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Titel: Frankreich: Rentenalter heraufsetzen „alternativlos“, weil unbezahlbar – Rüstungsausgaben um 30 Prozent steigern, dafür ist Geld vorhanden

Datum: 26. Mai 2023 um 8:41 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Finanzpolitik, Länderberichte, Sozialstaat
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Ja, es gibt sie noch, Franzosen, die über Entscheidungen ihres Präsidenten jubeln: Militärs, an der Rüstung verdienendes Großbürgertum, ihre Gefolgschaften, die großen Medien, alle tatsächlichen Profiteure einer irrsinnigen Entwicklung, die derzeit nicht allein nur in Frankreich ihren schier nicht aufzuhaltenden Lauf nimmt. Was Wunder, dass deren Freude groß ist, plant die französische Regierung doch eine exorbitante Steigerung der Ausgaben für den „Verteidigungshaushalt“. Dass dieselbe Regierung noch vor Kurzem die klammen Kassen beklagte, was angeblich unmöglich machte, ohne Kürzungen und Erhöhung des Renteneintrittsalters auszukommen, um so die Kosten für die Altersversorgung der vielen Franzosen zu stemmen, ist der blanke Hohn. Die Maske wird heruntergerissen, für hohe Rüstungsausgaben ist Geld da – in Frankreich wie in Europa. Und die Zivilgesellschaft wird weiter zurückgedrängt und bekämpft. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Atemloser Wahnsinn

Wer bei diesem Handeln der französischen Regierung voller Boshaftigkeit, bei solch kalter medialer Verbreitung (hier die FAZ) der Begründung für kriegerisches Treiben noch still auf seinem Sofa sitzen bleiben kann, der muss entweder davon profitieren oder zumindest daran glauben (das nach eindringlicher geistiger Manipulation), ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Letzteren, die schon so verblödet und manipuliert sein müssen, dass sie der groß aufgezogenen Fahne der Ehre, der Treue, des Patriotismus hinterhermarschieren, will man nicht wünschen, dass sie dereinst ein etwaiger Marschbefehl an die Front erreicht. Traurig und beängstigend ist nur, dass bei manchen dieser Menschen der Kampfauftrag Jubel auslösen würde. Gejubelt wird schon, siehe FAZ:

„Der französische Verteidigungsminister legt einen Rekord-Haushalt vor. Die Streitkräfte sollen umgebaut werden. Mehr Geld ist für den „Informationskampf“ vorgesehen. Der französische Präsident Emmanuel Macron musste keine „Zeitenwende“ verkünden wie Bundeskanzler Olaf Scholz. Dennoch zeigt der Verteidigungshaushalt, den Verteidigungsminister Sébastien Lecornu am Montagnachmittag in der Nationalversammlung vorstellen will, dass auch in Frankreich die Friedensdividende Geschichte ist. Mit der geplanten Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 30 Prozent trägt Macron als Chef der Streitkräfte dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Rechnung. Die auf sieben Jahre angelegte Verteidigungsplanung sieht Gesamtausgaben von 413 Milliarden Euro vor. In der Armee wird bereits über einen Rekord-Haushalt gejubelt.“

Da ist also, laut FAZ (Bemerkung d. A.: auch so eine besondere Truppe von Sofasitzern) die „Friedensdividende“ in Frankreich wie bei uns in Deutschland Geschichte. Wie soll die Geschichte denn nach Auffassung der Frankfurter Schreiber weitergehen? Die Antwort ist europaweit schlimmerweise zu beobachten: Militarisierung des Lebens, der Gesellschaft, Jubel an den Börsen. Unternehmen wie Rheinmetall erleben seit Monaten enorme Kurssprünge bei ihren Aktien, die ebensolche hohen Freudensprünge bei den Aktionären auslösen. Lapidare Kommentare hört man im staatlichen Rundfunk schon mal vom Frankfurter Börsenparkett à la „das ist halt so in Kriegszeiten“. Wie die Franzosen, so die Deutschen, und auch die Tschechen drehen durch – also die Eliten. In Tschechien wird die Armee fit gemacht (Bemerkung d. A.: Wer oder wo ist der Feind für dieses Zehn-Millionen-Volk?), wird vonseiten des neuen Präsidenten Petr Pavel getönt. Und folgerichtig gibt es schon mal einen festlichen Tag der Armee in einer der großen schicken Einkaufsmalls der Hauptstadt Prag, bei dem für Rekruten, für eine attraktive Ausbildung und für eine grandiose Karriere in Uniform geworben wird. Friedensdividende? Das war einmal. Bei uns in Deutschland werden durch die Bundeswehr eifrig knallige Poster plakatiert, die verkünden, dass wir wieder (!) Stärke zeigen müssen. Das löst Begeisterung aus. Eine Bundeswehr-Show in Erfurt, welche als ein Tag für die ganze Familie auf dem Markt unmittelbar des Domes durch die Presse angepriesen wird, hat noch was Besonderes zu bieten: Der absolute Hingucker (O-Ton Presse): ein Leopard-Panzer. Liebevoll „Leo“ genannt.

Dem Krieg Rechnung tragen – durch Aufrüstung?

Zurück zur FAZ: Mit der Erhöhung der Ausgaben trägt der Präsident dem Krieg in der Ukraine Rechnung, heißt es in dem Blatt. Der Gedanke drängt sich auf, dass an einem Ende des Krieges gewissen Leuten nicht gelegen sein kann. Das Ende würde ja Aufrüstungen nicht notwendig machen, einem Waffenstillstand, einem Niederlegen der Waffen, einem Nichtproduzieren und nicht In-Stellung-Bringen von Panzern und Kampfjets würde ja ein Frieden folgen, oder nicht?

Stattdessen kriegerisch gierig bis in die Zivilgesellschaft hinein

In Frankreich werden Nägel mit Köpfen gemacht, wird richtig zugelangt. In ein Land, welches einen wunderbaren Slogan an allen wichtigen Gebäuden zeigt: „Liberté, égalité, fraternité“ – auf Deutsch Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, kehrt der Absolutismus zurück. Man erinnere sich, der besagte Leitspruch der Französischen Revolution von 1789 stammt aus einer Epoche, in der das Volk aufbegehrte, weil der Herrscher und sein Gefolge, sein repressiver Apparat die Menschen peinigten, verarmen, allein ließen. Die begehrten dagegen aber auf…

Was kümmert Macron und seine Macroniten das 2023? Sie fegen mit ihren eisernen Besen der Gier, der Machttrunkenheit durch die Republik, sie verweigern den Menschen ihre Rechte und treiben sie mittels ihrer gewalttätigen Polizei vor sich her. Ein Beispiel aus der Provinz:

Ein Streik in Nordfrankreich ist derzeit Sinnbild der Präsidentschaft Emmanuel Macrons und der politischen und staatlichen Gewalt gegen Gewerkschaften und soziale Bewegungen. So streiken beim Versandhändler von Kindermode Vertaubet seit über zwei Monaten die Beschäftigten für eine Erhöhung der Löhne. Der Streik wird hauptsächlich von Frauen getragen, die trotz teilweise jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit kaum mehr als den Mindestlohn erhalten. Angebote der Unternehmensführung, einmalige Prämien auszuzahlen, lehnte die CGT, die organisatorisch hinter den Streikaktionen steht, ab.

Eine illegale Repressionswelle der Unternehmensleitung begann. Erst wurden die Streikenden ohne jede arbeitsrechtliche Legitimation durch Leiharbeiter*innen ersetzt. In der Folge kam es zu willkürlichen Verhaftungen von Streikenden und sogar brutalen Übergriffen gegen die Streikposten, bei der auch keine Rücksicht auf Frauen genommen wurde. Ohne jede richterliche Anordnung hatten sich der lokale Präfekt, das Management von Vertaubet und der lokale Bürgermeister im Stillen auf ein hartes Eingreifen verständigt. Noch am gleichen Abend gab es den nächsten brutalen Übergriff durch Vertreter des Staates, als ein CGT-Betriebsrat vor seiner Haustür von Zivilpolizisten entführt, verprügelt, mit Tränengas traktiert und rassistisch beleidigt wurde.

All dies passiert mit Zustimmung der „Macroniten“, deren lokale Abgeordnete von „linksradikalen Elementen“ (also LFI und CGT) spricht, welche die Arbeiter*innen aufhetzte und die natürlich zum Schweigen gebracht werden müssen. Während Macron also die Milliardäre streichelt und ihnen exorbitante Steuergeschenke und Extraprofite verspricht, sollen die französischen Arbeiter*innen weiter mit sinkenden Löhnen und prekären Arbeitsverhältnissen dahinvegetieren. (Politologe Sebastian Chwala, Frankreichkenner)

Der König, der Herrscher – er und seine elitären Gäste genießen das Ambiente von Versailles

Die Bilder aus einem Schloss haben eine enorme, sehr bedrohliche Kraft, ihre Symbolik signalisiert dem Volk, was das Volk für die Protagonisten auf den Fotos ist: Pöbel. Im Schloss von Versailles sitzt Emmanuelle Macron, der Präsident, mit wichtigen, mächtigen Vertretern großer nationaler und internationaler Konzerne zusammen. Frankreich gilt als zunehmend attraktiver Standort für Investoren. Die Bedingungen für diese werden besser und besser, die Lage der Arbeitnehmer verschlechtert sich. Wer aufmuckt…

Titelbild: Frederic Legrand – COMEO/shutterstock.com

Quellen:


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