps würde die Welt sicherer, der irrt. Zum einen ist die „politische USA“ seit langem auf die Umsetzung seiner – von Gott gegebenen – Weltpolizei-Rolle eingeschworen. Und bis auf wenige Pazifisten glaubt immer noch eine Mehrheit an das Gute im Kapitalismus und das Böse im (gedacht) kommunistischen China.

Trumps „Schnapsidee – Business statt Krieg“ war immerhin einen Versuch wert. Dass man die Welt mit Geld „einkaufen“ kann, dass man mit Russen und Chinesen die Politik vergessen und statt dessen „hearts and minds“ durch Geschäfte erobern kann, war fast schon genial – wenn auch ebenso naiv wie größenwahnsinnig. Doch mehr noch als Obama zuvor scheiterte Trump nicht an den eigenen Plänen, sondern am US-Politik-Establishment.
Und dieses praktiziert keine „Verschwörungstheorien“, sondern längst eine eingefahrene Praxis einer Welt-Hegemonie.

Ob das (geheimgehaltene?) Szenario sich realisiert, dass sein Vertreter Pence kurzfristig die Kandidatur von Trump übernimmt (wofür dieser viel Ehre und eine umfassende Amnestie erhält), ist noch offen. Die Republikaner könnten mehrheitlich hinter einer solchen Operation stehen, denn das „moralische Niveau“ bzw. Ansehen des demokratischen Gegen-Kandidaten Biden ist auch nicht viel höher.

Eine verfassungstechnische Hürde liegt allerdings darin, dass Amnestien generell nur für die nationale US-Rechtsprechung gelten – nicht aber für Anklagen, wie sie derzeit u.a. der Staat New York erhoben hat. Ggf. könnte Trump dann dem Vorbild des alten spanischen Königs folgen.

Auch in Peking macht man derzeit US-Planspiele, doch Xi Jinping (der die USA weitaus besser versteht als Trump die Chinesen, zumal Xis Tochter sogar dort studierte) weiß ebenso, wie er selbst und die große kommunistische Partei Chinas, dass die Apparate bzw. Systeme letztendlich wie die Wüste sind, an der die Karawane vorbeizieht.

Immerhin, auch in China läuft es keineswegs stromlinienförmig: Im Februar schwappte in Wuhan die Corona-Krise hoch, kurz danach verschwand der fotogene nordkoreanische Herrscher in der Nachbarschaft für zwei Wochen von der Bildfläche, was von den Medien weltweit intensiv beobachtet und spekulativ kommentiert wurde.

Dass auch Präsident Xi für mehrere Tage „offline“ war und in China nicht nur wilde Gerüchte zirkulierten, sondern sich bisher unvorstellbare öffentliche Kritik verbreitete – und nicht unterdrückt wurde – hat im Westen kaum ein Medienmensch oder gar ein Politiker vermerkt – oder gar ausgewertet.

Doch ganz vereinzelte Fälle, wie der tragisch verstorbene Arzt, der an den (altkommunistisch reagierenden) lokalen Behörden in Wuhan scheiterte, füllten plötzlich unsere Seiten. Dass die Schuldigen dann scharf bestraft wurden, fehlte wiederum in der medialen Wahrnehmung = selektiver Journalismus/Politik. Die Bezeichnung „intellektueller Rassismus“ müsste dafür noch erfunden werden.

Wichtig ist zu verstehen, dass wir auch von den Chinesen noch einiges lernen können, denn welche Politiker, Beamte oder Behördenleiter werden bei uns zur Rechenschaft gezogen für Korruption, Fehlverhalten, Dummheit, Frechheit etc.? Dumme, böse junge Menschen und Rechte pfeifen auf die Maskenpflicht. Die Medien lügen nicht, aber im März/April, als ich – aus Asien kommend – längst Maske trug, pfiffen Merkel, Spahn und der Rest der „Führung“ ebenso auf Masken – und wiesen so das Volk an.

Eine (gebildete, weit gereiste) asiatische Besucherin stellte nach einem Besuch in China fest: „unglaublich, alles sauber, alles gut organisiert, alles sicher, sogar vor Supermärkten ein Uniformierter, da gibt es nicht mal Taschendiebe… Das ist besser als in Schweden, glaube ich … dort gibt man sein Steuergeld der Regierung und die macht viel dafür … aber in China habe ich mich irgendwie besser gefühlt.“ Nur eine Einzelmeinung – aber des Nachdenkens wert.

Letztendlich, auch in Peking läuft es so wie bei Außenminister Maas, der zwar die BND-Berichte aus China, über Hongkong, das Südchinesische Meer oder die Seidenstraße bekommt (in denen sicher hundert Mal mehr steht als hier), doch letztendlich dem Strom der Dinge und Meinungen folgt – und der fließt derzeit immer noch von West nach Ost.

Eine aktuelle Beobachtung zum Schluss – das Puzzle muss sich jeder Leser selber zusammensetzen: Aus indischen Quellen kommt die Information (bewusst lanciert oder nicht), dass zwei chinesische Generäle ihrer eigenen Führung, namentlich Präsident Xi Jinping, angeraten hätten, in Zukunft außenpolitisch etwas sorgsamer bzw. diplomatischer mit den USA umzugehen(!).

Die als „Hardliner“ (hawks) bezeichneten Generäle Dai Xu und Qiao Liang (letzterer pensioniert, unterrichtet an der Universität der Volksbefreiungsarmee – PLA) hätten gefordert, China müsse sein Verständnis der USA neu bewerten. Dies müsse unter ideologischen Gesichtspunkten geschehen und die eigene Strategie und Taktik berücksichtigen, um nicht gefährliche Fehler zu begehen.

Der General bezieht sich auf die – relativ neue – Weisung an chinesische Diplomaten, sich als „wolf warriors“ zu verstehen – d.h. in Zukunft etwas weniger zurückhaltend zu operieren. Chinas Außenminister Wang Yi hatte seine Botschaften im Mai des Jahres entsprechend angewiesen und dies mehr oder weniger eindeutig damit begründet, man sei von „hegemonialen Wölfen“ umgeben – womit klar die USA und Großbritannien gemeint waren.

Die Generäle fordern u.a., Xi solle jede Idee einer militärischen Einnahme Taiwans aufgeben, ebenso wie jede Art von Kriegsführung an mehreren Fronten – oder gar die Corona-Situation für derartige Aktionen nutzen. Die indische Quelle behauptet mit dieser (TV-)Sendung, in China gäbe es massive Kritik an Xi – was nicht ganz falsch, aber auch gewollte Propaganda ist.

Dass es sich die Inder nicht verkneifen können, die – in der Sendung als interne „Friedensengel“ dargestellten chinesischen Generäle gleichzeitig als Falken (hawks) zu bezeichnen, ist wiederum typisch für das indische Denken bzw. Militär. Einen (grundsätzlich feindlichen) chinesischen oder gar pakistanischen Militär kann man nur mit einem negativen Attribut zitieren – egal, in welchem Zusammenhang, sonst ist man selbst ein Verräter – Asien ist eben etwas anders.

Wer von unseren nachdenklichen Lesern dies nicht glaubt, sollte einmal nach indischen oder pakistanischen militärischen Webseiten (viele auf Englisch) „googeln“.

Liest man die Texte dortiger Militärs oder Pressesprecher, sträuben sich nicht nur europäische Haare, sondern man fragt sich auch, wieso zwischen Pakistan, Indien, aber auch China nicht schon längst heftige Atomkriege ausgebrochen sind.

Die gute Nachricht: Wenn dem – wie wir zum Glück wissen – nicht so ist, dann können wir auch das Risiko einer eskalierenden (militärischen) Auseinandersetzung zwischen den USA und China vorerst als kritisch, jedoch als nicht sehr wahrscheinlich einschätzen.

Fazit: Bei einem „Kampf der Giganten“, wie zwischen China und den USA, ist man versucht, zu viel an Details und Meinungen oder gar „tagesaktuelle Informationen“ hinein zu interpretieren und damit den Wald vor lauter Bäumen zu übersehen. Doch beide Länder haben eindeutige Interessen und grundlegende Strategien, die sich kaum verändern werden, auch wenn Medien und Politiker dies täglich anders darstellen.

Die atomare Vernichtung der Welt wäre – bis auf die Kuba-Krise und sowjetische Einmärsche – bisher fast nur durch technische Fehler oder Missverständnisse passiert. Auch im Falle eines Konfliktes China-USA könnte eher Letzteres passieren.

Für einen bewussten Militärschlag spricht derzeit wenig, denn beide Seiten sind heutzutage zwar von Ideologien, aber noch mehr von materiellen Interessen gesteuert – wer etwas zu verlieren hat und dafür nicht das Himmelreich bekommt, denkt zweimal nach. Zumindest für die Chinesen gilt dies – die USA stecken inzwischen weitaus tiefer in ideologischen und pseudo-religiösen Denkschemen.

Hinweis: für eine tiefere Analyse der chinesischen Wirtschaft findet man auf den NDS u.a. die Gedanken von Werner Rügemer: „Varianten des Kapitalismus – Ein Vergleich des westlichen mit dem chinesischen Kapitalismus“ – nach wie vor aktuell und mit vielen Quellen ergänzt.

Titelbild: rawf8/shutterstock.com


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