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Titel: Scholz in Südamerika – Rohstoffe und knallhartes Business

Datum: 1. Februar 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Ressourcen, Wertedebatte, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk (DLF) hat in seiner Sendung „Informationen am Abend“ (30.01.2023) einen Beitrag „Von Argentinien nach Chile – Bundeskanzler Scholz auf Südamerika-Reise“ ausgestrahlt. Als regelmäßiger Hörer ärgerte ich mich dabei über das Fehlen wichtiger Informationen und Hintergründe der Nöte der Länder Argentinien und Chile, zudem fiel mir eine Zweigleisigkeit unangenehm auf: Zum einen präsentierte sich der deutsche Regierungschef als Menschenrechtsversteher, als Mahner vor Diktaturen und Gewaltherrschaften. Mir kamen schon ob dieser Worte Fragen zur Rolle von uns Deutschen. Schnell wurde mir zuhörend deutlich, weswegen Olaf Scholz mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation eigentlich nach Südamerika geflogen war: Rohstoffe und Geschäfte. Meine Schlussfolgerung: Immer wieder grüßt das Murmeltier. Der Westen, also auch wir, zeigt Interesse am Süden, wenn es was zu holen gibt. Die Medien zeichnen dazu begleitend nicht das ganze Bild. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ein Hörfunkbeitrag klingt dann immer chic, das lernt man auf Journalistenschulen, wenn den Worten des Sprechers authentische Töne der Szenerie beigemischt werden, Polizeisirenen vor der Wagenkolonne und Trompetenklänge zum Beispiel wie im Beitrag über Bundeskanzler Olaf Scholz’ Reise nach Argentinien und Chile. Die O-Töne aus Pressekonferenzen in Buenos Aires oder Santiago de Chile mit der ruhigen Stimme des Kanzlers tönen dazu dann ebenso beeindruckend aus dem Lautsprecher meines Radiogerätes. Es menschelt.

Es bleibt nicht nur bei der stilistischen Verpackung, die Stationen des Kanzlers beeindrucken, er besucht Gedenkstätten in Argentinien und Chile. Allein die Geschichte von zehntausenden Argentiniern, die in der Junta-Zeit der 1970er/1980er Jahre verschleppt und ermordet wurden, machen fassungslos. Man stelle sich vor, was in dieser Zeit an Bösem geschah, so wurden junge Menschen in Transportflugzeuge gezwungen, die abhoben, um die Menschen, die Gegner der Junta, weit vor der Küste Argentiniens aus den geöffneten Luken in die Tiefe des Atlantischen Ozeans zu schubsen.

Scholz’ Worte tönen an und für sich wahr und wichtig: „Wenn wir uns in der Welt umblicken und viele Diktaturen und Gewaltherrschaften sehen, dann sollten wir immer daran denken, sie sind immer mit Verschwundenen und mit Getöteten verbunden. Es gibt keine Diktatur, die keine Opfer hat.“ Unser Kanzler stattete auch in Chile mit dem Museum für Menschenrechte einer Stätte der Erinnerung an böse Zeiten eine Visite ab. Er erinnerte an die eigene Bedrückung als junger Mann in Deutschland über die Nachrichten aus Chile.

Doch genug, nun Klartext. Der DLF-Sprecher nutzte das Wort „Kontrapunkt“. Ja, es war einer, erst über Menschenrechte und Diktaturen reden, um dann, ganz konträr und pragmatisch, den eigentlichen Kern zu benennen: Scholz ist Handelsreisender. Mit wichtiger Delegation im Schlepptau. Es geht um… zum Beispiel Lithium und um Kupfer. Und das alles, um die Abhängigkeit von Deutschland gegenüber China zu verringern, heißt es. Erfolge sind schon zu vermelden, die Kooperation einer nationalen Kupfer AG mit dem deutschen Kupferkonzern Aurupis wird im Beitrag hörbar. Ein Delegationsteilnehmer ist weiter zu vernehmen: Martin Herrenknecht, badischer Unternehmer im Spezialgebiet Tunnelbaumaschinen, sagt: „Hier im Süden… haben wir Öl und Gas … Mineralien im Bergbau … Lithium … das kann durchaus interessant werden in Argentinien.“ „Rohstoffpartnerschaften“ heißt das Zauberwort. Der DLF-Sprecher erwähnt noch, dass Deutschland schließlich noch dafür werbe, in den umweltfreundlichen Abbau und in die Veredelung der gewonnenen südamerikanischen Rohstoffe zu investieren…

Der Beitrag weckt mehr Fragen, als Antworten zu liefern

Soweit der DLF-Beitrag, der mich allemal neugierig machte und ziemlich unzufrieden zurückließ wegen der darauf aufkommenden Fragen, die mir eben unbeantwortet beziehungsweise nicht angesprochen blieben. Zugegeben, ein wenige Minuten dauernder Beitrag kann nicht ein ganzes Bild zeigen. Mindestens erhellte der hier die Show der Beteiligten. Vor allem missfiel mir die Scheinheiligkeit der Präsentation und mir kamen Zweifel, die Scholz weckte mitsamt seinen Aussagen. Nun machte ich mir die Mühe und notierte mir Fragen auf wie:

  1. Junta in Argentinien und Chile, welche Rolle spielte Deutschland?
  2. Mahnung vor Diktaturen und Gewaltherrschaften, und doch macht Deutschland mit denen Geschäfte?
  3. Schweigen über die Ursachen der schwierigen Situationen wirtschaftlich, sozial, politisch in südamerikanischen Ländern, der große deutsche Freund USA mittendrin?
  4. Kein Wort im Beitrag über die Positionen der Regierungen in Argentinien und Chile zu Russland, der Ukraine?
  5. Kein Wort zu den engagierten Bemühungen Lateinamerikas, sich von Nordamerika einschließlich dem Westen zu emanzipieren?
  6. Abhängigkeit von China verringern, wie sieht es wirklich aus?
  7. Umweltfreundlicher Abbau?

Kurz zusammengefasst: Ich trug mir Antworten zusammen. So erinnere ich mich, dass die Junta-Zeiten in Chile und Argentinien besonders in der Zivilgesellschaft Widerstandskraft in Deutschland (der alten BRD), aber weniger davon bei den Regierenden entfachten. In der DDR war die Solidarität mit Chile ein sehr intensives Thema und die andere Junta in Buenos Aires verhasst. Ich habe Louis Corvalan in Berlin erlebt, der nach Europa ins Exil gegangene Mitstreiter von Salvador Allende, dem am 11. September 1973 von Pinochets Junta ermordeten Präsidenten von Chile. Ich schämte mich dann 1978 für Deutschland zur Fußball-WM in Argentinien, der Junta-Chef saß auf der Ehrentribüne…

Mit den Diktaturen und Gewaltherrschaften nehmen wir es nicht so genau, stellte ich fest, wenn ich mich umschaue, wo wir Deutschen überallhin Beziehungen haben und Geschäfte pflegen, gern auch diskret. Dass Lateinamerika bis heute unter schweren wirtschaftlichen Krisen leidet, der Norden hat enorm dazu beigetragen. Stets geht es bis heute um Ressourcen, ums Geschäft und nicht um den Wohlstand der Menschen in Lateinamerika. Gerade Chile wurde zu einem einzigen Labor neoliberaler Konzepte made in USA missbraucht, der Grad der Privatisierung von allem Möglichen hat schlimme Ausmaße erreicht. Scholz weiß sicher, dass die deutschen Geschäfte auch in den 1970er und 1980er Jahren prächtig gediehen mit den Juntas des Südens …

Über jetzige, andere Weltsichten im Gegensatz zur Wertegemeinschaft des freien Westens, die unserem Kanzler beim Besuch ebenfalls offenbart wurden, las ich bei Amerika 21:

Argentiniens Präsident Alberto Fernández hat bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz betont, sein Land werde keine Waffen an die Ukraine liefern. Auf Nachfrage von Journalisten sagte er: „Argentinien und Lateinamerika denken nicht daran, Waffen an die Ukraine oder einen anderen Konfliktherd zu liefern.“ Die Bundesregierung hatte am vergangenen Mittwoch bekanntgegeben, der Ukraine Panzer des Typs Leopard-2 A6 zu übergeben. Fernández erklärte, er habe dem Kanzler seine Sorge und seinen Wunsch nach einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine vorgetragen. Die Feindseligkeiten müssten durch Diplomatie eingedämmt und dem Verlust von Menschenleben ein Ende gesetzt werden, „das ist ein Thema, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen“.

Über die Bemühungen Südamerikas, ein freier Kontinent zu werden, konnte ich anlässlich eines Treffens der Gemeinschaft Celac Folgendes lesen und dabei etwas über eine selbstbewusste Auswahl der Gäste erfahren:

Das Gipfeltreffen der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) ist diese Woche mit einer Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Bei der Zusammenkunft waren das erste Mal Vertreter aller 33 Mitgliedsstaaten anwesend. Lula betont Beitrag der Region zum Aufbau der Multipolarität. Kluft zwischen Rhetorik und Realität der lateinamerikanischen Integration soll überwunden werden. Scharfe Kritik wurde an der Rolle der USA geübt. Als einziger ausländischer Staatschef war der chinesische Präsident Xi Jinping eingeladen, auch das eine unmissverständliche Ansage an Washington.

Zur Abhängigkeit von China, die es zu verringern gilt, erfahre ich bei ARD-Monitor:

In Sachen „umweltfreundlicher Abbau“ wäre ein Artikel meinerseits auf den NachDenkSeiten zum Thema Fracking-Gas wieder mal zu lesen, immerhin ist unser Wirtschaftspartner USA nun zum wichtigsten Lieferanten des energieliefernden Rohstoffs aufgestiegen. Ich schrieb einleitend:

Radiohören informiert und bildet. Manchmal sogar in einem Mainstreamformat. Und lässt dem Zuhörer den Atem stocken, etwa hervorgerufen durch die Sendung „Wirtschaft und Gesellschaft“ im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk (DLF) vom Dienstag. Der DLF berichtet dort Erschütterndes über US-Fracking-Gas, wir Deutschen lassen uns als „Partner” der USA brav mehr und mehr davon teuer anliefern. Was im Beitrag „Retter in der Not – wird US-Fracking-Gas wieder salonfähig?“ an Infos geliefert wurde, machte einem Angst und Bange. In der Kurzreportage wurde offenbar, dass der Kurs der USA und seiner mächtigen und nimmersatten Industrie gefährlich und rücksichtslos ist. Aber auch, dass die in unserem Land beobachteten skandalösen Nichtschlussfolgerungen (eben auch in diesem DLF-Beitrag ganz ohne kritischen Kommentar) die eigentlichen Ursachen unserer aufkommenden Not sind.

Und schließlich wäre noch zu ergänzen, dass nicht alle Völker derzeitige Gegner und Feinde als solche jetzt und für alle Ewigkeit ohne Unterlass verdammen. Das geschieht, weil: Die Welt Frieden braucht.

Argentiniens Präsident Fernandez zu Putins WM-Glückwunsch: Welt braucht Frieden

Argentiniens Staatschef Alberto Fernández hat die Gratulation von Russlands Präsidenten Wladimir Putin zur gewonnenen Fußball-Weltmeisterschaft mit einem Appell zum Frieden angenommen.

„Vielen Dank für diesen Glückwunsch, Präsident Putin“, schrieb Fernández auf Twitter zu dem Telefongespräch. „Auf dass die Freude, die heute Argentinien mit so vielen Völkern der Welt eint, als Beispiel dient: Unsere Gesellschaften brauchen Einheit und Frieden“, hieß es in dem Tweet.

Titelbild: Screencap Bundeskanzler.de


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