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Titel: Macron in China, Hysterie im Westen

Datum: 20. April 2023 um 13:30 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Europapolitik
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Der erfolgreiche Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in China stabilisiert und stärkt die langjährigen Beziehungen zwischen China und Frankreich. In einem Interview im Anschluss an den Besuch fordert Macron auch eine europäische „strategische Autonomie“. Doch Washington und Brüssel drehen durch. Während Paris pragmatischen Realismus an den Tag legt, bewegen sich die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Vasallen an der Grenze zur Hysterie. Von Clifford A. Kiracofe.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Multipolarität und das Echo von General de Gaulle

Der Held des Zweiten Weltkriegs, Charles de Gaulle, war von 1959 bis 1969 französischer Staatspräsident und ist bekannt für seine unabhängige Außenpolitik. De Gaulle zog Frankreich bekanntlich aus der NATO zurück, weil sie von den USA dominiert war. Unter de Gaulle weigerte sich Frankreich, ein Vasall der Vereinigten Staaten und der Wall Street zu werden.

De Gaulle war ebenfalls bekannt für sein Werben für ein vereintes Europa vom „Atlantik bis zum Ural“, das als unabhängige Macht in der Welt agieren sollte. Seine pragmatische Vision war ein loser Verbund eines „Europa der Nationen“ – im Gegensatz zur Vorstellung eines straff organisierten europäischen Superstaates, der von einer gesichtslosen „Atlantiker“-Bürokratie unter US-Einfluss regiert wurde.

De Gaulle erkannte Beijing 1964 diplomatisch an – zum Entsetzen Washingtons. De Gaulle schaute weit voraus, ähnlich wie US-Präsident Richard Nixon ein Jahrzehnt später mit seiner eigenen Öffnung in Richtung China. Nixon bewunderte de Gaulle. Heute sind die Franzosen ihrer langfristigen Chinapolitik treu geblieben, während die USA die Politik Nixons praktisch rückgängig gemacht haben.

Auf jeden Fall hat Macrons Chinabesuch einen Aufschrei bei den Atlantikern in den USA und Europa hervorgerufen. Er trat in de Gaulles Fußstapfen mit seiner Forderung nach einem vereinten Europa, das unabhängig von Washington handeln und sich auf seine eigenen Interessen konzentrieren sollte statt auf die Interessen der Wall Street und des militärisch-industriellen Komplexes. Als Doktorand im Fach Internationale Beziehungen während der 1970er Jahre erinnere ich mich noch gut an Nixons Öffnung gen China und daran, wie positiv die Amerikaner darauf reagierten. Meine Eltern begrüßten Nixons Politik und hofften auf gute Beziehungen zu einer alten Kultur und zum modernen China. Nixons Realismus und Weitblick rührten sicherlich auch daher, dass er ein Kalifornier war und über den Pazifik nach Westen blickte, hatten aber auch mit seinem Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg auf dem Pazifik zu tun und mit Henry Kissinger, seinem cleveren Berater.

In den späten 1960er Jahren schrieb Kissinger über die „Belastete Partnerschaft“ zwischen den USA und Europa. Mit realistischem Blick sah er die allmähliche Herausbildung einer multipolaren Welt voraus. In einer frühen Phase würden die USA, Europa, Russland, China und Japan die größten Mächte sein. Inzwischen erleben wir natürlich eine weitere Entwicklung mit dem Aufstieg wichtiger mittelgroßer Mächte und Organisationen. Wie kann das einen ernstzunehmenden US-Politiker oder Wissenschaftler überraschen? Der gegenwärtige multipolare Trend wird von China und Russland angeführt. Der Globale Süden, den man auch die „Globale Mehrheit“ nennt, begrüßt diese neue, konstruktive internationale Führung und wendet sich von Washingtons überholtem Kalter-Krieg-Gehabe, Aggression und Kriegen ab.

Frankreich in einer sich wandelnden Welt

Präsident Xi Jinping bemerkte auf seinem jüngsten Staatsbesuch in Russland, dass die Welt so große Veränderungen erlebe, wie es sie seit einem Jahrhundert nicht gegeben habe. Präsident Wladimir Putin sagte, er stimme mit der geopolitischen Bewertung des chinesischen Staatschefs überein, und ihre gemeinsamen Bemühungen, Stabilität, Frieden und Entwicklung zu fördern, zeigten Ergebnisse.

Wie Präsident Xi sagte, verändert sich die Welt derzeit ganz klar und das internationale System durchläuft eine Transformation hin zur Multipolarität. Auch die russische Diplomatie betont die Multipolarität, die Moskau oft als „Polyzentrismus“ bezeichnet. Gleich, welche Begriffe verwendet werden, das internationale System wird offensichtlich pluralistischer. Der Aufstieg Asiens und die unabhängigeren Regionen im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika signalisieren tektonische Verschiebungen im internationalen System.

Die Verschiebung vollzieht sich weg vom früheren US-dominierten, „unipolaren“ System. Die chinesische Diplomatie weist den Weg in Form dramatischer Durchbrüche im Nahen und Mittleren Osten, indem sie Saudi-Arabien und dem Iran geholfen hat, ihre Differenzen beizulegen und neue Beziehungen aufzunehmen. Dies wiederum hat einen Prozess in Gang gesetzt, der den tragischen Krieg im Jemen zu einem Ende bringt. Neue wirtschaftliche Beziehungen entwickeln sich, und die Verwendung lokaler Währungen wie auch des chinesischen Yuan für den internationalen Zahlungsverkehr ist in Gang gekommen. Die Golfstaaten sind in dieser neuen konstruktiven Runde der Diplomatie einbezogen.

Hoffentlich wird dies dabei helfen, die Region zu stabilisieren und zu Frieden und wirtschaftlicher Entwicklung führen. Washingtons Politik des „teile und herrsche“ und der unverhohlenen Kriegsführung verliert an Boden, da die Menschen der Region, wie auch die Menschen in Afrika und Lateinamerika, die US-Führung und ihren aggressiven Militarismus ablehnen. Ähnlich wie viele in Europa wollen die Völker des Nahen und Mittleren Ostens die Tage des US-Militarismus, der Unipolarität und des Diktats hinter sich lassen. Überdies befürchten sie, Washington könne wieder einmal Instabilität und regionale Gewalt provozieren.

Frankreich geht pragmatisch vor

Wie de Gaulle demonstriert Präsident Macron, dass er für eine unabhängige Politik für Frankreich und auch für Europa steht. Angesichts seiner innenpolitischen Schwierigkeiten ist es zeitgemäß und konstruktiv, dass er an die gaullistische Stimmung in Frankreich appelliert, es liegt aber auch im langfristigen nationalen Interesse Frankreichs. Macron stärkt Frankreichs Position als europäische Führungsmacht zu einer Zeit, in der Deutschland taumelt und unter ernsten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen leidet. Der vielleicht wichtigste Aspekt von Macrons Staatsbesuch ist, dass er eine hochrangige Delegation von mehr als 50 französischen Wirtschaftsbossen dabei hatte. Macron sucht sehr geschickt nach neuen Chancen für die französische Wirtschaft und den französischen Handel. Seine Reise führte dazu, dass milliardenschwere Handelsverträge und Investitionen in Planung sind.

Macron bleibt sich treu in seiner Unterstützung einer, wie er es nennt, „strategischen Autonomie“. Als Atommacht trägt Frankreich eine besondere Verantwortung. Frankreich will nicht in einen Krieg über die chinesische Insel Taiwan hineingezerrt werden. Das hat Macron in China und in seinen Interviews und Statements in der Presse sehr deutlich gemacht. Er sagte, Europa sollte sich nicht in Amerikas Torheit im asiatisch-pazifischen Raum hineinziehen lassen. Frankreich hat eigene Interessen in der Region.

Natürlich schwoll nach seinem Besuch die Hysterie in Europa und in den Vereinigten Staaten an. Atlantische Kreise, die die transatlantische Oligarchie und ihre NATO-Kriegsmaschine repräsentieren, verliehen ihrer großen Sorge Ausdruck. Aktuell bildet sich jedoch ein Trend in Europa heraus, der eine Spaltung zwischen kompromisslosen Pro-Washington-Atlantikern und europäischen Pragmatikern beinhaltet. Obwohl diese Entwicklung, wie de Gaulle zeigte, seit Jahrzehnten unvermeidlich ist, fällt sie im Licht der Veränderungen im internationalen System und angesichts der Multipolarität deutlicher aus.

Macrons Ruf nach „strategischer Autonomie” für Europa findet also Widerhall. Die riesigen Demonstrationen in ganz Europa mit hunderttausenden Anti-Ukrainekriegs-Protestierern signalisieren einen Wandel in der öffentlichen Meinung und Stimmung. Die jüngere Generation von Europäern sehnt sich nach Frieden. Ein europaweiter wirtschaftlicher Abschwung, wenn nicht gar eine Krise, bedroht die soziale und politische Stabilität. Nicht wenige hegen den Gedanken, das europäische Vasallentum gegenüber Washington und der Wall Street zu beenden.

Die chinesisch-französischen Beziehungen weisen in die Zukunft

Macrons erfolgreicher Staatsbesuch unterstreicht nicht nur Frankreichs wichtige internationale Rolle, sondern auch Chinas Wunsch, die bilateralen Beziehungen, aber auch die Beziehungen zur Europäischen Union zu stabilisieren und zu stärken. Die chinesische Führung sieht die sich verändernde internationale Situation realistisch und ist so weise, konstruktive Kooperation mit willigen Partnern anzustreben, die Chancen zum gegenseitigen Nutzen begrüßen.

Die Vereinigten Staaten, die viele nun im Niedergang begriffen sehen, müssen ihren Kurs radikal ändern und sich wieder aus der Sackgasse herausmanövrieren, in die sie gesteuert sind. Die erschreckend inkompetente US-Führung, insbesondere unter den Präsidenten George W. Bush, Donald Trump und Joe Biden, hat die langfristigen US-amerikanischen nationalen Interessen untergraben. Die USA mit ihrem erbarmungslosen, aggressiven Militarismus, ihren endlosen Kriegen und ihrer drangsalierenden Außenpolitik sind aus dem Takt geraten in einer Welt, die nach Frieden und neuer konstruktiver Führung sucht. Washington muss seine Politik grundlegend ändern, sonst steht Amerika unerwünscht, alleine und isoliert da. Eine „schmerzliche Neubewertung“ der amerikanischen Außenpolitik tut heute eindeutig not.

Übersetzt aus dem Englischen von Susanne Hofmann.

Titelbild: shutterstock / Alexandros Michailidis


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