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Titel: Shadow Banning – Facebook lässt die NachDenkSeiten verschwinden

Datum: 25. April 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
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In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden von Facebook-Nutzern, die sich darüber wundern, dass Artikel der NachDenkSeiten in ihrem Feed nur noch selten oder gar nicht angezeigt werden. Als Macher ist man da leider meist ratlos. Auch wir können derartige Vorkommnisse nicht erklären und kriegen von Facebook keine Informationen, die den subjektiven Eindruck unserer Leser bestätigen oder widerlegen könnten. Unsere internen Zahlen zeigen jedoch: Es handelt sich hier nicht um Einzelfälle. Während unsere Internetseite in den letzten Jahren kontinuierlich Leser gewinnt, sinkt die erzielte Reichweite auf Facebook ebenso kontinuierlich. Dafür gibt es nur eine logische Erklärung: Facebooks Algorithmen diskriminieren Inhalte der NachDenkSeiten und wir dürften nicht die einzigen Opfer dieses „Shadow Bannings“ sein, das einen eklatanten Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit darstellt. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Vor zwei Jahren stellten wir das erste Mal fest, dass einzelne Beiträge der NachDenkSeiten auf mysteriöse Art und Weise auf Facebook in der Versenkung verschwanden. Ein klar erkennbares Muster konnten wir damals nicht erkennen. Fakt ist jedoch, dass seit 2021 Beiträge der NachDenkSeiten aus rational nicht erklärbaren Gründen bei Facebook eine deutlich niedrigere Reichweite erzielten.

Um dies einmal in Zahlen zu fassen: Vor 2021 hatten redaktionelle Artikel der NachDenkSeiten auf Facebook im Normalfall eine Reichweite von 10.000 bis 30.000. Einzelne Ausreißer kamen auf bis zu 300.000 und mehr. Das heißt, dass der entsprechende Artikel in den Feeds von 10.000 bis zu 300.000 Facebook-Nutzern angezeigt wurde. Ab dem Frühjahr 2021 wurden jedoch einzelne Artikel vom Algorithmus deutlich weniger Nutzern angezeigt. Diese Artikel kamen dann ohne erkennbaren Grund nur noch auf eine Reichweite von rund 2.000 Nutzern.

Der Einbruch der Nutzerzahlen bei einzelnen Artikeln von 2021 ist heute der Normalfall und bei nahezu allen Artikeln der NachDenkSeiten zu beobachten. Laut Facebook-Statistik lag der Median der Reichweite unserer redaktionellen Artikel in den letzten 90 Tagen bei 3.818. Nur zwei redaktionelle Beiträge (Die TV-Kritik zu „Der Schwarm“ und unser Aprilscherz ) konnten überhaupt eine Reichweite von mehr als 10.000 erzielen. Dieser Einbruch der Reichweite ist schon bemerkenswert.

Nun könnte man natürlich vermuten, dass redaktionelle Artikel der NachDenkSeiten heute nicht mehr so beliebt sind wie früher. Diese Erklärung scheidet jedoch aus zweierlei Gründen aus.

Zum einen hat sich die Zahl der Leser der NachDenkSeiten im gleichen Zeitraum deutlich gesteigert. Kamen die NachDenkSeiten im März 2021 auf insgesamt rund vier Millionen Besucher pro Monat[*], waren es im März 2023 mehr als 6,3 Millionen Besucher pro Monat – eine Steigerung von mehr als 50 Prozent. Warum sollten unsere Artikel im gleichen Zeitraum auf unserer eigenen Internetseite deutlich häufiger abgerufen und gleichzeitig bei Facebook immer weniger abgerufen werden?

Reichweitenstatistik Frühjahr 2023

Reichweitenstatistik Frühjahr 2022

Zum anderen ist die Zahl der Facebook-Abonnenten und Nutzer, die unserer Seite auf Facebook folgen, im genannten Zeitraum konstant geblieben. Daher scheidet auch die Erklärung aus, dass nur Facebook-Nutzer – anders als der Rest unserer Leserschaft – uns den Rücken kehren.

Die Facebook-Reichweite entsteht durch zwei Faktoren: Einerseits Abonnenten und Nutzer, die unserer Seite folgen, die neue Beiträge vom Facebook-Algorithmus in ihrem Feed angezeigt bekommen, und andererseits Nutzer, denen von anderen Nutzern geteilte Inhalte von uns in ihrem Feed angezeigt bekommen. Nun haben die NachDenkSeiten rund 100.000 Abonnenten bei Facebook. Wenn ein normaler redaktioneller Beitrag im Median nur eine Reichweite von 3.800 hat, heißt dies, dass nur rund jedem dreißigsten Abonnenten der entsprechende Inhalt angezeigt wurde – und wenn man die geteilten Beiträge berücksichtigt, ist die Zahl der Abonnenten, die auch angezeigt bekommen, was sie abonniert haben, sogar nochmals deutlich geringer.

Exakt dieses Problem wird uns immer häufiger in Rückmeldungen unserer Nutzer mitgeteilt. Unsere Inhalte verschwinden auf Facebook. Wobei „Verschwinden“ nicht der richtige Begriff ist. Die Beiträge sind noch im Netzwerk vorhanden und man erreicht sie, wenn man sie direkt aufruft. Wie von Geisterhand werden sie jedoch Nutzern von Facebook nicht mehr in ihrem Feed angezeigt. Offenbar handelt es sich um eine subtile Form des „Shadow-Bannings“, bei dem der Blockierte nicht merkt, dass er blockiert wird. Die Abrufstatistiken der einzelnen Beiträge auf Facebook zeigen klar, dass dies nicht nur der subjektive Eindruck einzelner Leser ist. Die Inhalte der NachDenkSeiten werden von Facebook mittlerweile systematisch unterdrückt.

Seit vielen Jahren sind die Beiträge der NachDenkSeiten auch auf unserer Facebook-Seite zu finden. Unsere Beiträge werden auf Facebook häufig geteilt und über dieses Medium finden auch zahlreiche neue Stammleser zu uns. Daher ist es für uns sehr ärgerlich, wenn einzelne Beiträge ohne einen erkennbaren Grund auf Facebook „verschwinden“.

Noch ärgerlicher ist es, dass wir diesem Problem genauso ratlos gegenüberstehen wie unsere Leser. Dass der Facebook-Algorithmus Inhalte sortiert und bestimmte Inhalte diskriminiert, liegt in der Natur der Sache. Das ist kein „Bug“, sondern ein „Feature“. Facebook verdient Geld mit Werbeanzeigen. Je länger Nutzer sich auf der Plattform aufhalten, desto mehr Geld verdient man. Daher ist der Algorithmus eigentlich darauf optimiert, den Nutzern die Inhalte zu zeigen, die sie interessieren und idealerweise teilen und diskutieren – mit denen die Nutzer selbst also noch mehr Klicks und Werbeverkäufe generieren.

Woran liegt es also, dass Inhalte der NachDenkSeiten vom Algorithmus diskriminiert werden? Bilden kritische politische Inhalte ein schlechtes Werbeumfeld? Lässt sich mit Jux und Katzenbildern besser Geld verdienen? Oder liegt hier gar eine politische Zensur vor? Erfahren werden wir das nie, da die Algorithmen Betriebsgeheimnisse und nicht offen einsehbar sind.

Eine derartige systematische Diskriminierung stellt einen eklatanten Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit dar. Auch wenn Plattformen wie Facebook keine Informationsangebote, sondern renditeorientierte Vermarkter von Werbung sind, so haben sie aufgrund ihrer Monopolstellung eine gewisse Verantwortung. Dieser Verantwortung werden sie nicht gerecht und diejenigen, mit deren Inhalten Facebook Geld verdient, haben nicht nur kein Mitspracherecht, sondern dürfen sogar noch „dankbar“ dafür sein, dass sie dem Konzern überhaupt Werbeeinnahmen generieren „dürfen“. Verrückte Welt.

Den – vollkommen zu Recht – erbosten Freunden der NachDenkSeiten auf Facebook können wir leider kein sinnvolles Angebot machen. Wir sind da machtlos und juristisch ist das Handeln von Facebook wohl ohnehin legitim, behält sich der Konzern in seinen ellenlangen AGBs doch das Recht vor, Inhalte ohne Nennung der Gründe zu diskriminieren.

Die NachDenkSeiten sind zum Glück eine unabhängige Website. Was auf unseren Servern erscheint, entscheiden nur wir. Dennoch nutzen wir auch „soziale“ Netzwerke wie Facebook, YouTube, Twitter, Telegram oder Contentplattformen wie iTunes oder Spotify, um unseren Lesern ein breites Angebot zu unterbreiten und neue Leser zu gewinnen. Wir haben jedoch keinen Einfluss auf diese Plattformen, deren „Content-Politik“, Algorithmen und möglichen Zensur- und Diskriminierungsmaßnahmen; das sollte jedem Nutzer klar sein.

Unser einziger „Tipp“ kann daher lauten: Rufen Sie regelmäßig unsere Seite auf, um sich über neue interessante Inhalte zu informieren. Nur so verpassen Sie nichts. Wir arbeiten übrigens gerade mit Hochdruck an einem eigenen Newsletter, mit dem wir Sie – ohne Dienstleister oder Plattformen, auf die wir keinen Einfluss haben – über unsere Inhalte informieren wollen. Mehr dazu in den nächsten Tagen.


[«1] Diese Zahl beschreibt unsere Serverstatistik – Leser, die Cookies u.a. nicht zulassen, werden dabei genau so wenig gemessen wie Leser, die die Seite aus dem Cache ihres Providers ausgeliefert bekommen, was besonders bei Smartphone-Abrufen häufig vorkommt.


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