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Titel: Einspruch, Jens Berger!

Datum: 26. Februar 2021 um 17:03 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Innen- und Gesellschaftspolitik
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Nicht immer sind wir uns alle einig im NachDenkSeiten-Team. Wie im „richtigen Leben“ spaltet auch uns hin und wieder das Corona-Virus. Jens Bergers Artikel „Gebt die Impfstoffe frei und macht dem Lockdown ein Ende“ klingt zunächst schlüssig. Die Kernbotschaft lautet: Hört auf, eine Impfreihenfolge festzulegen. Verabreicht allen, die es wollen, eine Impfung, lasst die in Ruhe, die es nicht möchten, und ermöglicht damit die heiß ersehnten Lockerungen. Diese Aussagen haben in mir gegrummelt. Inzwischen kann ich auch erklären, warum. Anette Sorg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Botschaften, die sich hinter der plausibel dargelegten, vordergründigen Botschaft verstecken, lauten nämlich wie folgt:

  1. Die Impfstrategie als solche ist in Ordnung. Nur eine möglichst umfassende hohe Zahl an Geimpften wird uns erst Lockerungen und danach eine „neue Normalität“ ermöglichen.
  2. Die neuen Impfungen sind nicht gefährlicher als andere Impfungen auch.
  3. Die Impfungen erfüllen ihren Zweck, das heißt sie schützen den Geimpften und sie schützen damit auch andere vor einer Ansteckung.

Alle drei versteckt übermittelten Botschaften werden angezweifelt. Nicht nur von mir.

Botschaft eins bedient die Agenda, die wahlweise Bill Gates, Angela Merkel und in Variationen Ursula von der Leyen und Jens Spahn von sich gegeben haben: die Pandemie wird erst beendet sein, wenn die ganze Welt geimpft sein wird. Man munkelt zwischenzeitlich von März 2022 (!!)

Botschaft zwei wird von vielen Wissenschaftlern mindestens angezweifelt, wenn nicht gar mit alarmierenden Äußerungen bedacht: dazu gehört auch der Biologe Clemens G. Arvay, den Jens Berger für die NachDenkSeiten zu seinen Problemen mit der Wikipedia interviewt hatte.

Für Botschaft drei gibt es bislang auch nur wenige Beweise. Die Faktenlage ist äußerst dünn. Der Rückgang bei den Todeszahlen der über 80-Jährigen, der aktuell betont wird, könnte ein Hinweis auf die Wirksamkeit sein. Aber auch hier gibt es bislang mehr Vermutungen denn Gewissheit. Über die Dauer des Schutzes und ob die Impfung jährlich wiederholt werden muss, liegen ebenfalls noch kaum Erkenntnisse vor.

Auch Leserbriefschreiber Michael Schauberger (Leserbrief 20) hat sich mit diesen Widersprüchen intensiv auseinandergesetzt. Auch mit der Rolle der uns Regierenden geht er hart ins Gericht:

„…Der Staat hat eine Fürsorgepflicht, und nur, weil er dieser nicht nachkommt, sondern sie sogar mit Füßen tritt, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass man ebenso handeln darf. Gerade für Menschen, die sich Aufklärung und freies Denken auf die Fahne geschrieben haben, darf solch ein Fehler nicht passieren. Ich schieße ja manchmal schnell, das gebe ich durchaus zu, aber ich würde niemandem raten, etwas zu tun, dessen Ungefährlichkeit nicht wissenschaftlich evident bewiesen ist, ja noch nicht einmal empfehlen oder als Möglichkeit darlegen…“

Jens Berger bewertet das heftig Kritisierte ungleich freundlicher, wenn er feststellt:

„…Warum verhängt ein Staat bei einer Pandemie Lockdown-Maßnahmen mit massiven direkten und indirekten Kollateralschäden? Die Antwort: Um Menschen, die nicht an Covid-19 erkranken wollen, zu schützen…“

Die Wahrnehmung einer „fürsorglichen Regierung“ hilft sicher manchem durch diese harte Zeit. Allein mir fehlt der Glaube!

Es ist in Ordnung, die Impf-Strategie unserer Regierung als gut gewählte Strategie zu werten. Es ist nicht in Ordnung, diese als alternativlos darzustellen. Man hätte einen ähnlichen Weg wie Schweden einschlagen können. Man hätte viel mehr Geld in die Medikamentenforschung stecken können (oder müssen). Man hätte die sogenannten „vulnerablen“ Gruppen, also Menschen in Alten- und Pflegeheimen und Vorerkrankte, viel mehr schützen können und müssen. All das hat man nicht getan. Auch eine Kombination von verschiedenen, miteinander wirkenden Maßnahmen hätte man als Strategie wählen können. Fehlanzeige.

Von Beginn der ausgerufenen Pandemie an – es sei an ein legendäres TV-Interview im Frühjahr 2020 mit Ministerpräsident Kretschmann erinnert, der damals schon einen Impfstoff aus Tübingen für den Herbst 2020 avisiert und Einschränkungen bis zu diesem Ereignis verkündet hatte – gab es in Berlin nur eine einzige Strategie: Impfen. So schnell als möglich, so viel als möglich.

Darf einen diese Einfallslosigkeit, diese Borniertheit nicht wenigstens misstrauisch machen?

Die Planungen der EU, innerhalb von drei Monaten (!) die technischen Voraussetzungen für einen digitalen europäischen Impfausweis zu schaffen, sollten zumindest aufhorchen lassen. Sie beweisen, dass der bereits im Frühjahr 2020 eingeschlagene Weg nicht wieder verlassen wird.

P.S.: Diese Gegenrede darf gerne auch als Diskussionsanstoß für die Gesprächskreise der NachDenkSeiten dienen, von denen sich viele trotz Lockdown in einem persönlichen (in kleinem Kreis) oder virtuellen Austausch befinden. Was wir übrigens großartig finden!


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