Abschaffung von Sanktionen als Mittel des Wirtschaftskrieges: Krachende Abstimmungsniederlage für USA und EU im UN-Menschenrechtsrat

Abschaffung von Sanktionen als Mittel des Wirtschaftskrieges: Krachende Abstimmungsniederlage für USA und EU im UN-Menschenrechtsrat

Abschaffung von Sanktionen als Mittel des Wirtschaftskrieges: Krachende Abstimmungsniederlage für USA und EU im UN-Menschenrechtsrat

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 3. April stimmte der UN-Menschenrechtsrat mit überwältigender Mehrheit für eine von der Bewegung der Blockfreien Staaten eingebrachte Resolution, die die Abschaffung von einseitigen Wirtschaftssanktionen, wie sie vornehmlich die USA und die EU anwenden, fordert. Diese „einseitigen Zwangsmaßnahmen“ verstießen gegen die UN-Charta und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten. Lediglich die USA, Großbritannien, die EU-Mitgliedsstaaten sowie Montenegro, Georgien und die Ukraine stimmten gegen die Resolution. Alle Vertreter afrikanischer, asiatischer und lateinamerikanischer Staaten stimmten, bei einer Enthaltung, dafür. Das Abstimmungsergebnis zeigt exemplarisch auf, was der Rest der Welt von dem westlichen Sanktionsregime und dessen fatalen Auswirkungen unter anderem auf Ernährungssicherheit und medizinische Versorgung hält. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Resolution mit dem Dokumentennamen A/HRC/52/L.18 und dem Titel „Die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf die Wahrung der Menschenrechte“ fordert alle Staaten auf, „keine einseitigen Zwangsmaßnahmen mehr zu ergreifen, beizubehalten, durchzuführen oder einzuhalten”, da diese „gegen die Charta der Vereinten Nationen und die Normen und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten verstoßen”.

Zudem zeigen sich die Verfasser „alarmiert über die unverhältnismäßigen und unterschiedslosen menschlichen Kosten einseitiger Sanktionen und ihre negativen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf Frauen und Kinder, in den Zielstaaten“ sowie „zutiefst beunruhigt über die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf das Recht auf Leben, das Recht eines Jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit und medizinischer Versorgung, das Recht auf Freiheit von Hunger und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, auf Nahrung, Bildung, Arbeit und Wohnung sowie das Recht auf Entwicklung und das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt.“

Die Resolution fügte hinzu, dass Sanktionen zu „schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte der betroffenen Bevölkerungsgruppen“ führen, mit „besonderen Folgen für (…) ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen“.

Weiter heißt es in dem mit großer Mehrheit angenommenen Resolutionstext:

„(Wir) verurteilen aufs Schärfste die fortgesetzte einseitige Anwendung und Durchsetzung solcher Maßnahmen durch bestimmte Mächte als Druckmittel, einschließlich politischen und wirtschaftlichen Drucks, gegen jedes Land, insbesondere gegen die am wenigsten entwickelten Länder und die Entwicklungsländer, mit dem Ziel, diese Länder daran zu hindern, ihr Recht auszuüben, aus freien Stücken über ihr eigenes politisches, wirtschaftliches und soziales System zu entscheiden.“

Dies lässt sich als für UN-Verhältnisse sehr klare Anspielung auf die einseitigen Sanktionen Washingtons und teilweise Brüssels gegen Kuba, Venezuela, Iran und Syrien verstehen, die explizit auf einen Regime Change in diesen Ländern abzielen und die in ihrer Form nachweislich gegen das Völkerrecht verstoßen. Im Falle der US-Sanktionen gegen Kuba räumt dies sogar die Bundesregierung offen ein.

Die Resolution wurde von Aserbaidschan im Namen der Bewegung der Blockfreien Staaten (die Bewegung vertritt 120 Staaten) eingereicht.

Mitglieder (dunkelblau) und Beobachter (hellblau) der Bewegung der Blockfreien Staaten:

Quelle: Von Ichwan Palongengi – mnoal.org/nam-members/, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6128121

Das Abstimmungsergebnis veranschaulicht eindringlich, wie bei Abstimmungen in den Vereinten Nationen der Westen mit seiner Haltung regelmäßig gegen den Rest der Welt steht:

Für die Abschaffung von einseitigen Sanktionen stimmten 33 UN-Mitgliedsstaaten:

  • Algerien
  • Argentinien
  • Bangladesch
  • Benin
  • Bolivien
  • Chile
  • China
  • Costa Rica
  • Elfenbeinküste
  • Eritrea
  • Gabun
  • Gambia
  • Honduras
  • Indien
  • Kamerun
  • Katar
  • Kasachstan
  • Kirgisistan
  • Kuba
  • Malawi
  • Malaysia
  • Malediven
  • Marokko
  • Nepal
  • Pakistan
  • Paraguay
  • Senegal
  • Somalia
  • Südafrika
  • Sudan
  • Usbekistan
  • Vereinigte Arabische Emirate
  • Vietnam

Dagegen stimmten 13 Staaten:

  • Belgien
  • Deutschland
  • Finnland
  • Frankreich
  • Georgien
  • Litauen
  • Luxemburg
  • Montenegro
  • Rumänien
  • Tschechien
  • Ukraine
  • Vereinigtes Königreich
  • Vereinigte Staaten

Enthaltungen:

  • Mexiko

Die Verhängung einseitiger Sanktionen durch den Westen, insbesondere durch die USA, ist in den letzten Jahrzehnten sprunghaft angestiegen:

Einem Bericht des US-Finanzministeriums zufolge wurden Ende des Jahres 2021 insgesamt 9.421 Institutionen und Einzelpersonen zahlreicher Staaten von der US-Regierung mit Sanktionen belegt, was einem Anstieg von 933 Prozent seit dem Jahr 2000 entspricht:

Quelle: U.S. Department of Treasury, The Treasury 2021 Sanctions Review

Dies sind wohlgemerkt noch Zahlen vor der Verhängung der diversen Sanktionspakete im Rahmen des Wirtschaftskrieges gegen die Russische Föderation ab Februar 2022, die nochmal einem ganz neuen Niveau entsprechen. Bei seiner Rede Ende März 2023 in Polen erklärte US-Präsident Joe Biden diesbezüglich ganz offen den wirtschaftskriegerischen Ansatz der Sanktionen:

„Diese Wirtschaftssanktionen sind eine neue Art wirtschaftlicher Staatskunst, die Schaden anrichten kann, der es mit militärischer Macht aufnehmen kann.“

Die anhaltende Wirkkraft insbesondere von US-Sanktionen, zumindest in Bezug auf Entwicklungs- und Schwellenländer und deren Einwohner, ergibt sich aus der noch bestehenden Allgegenwart des US-Dollars. Es ist nach wie vor die mit Abstand am häufigsten verwendete Währung für weltweite Handels- und Finanztransaktionen, an denen auch fast immer in der einen oder anderen Form eine US-Bank beteiligt ist. Die US-Kapitalmärkte sind ebenso noch immer die umfangreichsten der Welt, und US-Staatsanleihen fungieren unverändert als „Backstop“ (Absicherung) für das globale Finanzsystem. So ist es zum Beispiel für sanktionierte Länder wie Syrien oder auch Kuba fast unmöglich, Medikamente auf dem internationalen Markt zu erwerben. Zum einen, weil durch die finanzielle Sanktionierung etwa der Zentralbanken diese Medizin-Produkte gar nicht erworben werden können, selbst wenn diese offiziell gar nicht sanktioniert sind (Syrien), oder weil zum Beispiel Kuba laut (völkerrechtswidriger) US-Sanktionsverordnung keinerlei Waren erwerben darf, die einen mindestens zehnprozentigen Anteil an US-Patenten haben. Es gibt aber derzeit fast kein einziges medizinisches Produkt, welches nicht zumindest diesen Anteil an US-Patenten hat. Die USA dominieren dieses Feld fast komplett:

Laut dem US-Historiker Nicholas Mulder hat derzeit ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung unter US-Sanktionen zu leiden. Vorliegende Karte (Stand 2022) zeigt alle Länder auf, die derzeit in unterschiedlicher Intensität von den USA (grün) sanktioniert sind:

Quelle: geopoliticaleconomy.com/2023/04/06/west-sanctions-un-human-rights-council/

Mulder sieht zudem das Problem, dass sich USA und EU komplett in ihrem Sanktionsansatz verrannt haben:

„Das Paradoxe an Sanktionen ist, dass ihre wirksame Anwendung von einem glaubwürdigen Versprechen abhängt, sie aufzuheben. Sie müssen sich verpflichten, die Beschränkungen aufzuheben, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Im Moment stecken viele westliche Regierungen in einem Steigerungsproblem fest, bei dem sie nur den wirtschaftlichen Druck erhöhen, aber niemals die Beschränkungen aufheben können. Dies macht nicht nur das gesamte demokratische Verhaltensmodell für Sanktionen zunichte, sondern führt auch dazu, dass jede neue Sanktion immer weniger Aussicht auf Erfolg hat.“

Titelbild: Screenshot

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