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Titel: Ein Sonntagabend mit ARD und ZDF – Massiver Tendenz-Journalismus auf allen Kanälen

Datum: 21. Februar 2022 um 14:49 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen / Tarnworte / Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Der Ukraine-Russland-Konflikt beherrschte an diesem Wochenende auch die Nachrichten- und Politikformate von ARD und ZDF. Wo man eigentlich eine differenzierte Berichterstattung verlangen könnte, traf man auf ein Bombardement einseitiger Meinungsmache. Die Grenzen zwischen Nachrichten und Meinung verschwimmen und die transportierten Meinungen sind die Positionen der Falken, die fortwährend auf Konfrontation gegenüber Russland drängen. Das Team der NachDenkSeiten hat sich am Sonntagabend die Angebote von ARD und ZDF angeschaut. Mit Beiträgen von Albrecht Müller, Christian Goldbrunner, Jens Berger und Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

19:10 – ZDF – Berlin direkt – „Schwierige deutsche Krisendiplomatie“

Von Albrecht Müller

Nur 10 Minuten. Es lohnt sich, die Sendung anzuschauen, wenn man erahnen will, in welche Richtung unsere Hauptmedien treiben. Die Sendung wurde moderiert von Shakuntala Banerjee. Von ihr konnte man nach bisheriger Erfahrung annehmen, sie versuche, ein bisschen moderat und sachlich zu sein. Die gestrige Sendung zeigte, dass dies eine Fehleinschätzung war. Es begann bei Minute 0 und ging bis Minute 10:07.

Die Sendung zum Thema Ukraine-Russland-Konflikt begann mit einer Einführung durch die Moderatorin. Dann folgte eine Art von Bericht von Thomas Reichart mit vielen Einspielungen und dann ein Interview mit dem SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich.

Schon die Einführung war nackter Tendenz-Journalismus: „Mit Worten gegen Panzer“, so lasse sich etwas überspitzt die Strategie der Bundesrepublik und ihrer Verbündeten zusammenfassen. Deutschland setzte auf Diplomatie. Viel erreicht habe es damit nicht. – Unterschwellig und konsequent wird hier die Botschaft vermittelt, man müsse bereit sein auch für eine kriegerische Auseinandersetzung.

Diese Linie und Botschaft durchzog dann auch den Bericht des ZDF-Journalisten Thomas Reichart – Näheres zur Person siehe hier. Dieser sogenannte Journalist holte sich als Zeugen brauchbare Leute aus brauchbaren Einrichtungen:

  • den ukrainischen Präsidenten mit seinem Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz,
  • den ukrainischen Botschafter in Deutschland, der wie schon des Öfteren Stimmung gegen sein Gastland macht, was normalerweise die sofortige Ausweisung, jedenfalls die Einbestellung ins Auswärtige Amt zur Folge haben müsste; in diesem Fall aber lassen wir uns alles gefallen, unter anderem auch die Behauptung, Deutschland täte nichts für die Ukraine und gleichzeitig nimmt man Hunderte von Millionen,
  • eine Vertreterin der Stiftung Wissenschaft und Politik, deren Lobbyarbeit für die USA und den Westen wir mit deutschem Steuergeld bezahlen,
  • einen US-Militärexperten des Center for Strategic and International Studies,
  • den Oberbürgermeister von Kiew, Klitschko,

und dann auch als passendes Beiwerk Baerbock und Scholz.

Interessant war auch zu beobachten, wie der Journalist Reichart versuchte, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Behauptungen der USA über die angeblichen Interventionsgelüste der Russen zu beseitigen. Man könne nicht das Beispiel der falschen Behauptungen über die Massenvernichtungsmittel des Saddam Hussein anführen. Das passe hier nicht. – So weit sind wir schon. Deutsche Medien wie das ZDF machen sich schon zum beflissenen Büttel der Propagandastrategien der westlichen Führungsmacht.

Auch im Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden Mützenich wurde die Grundlinie dieser Sendung fortgesetzt: Vorwürfe an die Verantwortlichen, weil sie sich für diplomatische Lösungen der Probleme ausgesprochen haben. Auch so weit sind wir schon: Ein verantwortlicher Politiker muss sich dafür rechtfertigen, dass er friedliche Lösungen der Probleme sucht und sich „gegen Kriegsdynamik“ wendet.

Mützenich wird dann auch noch die Frage gestellt, ob Deutschland so zurückhaltend sei, weil es wirtschaftliche Folgen fürchtet, die unser Land nach Sanktionen gegen Russland treffen könnten.

Insgesamt ein Musterbeispiel an Kriegstreiberei. Wenn die Redaktion von „Berlin direkt“ ehrlich wäre, dann hätte sie den Titel der Sendung nach einem früheren Vorbild benannt: Wollt ihr den totalen Krieg!?

21.45 – ZDF – Das heute journal vom Sonntag und die vermittelte Botschaft: Putin, Autokrat und unberechenbarer Aggressor

Von Christian Goldbrunner

Gebetsmühlenartig warnten uns westliche Leitmedien in den vergangenen Wochen vor einem angeblich kurz bevorstehenden Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Sie stützten sich dabei hauptsächlich auf britische und US-Geheimdienstinformationen. Beide Termine der prophezeiten Invasion verstrichen. Im heute journal vom 20.02.2022 wurde nun weiter spekuliert und als Botschaft für die Zuschauer wurde der russische Präsident erneut als Autokrat bezeichnet und, ohne dass es direkt ausgesprochen wird, dieser dargestellt, als sei er ein unberechenbarer Aggressor. Tieferliegende Ursachen für Konflikte innerhalb der Ukraine und auch die Sicherheitsinteressen Russlands und der seit Jahren heranrückenden Nato werden weiterhin nicht oder nur sehr einseitig beleuchtet.

Bereits in der Berichterstattung über das Ende der Olympischen Spiele wurde dick aufgetragen von Ulf Röller in Peking, ab Min. 5:56: „China hat sich sehr bemüht zu zeigen, dass es stark ist. Das ist das Besondere an diesen Spielen, die Teilung der Welt ist sehr deutlich geworden. Die Autokraten sind gekommen, und der wichtigste wohl, Putin, war am ersten Tag der Spiele da und hat deutlich gemacht, dass diese Achse Peking-Moskau sehr stark ist und sehr wichtig. Das macht dem Westen sehr große Sorgen. […] China hat lange Beziehungen zu der Ukraine, das ist auch ein Land, wo man viel Geld investiert hat. Aber was noch wichtiger ist: Es gibt durchaus Befürchtungen in China, dass Putin quasi einen Flächenbrand in Europa auslöst, dass es einen Krieg in Europa gibt, der dann eben auch die europäischen Wirtschaften sehr stark in Mitleidenschaft ziehen würde. Das wäre wiederum ganz schwierig, weil Europa dieser unglaublich wichtige Handelspartner für China ist. […] Aber es gilt auch für die Chinesen, dass wenn Putin es schafft, weiter Unruhe in der Region zu schaffen und Amerika und Europa damit zu beschäftigen, das ist durchaus den Chinesen recht. Also, sie erwarten eigentlich von Putin, dass er hier in dieser Beziehung das Florett und nicht dem Vorschlaghammer benutzt. Ob er da der richtige Mann ist, das wird man sehen.“

Dass Russland ein Teil Europas ist und Putin 2001 in der Rede im Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Lissabon und Wladiwostok vorgeschlagen hatte, wird hier erneut vollständig unter den Tisch fallen gelassen. Die zunehmende Orientierung nach China und die drohende Zweiteilung der Welt ist nicht vom Himmel gefallen. Das ist eine Folge, die in dieser Ausschließlichkeit auch sicher nicht russischen Interessen entspricht.

Ab Min. 7:44 folgt eine Überleitung durch Frau Slomka, in der sie auf ein diplomatisches Telefongespräch hinwies: „Im Konflikt mit Russland gibt es heute unterschiedliche Signale, einerseits gab es ein Telefongespräch zwischen Putin und Frankreichs Präsident Macron. Putin soll zugestimmt haben, sich gemeinsam um eine Waffenruhe in der Ostukraine zu bemühen. […] Auf der anderen Seite setzen Russland und Belarus ihr gemeinsames Militärmanöver fort. Belarus, das jahrzehntelang auf einen gewissen Abstand zu Moskau und Eigenständigkeit bedacht war, ist nun also auch noch Aufmarschplatz für russische Truppen.“

Es ist nicht die Nachricht an sich, die hier auffällt, sondern die Wortwahl. Es mag kleinlich klingen, aber die Abwertung der russischen Seite wird immer wieder auch durch die Wortwahl deutlich. Macron wird „Frankreichs Präsident“ genannt. Putin hingegen bekommt das Attribut Präsident nicht. Er wird nur beim Namen genannt. Und dass US-amerikanische Truppen außerhalb ihres Landes Übungen durchführen, Soldaten in der Ukraine ausbilden, Waffen liefern, dass deutsche Truppen auch in die baltischen Länder gesendet wurden, die NATO-Bündnisländer wiederholt Übungen direkt vor Russlands Grenzen durchführen und Russland seit Jahren Stück für Stück buchstäblich eingekreist wird, und dies auch bedrohlich sein kann, davon erfährt man hier kein Wort. Doch Belarus ist „nun also auch noch Aufmarschplatz für russische Truppen“. Hier werden gezielt Emotionen transportiert für die Zuschauer.

Es folgt ein Bericht aus Kiew. Dieser beginnt mit dieser Art verklärten Darstellung der Vorkommnisse am Maidan 2014, den Tobias Riegel in seinem Abschnitt über die tagesthemen und die Maidan-Mythen näher beschreibt.

„Acht Jahre ist es jetzt her, als über 100 Menschen hier am Maidanplatz in Kiew ihr Leben verloren. Die meisten von ihnen gezielt erschossen von Scharfschützen. Heute erinnern Ukrainerinnen und Ukrainer wieder an die Opfer der Revolution, die als Himmlische Hundertschaft im kollektiven Gedächtnis weiterleben.“

In dem Bericht ist kein Wort zu vernehmen zur Rolle des Westens, kein Wort von sogenannten Ultranationalisten, kein Wort von den US-Geldern von “Fuck the EU”-und-“Jats is the man”-Victoria Nuland. Kein Wort davon, dass den Ereignissen auf der Krim ein Putsch in Kiew vorausgegangen war. Stattdessen legt man den Menschen an der Maidan-Gedenkstätte Worte in den Mund: „Russland fordert, die Ukraine müsse direkt mit den Separatisten verhandeln, um Fortschritte im Friedensprozess zu erreichen. Das lehnen sie auch hier am Maidan in Kiew strikt ab. Wir sollten auf keinen Fall mit den Separatisten reden, das sind illegale Bewaffnete, erzählen sie uns. Mit wem man reden muss, scheint klar: Der Konflikt kommt aus Russland, sagen sie, und dort werden die Entscheidungen getroffen.“

Ab Min. 11:20 befragt Frau Slomka die Politikwissenschaftlerin Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die als Expertin für Russland und Osteuropa auch die Bundesregierung berate nach ihren Eindrücken ihrer einwöchigen Moskaureise. Frau Fischers Bericht kann man entnehmen, dass der Konflikt in der russischen Öffentlichkeit offenbar um einiges umfassender wahrgenommen wird – also Nato/USA versus Russland – dass es sich nicht ausschließlich um eine Gefährdung des Friedens in Europa handelt, sondern dass man vor einem „Großkrieg gegen die Nato, gegen die USA“ Angst habe, und das sei ja nicht das, „was wir von hier aus sehen, nämlich vor allen Dingen einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.“

Im Gespräch werden dann die inzwischen üblichen Begrifflichkeiten verwendet wie: Feldzug, Invasion, begrenzter Einmarsch, Propaganda, Szenarien, hybride Kriegsführung, Desinformation, Cyberangriffe, Destabilisierungsmaßnahmen bis hin zu Terroranschlägen. Frau Slomka fasst zusammen, alles in allem „Maßnahmen, die für die Ukraine natürlich extrem destabilisierend wirken.“

Dem Nachrichten-Publikum wird das so absolut einseitig dargestellt, als hätte es Mackinder und Brzeziński nie gegeben und als sei Geopolitik einzig die Domäne eines unverlässlichen russischen Präsidenten. Auch vernimmt man kein einziges Wort zu den gebrochenen Versprechen “des Westens” und zur Nato-Osterweiterung. Kein Wort zum Staunen des ‚Spiegels‘ über einen Fund eines Gesprächsprotokolls im britischen Nationalarchiv von 1991, über den das Magazin am 18.02.2022 berichtete: “Neuer Aktenfund von 1991 stützt russischen Vorwurf. Russland behauptet seit Jahrzehnten, die Nato-Osterweiterung verstoße gegen westliche Zusagen nach dem Mauerfall. Nun ist ein bemerkenswertes Dokument aufgetaucht. »Wir können Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten«“. Hierzu auch der Kommentar von Dagmar Henn in RT DE „Der Spiegel entdeckt: NATO-Osterweiterung doch ein gebrochenes Versprechen“.

21.45 – ARD – Transatlantische Festspiele bei Anne Will

Von Jens Berger

Talkshows vermitteln gerne den Eindruck, ein breites Meinungsspektrum abzubilden. Dies wird vor allem über die Auswahl der Gäste vermittelt. Es soll der Eindruck erweckt werden, als diskutierten dort zwei Vertreter der jeweiligen Extreme von beiden Enden der Skala mit den gemäßigten Vertretern der beiden Lager, deren Positionen dann automatisch als eine Art rationaler Konsens der Mitte erscheinen. Doch was, wenn die Breite des Spektrums nur simuliert ist und der vermeintlich rationale Konsens der Mitte eigentlich selbst ein extreme Position ist?

Genau nach diesem Schema verlief einmal mehr die gestrige Diskussionsrunde bei Anne Will. Die Rollen der beiden Extrempositionen wurden dabei offenbar der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Think-Tank-Angestellten Constanze Stelzenmüller zugedacht. Letztere wurde als Publizistin und Expertin für transatlantische Beziehungen vom Brookings Institute vorgestellt. Das klingt schon beinahe seriös und wissenschaftlich. Dass das Brookings Institute ein von einem ehemaligen US-General geleitetes Think Tank ist, das seine feste Rolle in der amerikanischen Propagandastrategie hat, bleibt unerwähnt. Gute Propaganda, schlechte Propaganda – während russische Staatsmedien in Deutschland noch nicht einmal eine Sendeerlaubnis haben, werden die Vertreter amerikanischer Propaganda-Institutionen als „Experten“ hofiert. Was Stelzenmüller zur Debatte beitrug, war dann auch vorhersehbar. Russland ist der große Aggressor. Dies hätten bereits die Tschetschenien-Kriege, der Georgien-Krieg und die Annektierung der Krim gezeigt. Selbstredend wurden diese Konflikte in ihrer verkürzten Form geschildet, ohne auch nur in einem Nebensatz auf die Vorgeschichte und vor allem die Beteiligung der USA am Entstehen dieser Konflikte einzugehen.

Da diese Methode in der Propaganda sehr erfolgreich ist, wendete Stelzenmüller sie natürlich auch auf den aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine an. Sicherheitsgarantien für Russland? Nato-Osterweiterung? US-Einfluss auf die Ukraine und Farbenrevolution auf dem Maidan? Alles keine Themen. Stattdessen fragwürdige Statements, wie der Satz, dass der Westen der Ukraine keine Neutralität „aufoktroyieren“ könne, wenn die Ukraine dies nicht wolle. Völkerrecht, Verträge, Versprechen – das alles spielt offenbar keine Rolle. Wenn die Ukraine zum Westen und zur NATO gehören will, so sei es offenbar die Pflicht des Westens, dem nachzukommen. Das ist vollkommen absurd. Doch wer nun denkt, die „gemäßigten“ Teilnehmer der Debatte hätten hier mäßigend eingegriffen, der täuscht sich. So läuft es bei Anne Will nun mal nicht.

Und das liegt natürlich vor allem an der Auswahl der „gemäßigten“ Gäste. Diese Rolle übernahmen nämlich der CDU-Politiker Nobert Röttgen und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Letzterer nickte die gesamte Sendung brav zu jeder noch so abstrusen transatlantischen Verdrehung und spielte das „Blame Game“ gegen Russland und Putin mit. So teilt Klingbeil nach eigener Aussage auch die Analyse, dass Russland sich auf eine Invasion vorbereite. Nun ja, Klingbeil gehörte auch bis vor kurzem noch den Lobbyvereinen „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“ und „Förderkreis Deutsches Heer“ an – den beiden einflussreichsten Lobbyorganisationen der deutschen Rüstungsindustrie. Innerhalb der SPD nimmt er das äußerste rechte Spektrum in außen- und sicherheitspolitischen Fragen ein. Klingbeil ist nicht gemäßigt, er ist ein Falke. Daran ließ er auch bei Anne Will keinen Zweifel aufkommen.

Noch schräger war jedoch die Auswahl des zweiten „gemäßigten“ Gastes – Norbert Röttgen, der nicht nur in der CDU der Vertreter transatlantischer Interessen ist, sondern diese Funktion sogar als stellvertretender Vorsitzender des transatlantischen Think Tanks „Atlantik Brücke“ ausübt. Ohne seine Kollegin Constanze Stelzmüller wäre Röttgen damit prädestiniert, die Rolle des extremen Falken in dieser Runde einzunehmen. So konnte er jedoch bar jeder Grundlage die vermeintlich gemäßigte Stimme abgeben. Doch gemäßigt war an seinen Äußerungen natürlich überhaupt nichts. Stattdessen gab er 1:1 genau die Propaganda wieder, die man auch von einem Sprecher des Pentagon hätte erwarten können.

Spätestens an dieser Stelle muss man auch die Frage stellen, welche Funktion eigentlich die Moderatorin Anne Will bei diesen transatlantischen Festspielen einnehmen sollte. Widerspruch? Fehlanzeige. Moderation? Ebenfalls Fehlanzeige. Stattdessen „glänzte“ sie als Stichwortgeberin der transatlantischen Gäste, die dann auch noch durch eingespielte Interviews mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen inhaltlich ergänzt wurden. Auch von der Leyen ist nicht zuletzt seit ihrer Zeit als Verteidigungsministerin als transatlantische Überzeugungstäterin und Falke verrufen.

So blieb die gesamte Opposition zur transatlantischen Deutungshoheit der gesamten Sendung der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht vorbehalten. Sie war dann auch die Einzige, die überhaupt bemüht war, die Zusammenhänge des Konflikts aufs Tableau zu bringen und die Momentaufnahmen in einen größeren Kontext mit der Vorgeschichte zu bringen. So recht sie in allen Punkten hatte, so alleine war sie auch in dieser Sendung. Und da ihr ja die Rolle einer „Extremposition“ zugeschrieben wurde, hieß es dann auch „Sahra gegen den Rest“. Das ist zwar nicht dramatisch, kennt Wagenknecht solche Konstellationen auch bei anderen Themen nur zu gut. Beim unbedarften und von der Dauerpropaganda auf allen Kanälen eingelullten Zuschauer blieb jedoch der Eindruck haften, nicht der Rest der Gäste, sondern Sahra Wagenknecht vertrete eine Position außerhalb der Leitplanken eines gemäßigten, rationalen Ansatzes. So funktioniert Propaganda, die sich demokratisch und pluralistisch gibt.

p.s.: Auch Oskar Lafontaine hat sich zu dieser Sendung seine Gedanken gemacht .

22.30 – ARD – Die „Tagesthemen“ und die Maidan-Mythen

Von Tobias Riegel.

Der Bericht der „Tagesthemen“ vom Sonntag zum Ukraine-Konflikt zählt nicht zu den radikalsten Beiträgen der Kriegstreiberei deutscher Medien vom Wochenende. Doch selbst der in relativ(!) zurückhaltendem Ton gehaltene Bericht transportiert noch zahlreiche verzerrende Botschaften. Eingeleitet von Ingo Zamperoni wurde an eine Wurzel der jetzigen Eskalation erinnert: an den gewaltsamen Maidan-Umsturz von 2014. Birgit Virnichs Reportage aus Kiew beginnt mit jenem gewohnten Kitsch, mit dem die geopolitischen Hintergründe der Maidan-Unruhen von vielen westlichen Medien seit acht Jahren vernebelt werden:

„Mit Papierengeln gedenken sie der himmlischen Hundertschaft: jener hundert Aktivisten, die vor acht Jahren auf dem Maidan ihr Leben ließen – im Kampf für einen prowestlichen Kurs der Ukraine.“

Auf den unseriösen Charakter des Mythos der „himmlischen Hundertschaft“ wird weiter unten näher eingegangen. Man sieht in der Reportage weiter einen Trauermarsch, es fallen Zitate, nach denen die Bedrohung aus Russland jeden Tag wachse. „Internationalen Beobachtern zufolge nehmen Verstöße gegen den Waffenstillstand“ an der Kontaktlinie „weiter zu“, so Virnich. Aber welche Seite verstößt denn hier? „Beide Seiten“ geben sich die Schuld, die „Lage bleibt unübersichtlich“, so Virnich, was aber einer antirussischen Tendenz dennoch nicht entgegensteht. Laut der Reportage würden „die Anführer der Separatisten in Donezk und Lugansk“ fortfahren, Mütter und Kinder mit russischen Pässen aus den selbsternannten Volksrepubliken „fortzubringen“. Die einen flüchten vor Gefahr – die anderen werden „fortgebracht“. Immerhin wird die russische Seite zitiert, die eine Offensive von ukrainischer Seite beklagt. Das ZDF gibt sich damit zufrieden, dass diese Offensive „der ukrainische Außenminister jedoch dementiert“ habe. Der Außenminister sagt außerdem: „Aus unserer Sicht gibt es jetzt schon Gründe, um einen Teil der Sanktionen zu verhängen.“

Dieser Bericht ist wie gesagt nicht vergleichbar skandalös wie die freundliche Bühne, die die „Tagesthemen“ kürzlich dem ukrainischen Botschafter in Deutschland und offenem Faschisten-Verehrer Andrij Melnyk bereitet haben. Aber trotzdem stützt die Reportage zahlreiche mutmaßlich falsche Mythen zum Maidan-Umsturz und ist so ein weiterer Mosaikstein in einem skandalösen antirussischen Bild. Weil von Kiew und Verbündeten auch von diesen Mythen eine heutige Berechtigung zum Angriff auf die „Volksrepubliken“ abgeleitet wird, müssen diese Mythen bekämpft werden.

Ein Hauptmythos zur Ukraine-Krise ist jener, dass die Aggression innerhalb der Ukraine von den „Volksrepubliken“ gegen Kiew ausgehen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Es marschieren nicht die „Volkrepubliken“ auf Kiew, sondern umgekehrt: Der inner-ukrainische Krieg wurde 2014 vom damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko als „Anti-Terror-Einsatz“ gegen die östlichen Gebiete gestartet und wird seither von vor allem einer Seite vorangetrieben.

Ein weiterer Hauptmythos bezieht sich auf die in der Reportage angesprochene „himmlische Hundertschaft“ – es ist bis heute nicht geklärt, wer diese Menschen erschossen hat, so gibt es auch schwere Indizien dafür, dass die Schüsse von Maidan-Anhängern kamen. Dass die „Tagesthemen“ diesen sehr fragwürdigen Mythos distanzlos weiterverbreiten (oder zumindest im Unklaren lassen), ist mindestens unseriös. Weitere Defizite deutscher Medien bezüglich des Maidan haben die NachDenSeiten im Artikel „Fünf Jahre Maidan – Fünf Jahre Manipulation“ beschrieben. Weil es so selbstentlarvend ist und mutmaßlich auch für zahlreiche weitere Pro-Maidan-Journalisten bezeichnend ist, soll hier noch einmal auf die Selbstsicht der auf dem Maidan sehr aktiven Golineh Atai zurückgeschaut werden:

Titelbild: Branko Devic/shutterstock.com


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