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Titel: US-Wahlen, Medien und Manipulationen

Datum: 22. Oktober 2020 um 12:03 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
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Neue Informationen, die Joe Biden schaden könnten, werden nicht angemessen thematisiert. Neue Dokumente, die den Mythos von „Russiagate“ bedrohen, werden verschwiegen. Die Manipulation vor den US-Wahlen läuft auf Hochtouren – auch in deutschen Medien. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zwei Vorgänge, die zum Verständnis der US-Verhältnisse wichtig sind, werden in vielen deutschen Medien unangemessen oder nur verzerrt dargestellt: Zum einen neue durchgesickerte Inhalte zur Ukraine-Affäre von Joe Biden und seinem Sohn Hunter. Zum anderen die Offenlegung neuer Dokumente zum unseriösen Charakter der „Russiagate“-Affäre, also der Kampagne, die Russland Einmischungen in die US-Wahl von 2016 unterstellen sollte. Dies sind nur zwei aktuelle Beispiele für eine in ihrer Parteilichkeit gegen US-Präsident Donald Trump unseriöse Berichterstattung vieler deutscher Medien zum US-Wahlkampf.

Deutsche US-Berichte: Triviales betonen, Wichtiges verschütten

Die deutsche US-Berichterstattung kann generell von zwei Seiten kritisiert werden: Zum einen hat Jens Berger gerade in diesem Artikel auf die absurde Masse an trivialen Berichten etwa aus den Tiefen der US-Popkultur hingewiesen. So sehr aber die US-Berichterstattung bei unwichtigen Themen übertrieben wird, so sehr wird sie bei ausgesuchten und wichtigen Themen vernachlässigt. Das USA-Bild in deutschen Medien ist außerdem von (mutmaßlich vorgetäuschter) Naivität geprägt: Die Existenz etwa einer parteiübergreifenden Kriegskoalition wird nicht dargestellt, das hierzulande gepflegte Bild von den „guten Demokraten“ und den „bösen Republikanern“ hält einer Prüfung nicht stand.

Innerhalb dieser ohnehin verzerrten USA-Darstellung stechen nun die zwei erwähnten Themen heraus. Norbert Häring beschreibt in diesem Artikel einerseits die Zensur-Bemühungen von Internet-Firmen zugunsten Bidens und andererseits das Versagen vieler deutscher Medien angesichts dieser Manipulationen – sowie eine dem unbedingten Willen der Trump-Diffamierung entspringende Unseriösität. Auslöser des Vorgangs ist dieser Artikel in der „New York Post“ zur Biden-Ukraine-Affäre. Weitere Hintergründe dazu gibt es auf den NachDenkSeiten in dem Artikel Trump, Biden und die Ukraine – „Haltet den Dieb“.

Zu dem anderen Thema ruft in diesem Artikel der Blog „Anti-Spiegel“ in Erinnerung, dass bereits vor zwei Wochen wichtige Dokumente zur Substanzlosigkeit und zum manipulativen Charakter der „Russiagate“-Kampagne veröffentlicht wurden, dies aber von deutschen Medien bis heute nicht angemessen thematisiert wird. In zahlreichen Artikeln wird – befeuert durch fragwürdige Äußerungen Trumps – außerdem suggeriert, Trump würde den Wahlausgang nicht akzeptieren – Vorwürfe des Betrugs oder gar des Putsches durch Trump hängen bereits in der Luft und könnten auch genutzt werden, um einen Sieg Trumps anzuzweifeln.

Mit der Thematisierung der Medienkampagnen gegen Trump verteidigt man keineswegs die teils furchtbaren politischen Inhalte des US-Präsidenten. Mit der Kritik an den US-Demokraten werden die US-Republikaner nicht als das kleinere Übel dargestellt. Es ist festzustellen: Rationale und friedfertige Politik ist in den USA weitgehend heimatlos.

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Medien wollen nicht die eigene Kampagne gefährden

Dieses Ausbleiben einer angemessenen US-Berichterstattung erscheint dadurch umso unredlicher, dass viele, auch deutsche, Medien hemmungslos den unbewiesenen Mythos von der russischen Einmischung in die US-Wahl von 2016 mit aufgebaut haben. Dass sie nun Infos nicht angemessen transportieren, die die eigene Kampagne infrage stellen, ist nachvollziehbar, aber unseriös. Die NachDenkSeiten haben dieses Prinzip im Artikel „Skripal, Giftgas, Hacking, Doping – Strategien der Spannung und das große Schweigen danach“ beschrieben: „Wenn es dann doch Erkenntnisse gibt, die Monate später einer Medienkampagne widersprechen, werden diese oft nicht mitgeteilt.“ Die Wirkung des „Mueller-Reports“ hat Jens Berger bereits in diesem Artikel thematisiert.

Die weitgehende Enttarnung der alten „Russiagate“-Vorwürfe hält die handelnden Akteure aber nicht davon ab, in diesen Tagen eine „erneute“ Einmischung Russlands zu behaupten. Die „FAZ“ schreibt dazu:

„FBI-Direktor stellt wieder starke Einmischung Russlands fest“

Durch das Wort „wieder“ wird Bezug genommen auf unbewiesene Vorwürfe – bei weniger informierten Bürgern entsteht so der Eindruck, diese Vorwürfe seien aber doch bewiesen. Und so fügt sich – unabhängig vom realen Wahrheitsgehalt – die „Russiagate“-Affäre ein in den westlichen Vorwurfskatalog gegen Russland, auf den bei Bedarf verwiesen wird. Diese auf Pressekampagnen beruhenden Vorwürfe ohne Substanz werden in Stapeln aufeinander geschichtet. Dadurch sollen zwei Eindrücke entstehen. Zum einen: Das russische Sündenregister ist skandalös lang. Zum anderen: Das Register ist so lang, dass man auf die Details der einzelnen Vorwürfe gar nicht mehr eingehen kann (oder muss), sondern nur noch Reihen von Schlagwörtern bildet, die eine Substanz vorgaukeln sollen.

Die Vorwurfs-Stapel gegen Russland

Die grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms hat diese Taktik einst beispielhaft genutzt, um für einen Boykott der Fußball-WM in Russland zu trommeln, das Prinzip ist mittlerweile allgegenwärtig:

„Der Giftgasanschlag in Salisbury ist nur das neueste Kapitel von Wladimir Putins Verhöhnung unserer europäischen Werte: willkürliche Bombenangriffe auf Schulen, Krankenhäuser und Wohngebiete in Syrien; die brutale militärische Invasion der Ukraine; systematische Hackerattacken; Desinformationskampagnen; Wahleinmischung; Versuche, die EU zu schwächen und destabilisieren – all das steht nicht auf der Visitenkarte eines guten WM Gastgebers.“

Den Fall Nawalny gab es zu dieser Zeit noch nicht, sonst würde er sicherlich auch in dieser Reihe als angeblich bereits bewiesenes Vergehen auftauchen. Dabei kann keiner der hier gestapelten Vorwürfe nach ordentlichen Standards als bewiesen bezeichnet werden. Interessierte Akteure können aber trotzdem immer wieder auf die in den Köpfen der Bürger gespeicherten Reste der einstigen Medienkampagnen zielen. Um diese Reste nicht zu gefährden, wird versucht – wie aktuell beim Thema „Russiagate“ – Infos zu vermeiden, die die mit großem medialen Aufwand installierte Deutung angreifen könnten.

Titelbild: patrimonio designs ltd / shutterstock.com


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