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Titel: Ukraine ehrt deutsche Medien-Hilfstruppen mit Orden

Datum: 16. November 2022 um 10:31 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Die Ukraine zeichnet deutsche Journalisten mit „Verdienstorden“ aus – und die bedanken sich artig. Was wie eine Episode aus einem Satiremagazin anmutet, ist real und es beschreibt treffend den Zustand weiter Teile der deutschen Medienlandschaft in diesen Tagen: Gemeinsam mit einem rechtsextremen Ex-Botschafter wird von deutschen Redakteuren „die Freiheit“ verteidigt, indem ein Krieg verlängert und die Weltwirtschaft beschädigt wird. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Ukraine ehrt laut Medienberichten politische und publizistische Unterstützer aus dem Ausland mit Verdienstorden, darunter auch drei Journalisten des Axel-Springer-Verlags. Ausgezeichnet werden „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt, der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer und der verantwortliche Redakteur im „Bild“-Ressort Politik, Julian „Dünger“ Röpcke. Das geht aus einem Erlass von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew hervor.

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, gratulierte auf Twitter: „Durch Eure mutige Berichterstattung habt Ihr der Bundesrepublik die Augen eröffnet, dass dieser Krieg jeden Deutschen betrifft“, schrieb er an Ronzheimer und Röpcke gerichtet. An den „lieben Ulf“ Poschardt gerichtet, twitterte er: „Du persönlich und all Deinen Kollegen bei der Welt haben einen gewichtigen Beitrag geleistet, damit die #Ampel meine Heimat – auch mit Waffen – unterstützt.“ . Poschardt antwortete, die Auszeichnung sei „eine große Ehre“.

Andrij Melnyk hat recht

Was Melnyk sagt, trifft zu: Unter anderem auch als Folge der Meinungsmache von Journalisten des Axel-Springer-Verlags beteiligt sich Deutschland nun mindestens indirekt an Kriegshandlungen gegen Russland – ein bis vor kurzem undenkbarer Alptraum ist also auch durch die Arbeit von Poschardt, Ronzheimer und Röpcke Realität geworden. Dass Poschardt es offenbar wie Melnyk als „Verdienst“ sieht, dass nun auch deutsche Waffen den Krieg in der Ukraine verlängern, das sagt viel aus. Dass die Sanktionen den Krieg nicht verkürzen und das schreckliche Leid der Ukrainer nicht lindern, dass also die offizielle politisch-moralische Begründung für Sanktionspolitik und Kriegsverlängerung längst zusammengebrochen ist, haben die NachDenkSeiten unter anderem hier oder hier beschrieben.

Irritierend ist die dreiste Offenheit von beiden Seiten, die sich bei der aktuellen Episode mit den Verdienstorden und den Reaktionen darauf erneut offenbart: Es wird gar nicht mehr der Versuch unternommen, den Eindruck von Unabhängigkeit zu erzeugen – es geht offenbar nur noch um Stärkung der eigenen Front im als solchen akzeptierten Propagandakrieg. Dennoch fragt man sich, warum nicht mal mehr aus taktischen Gründen wenigstens so getan wird, als gebe es einen Hauch von journalistischer Unabhängigkeit gegenüber der ukrainischen Regierung und den sie dominierenden „Partnern“ aus den USA.

Für die Verleihung der Orden können die Journalisten nichts – für ihre unterwürfigen Reaktionen schon. Man stelle sich an deutsche Journalisten verliehene russische Verdienstorden vor – und die Reaktionen darauf, wenn diese als „Ehre“ bewertet würden. So sehr man die Berichte der „Welt“ zum Ukrainekrieg kritisieren kann: Es sei auch erwähnt, dass sich das Medium bei der Kritik der unangemessenen Corona-Politik meiner Meinung nach verdient gemacht hat.

Unauflösbare Widersprüche

Ein Artikel der „Welt“ zum Thema ist illustriert mit einem Foto des Chefredakteurs Poschardt im gut gelaunten Gespräch mit dem ukrainischen Ex-Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk: Es ist offenbar beim Kampf für „die Freiheit“ nicht mehr wichtig, dass Melnyk ein bekennender Verehrer des Faschisten und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera ist (mehr dazu hier oder hier, hier oder hier).

Offenbar denken beide, dass ihre Meinungsmache so umfassend und so erfolgreich ist, dass sich zu den inhaltlichen Unvereinbarkeiten der westlichen Ukrainepolitik gar keine Fragen mehr stellen – bei vielen Bürgern haben sie wahrscheinlich auch recht mit dieser Vermutung. Aber den Beteiligten selber sind die krassen Widersprüche des westlichen Handelns bezüglich des Ukrainekriegs sehr wahrscheinlich sehr bewusst. Darum soll hier bezüglich weiter Teile der deutschen Presselandschaft mit einem Zitat aus dem Film „Die drei Tage des Condor“ geschlossen werden:

“Ihr glaubt wohl, bei einer Lüge nicht erwischt zu werden, ist dasselbe, wie die Wahrheit zu sagen.”

Titelbild: venimo / Shutterstock


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