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Titel: Das „Manifest für Frieden“ und die (freundlich geförderte) „Gegenpetition“

Datum: 22. Februar 2023 um 12:12 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
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(Aktualisierung 1.3.2023: Change.org hat inzwischen reagiert – die Petition von Wagenknecht und Schwarzer wird nun auch angezeigt, wenn man in der Suchmaske der Petitionsplattform danach sucht.)
Sucht man bei der Petitionsplattform Change.org mit der Suchfunktion nach dem Friedensmanifest von Wagenknecht/Schwarzer, wird dieses nicht gefunden. Stattdessen bekommen die Bürger eine „Gegenpetition“ angeboten. Diese Petition wurde von teils fragwürdigen Akteuren initiiert, aber sie bekommt selbstverständlich eine freundliche mediale Bühne, zusätzlich zur Vorzugsbehandlung auf der Plattform. Gleichzeitig nimmt die Diffamierung von Wagenknecht und Schwarzer immer rohere Züge an. Trotzdem hat die Gegenpetition keine Chance: Die Demo am 25. Februar (14 Uhr, Brandenburger Tor, Berlin) könnte ein Erfolg werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Petitionsplattform Change.org „versteckt“ momentan die Wagenknecht/Schwarzer-Petition: Wenn man in die dortige Suchmaske etwa „Wagenknecht Schwarzer Manifest für Frieden“ eingibt, dann erscheint nicht diese Petition, sondern neben anderem eine „Gegenpetition“ – zumindest war das noch am Mittwoch (Stand 11 Uhr) so. Die Petition von Wagenknecht und Schwarzer taucht zwar als „beworbene Petition“ willkürlich auf der Change.org-Webseite auf, aber die Ungleichbehandlung bei der konkreten Suche ist ein Verstoß gegen die Neutralität und die Fairness im Meinungskampf. Wenn sie nicht über das Feld „beworbene Petition“ stolpern, finden interessierte Bürger die Petition von Schwarzer/Wagenknecht momentan nur, wenn sie einem direkten Link folgen, etwa diesem Link.

Petition und Gegenpetition: 590.000 zu 9.800

Dieses Vorgehen durch Change.org sollte nicht zu sehr überraschen: Die Kultur der Online-Petitionen ist teilweise kritisch zu betrachten, denn teils sind es folgenlose Ventile oder manche Plattformen haben mutmaßlich eigene, fragwürdige Interessen. Diese aktuelle Petition von Schwarzer und Wagenknecht würde ich aber anders einordnen, auch wenn ich nicht jedem Satz der Petition vollständig zustimme: Im giftigen Meinungskampf, bei dem die Befürworter von Kriegsverlängerung und Waffenlieferungen alle großen Kanäle zur Verfügung haben, konnte das Manifest eine beachtliche Wirkung erzielen: Stand Mittwoch 11 Uhr haben über 590.000 Bürger unterzeichnet. Die auch durch den Erfolg des Manifestes entfaltete Stimmung in Teilen der Bevölkerung geht über die Petition hinaus und könnte sich in einer realen Großdemo manifestieren.

Die Gegenpetition hatte zum selben Zeitpunkt (Mittwoch, 11 Uhr) etwa 9.800 Unterstützer – und das trotz der Vorzugsbehandlung durch Change.org. Man kann nur hoffen, dass sich diese eindeutigen Mehrheitsverhältnisse auch am Wochenende auf der Straße niederschlagen.

Diffamierung für Manifest, Förderung für Gegenpetition

Nicht nur die Petitionsplattform unterstützt die Gegenpetition – auch große Medien agieren in die Richtung. Wie aggressiv viele Journalisten momentan gegen Wagenknecht und Schwarzer vorgehen, hat Jens Berger etwa in diesem Artikel beschrieben, seitdem sind noch zahlreiche diffamierende Artikel hinzugekommen. Die Gegenpetition bekommt nun erwartungsgemäß die freundliche mediale Bühne, etwa im „Spiegel“, der folgendermaßen darüber schreibt:

„Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer inszenieren sich als Friedensaktivistinnen. Doch Kritiker fürchten: Ihre Kundgebung könnte zur Kreml-Show und zur Anlaufstelle für Rechte werden. Nun formiert sich eine Gegeninitiative.“

Zusätzlich wird dort zur Friedensdemo am 25.2., 14h, am Brandenburger Tor in Berlin behauptet:

„Seit Tagen wird in rechtsextremen Kanälen für die Teilnahme mobilisiert. Eine klare Abgrenzung nach rechts ist in dem Aufruf von Schwarzer und Wagenknecht nicht vorhanden, was von Rechten offenbar als chiffrierte Einladung verstanden wird.“

Erstunterzeichner Joachim Krause und die „Integrity Initiative“

Zu den Initiatoren der Gegenpetition gehört neben dem CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter auch der Wissenschaftler Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Krause ist mutmaßlich verstrickt in den NATO-Propaganda-Thinktank „Integrity Initiative“ wie Jens Berger etwa in diesem Artikel und in diesem Artikel thematisiert hat. Zum Charakter dieser Initiative heißt es dort:

„Die Rede ist von der ‚Integrity Initiative‘, einem Programm des dubiosen britischen ‚Institute for Statecraft‘; maßgeblich finanziert vom britischen Außenministerium und der NATO, geleitet von Personen aus dem engeren Umfeld der NATO, des britischen Militärs und der britischen Geheimdienste. Offiziell soll es darum gehen, ‚russische Desinformationen‘ zu kontern. Eigentlich – das legen die internen Papiere nahe – geht es jedoch eher darum, die Lufthoheit in der Propagandaschlacht zu behalten und die NATO-Sichtweise zur vorherrschenden Meinung zu machen, um – in den Worten von Piers Robinson – die ‚antirussische außenpolitische Agenda westlicher Regierungen zu promoten‘. Man könnte auch von einem Infokrieg sprechen, dessen Krieger in Denkfabriken, Universitätsinstituten und Redaktionsbüros sitzen.“

„Die Gehirne der Menschen“ werden „mit Verschwörungsfantasien verjaucht“

Mit welcher verrohten Sprache Krause zum Teil agiert, wurde kürzlich bei seiner Diffamierung des Historikers Daniele Ganser deutlich, über den Krause laut Medien sagte:

„‚Herr Ganser ist kein Wissenschaftler. Er ist ein Verdummungsunternehmer, der sein Geld damit verdient, dass er die Gehirne der Menschen mit Verschwörungsfantasien verjaucht’, sagt Prof. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik der CAU Kiel.“

Dieses Zitat ist mit dem Wissen über Krauses eigene mutmaßliche Verstrickung in NATO-Meinungsmache besonders aufreizend. Auch Personen mit einem Hintergrund wie Krause haben nun in der Petition gegen das Friedensmanifest unter anderem diese Behauptungen unterzeichnet:

„Zudem ist es erschreckend, aus der Mitte unserer Gesellschaft zuzusehen, wie dabei die rechts- und linkspopulistischen Pole in Deutschland den Kreis schließen. Wir werden Zeugen davon, wie sie mit dem Furchtgefühl unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger spielen. Furcht ist jedoch kein guter Ratgeber. (…) Wird Putin Erfolg bei seinem Angriff ernten, wird die Büchse der Pandora geöffnet, wird der nächste Krieg auf dem NATO-Territorium wie bereits von Russland angekündigt etwa gegen Moldau, das Baltikum oder gegen Transnistrien und im Weiteren gegen Rumänien geführt werden.“

Lederer (LINKE): „Gegen falsches Verständnis für Putins imperiales Wüten“

Auch von Teilen der LINKEN kommt Gegenwind gegen die wichtige Initiative von Schwarzer/Wagenknecht: Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer hat laut Medien explizit für eine andere Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor aufgerufen: „Gegen falsches Verständnis für Putins imperiales Wüten“, twitterte er dazu.

Die Kundgebung zum Friedensmanifest von Schwarzer und Wagenknecht findet am 25. Februar um 14 Uhr am Brandenburger Tor in Berlin statt.

Aktualisierung 1.3.2023: Change.org hat inzwischen reagiert – die Petition von Wagenknecht und Schwarzer wird nun auch angezeigt, wenn man in der Suchmaske der Petitionsplattform danach sucht.


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