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Titel: Laut US-Geheimdiensten baute Iran nicht an einer Atombombe und widersprechen damit Kanzler Merz

Datum: 20. Juni 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Bundesregierung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege
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Die Direktorin des Zusammenschlusses aller US-Geheimdienste (DNI), Tulsi Gabbard, hatte bei einer Anhörung im US-Senat am 25. März dieses Jahres öffentlich erklärt, dass laut übereinstimmender Einschätzung aller 18 US-Geheimdienste Iran nicht an einer Atombombe baue. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, über welche alternativen Informationen, die der Bewertung der US-Geheimdienste widersprechen, Kanzler Merz und sein Außenminister Wadephul verfügen. Denn beide hatten den Angriffskrieg Israels gegen den Iran als Präventivangriff mit Verweis auf die angeblich immanente Gefahr der Fertigstellung einer solchen Bombe gerechtfertigt. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Am 25. März 2025 erklärte Tulsi Gabbard in ihrer Funktion als „Director of National Intelligence“ (Direktorin aller 18 nationalen US-Nachrichtendienste) im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im US-Senat zum Thema Iran:

„Die IC (Intelligence Community – Zusammenschluss aller US-Geheimdienste) geht weiterhin davon aus, dass der Iran keine Atomwaffen baut und dass der Oberste Führer Khamanei das Atomwaffenprogramm, das er 2003 ausgesetzt hat, nicht genehmigt hat.

Die Geheimdienste beobachten, ob Teheran beschließt, sein Atomwaffenprogramm wieder zu genehmigen/wieder aufzunehmen.“

Diese Einschätzung aller US-Geheimdienste, getroffen wenige Wochen vor dem Angriffskrieg Israels gegen den Iran, widerspricht fundamental der israelischen Begründung für den Kriegsbeginn. Denn die offizielle Rechtfertigung Israels lautet, Iran hätte kurz davor gestanden, eine Atom-Bombe zu produzieren, und Tel Aviv sei folglich gezwungen gewesen, mittels eines Präventivkrieges dies zu verhindern. Dieser Argumentation schlossen sich völlig unhinterfragt sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz und dessen Parteikollege und Außenminister Johann Walter David Rudolf Wadephul als auch SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius an.

Israel, so führte etwa Wadephul nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen den Iran gegenüber dem ZDF am 13. Juni aus, hätte „jedes Recht“, sich zu verteidigen. Denn der Iran lege es laut dem deutschen Außenminister darauf an, den Staat Israel zu vernichten, und dürfe auf keinen Fall in den Besitz von Atomwaffen kommen. Die Bundesregierung werde Israel in seinem Recht auf Selbstverteidigung weiter „solidarisch begleiten“.

Verteidigungsminister Pistorius erklärte wiederum gegenüber der ARD am 15. Juni mit Verweis auf „das Nuklearprogramm der Iraner“:

„Israelis hat jedes Recht sich zu verteidigen – auch präemptiv!“

Kanzler Merz wiederum stellte diese schon extrem einseitigen Einschätzungen seiner Kabinettskollegen in den Schatten, indem er unter anderem gegenüber dem ZDF zum völkerrechtswidrigen „Präventivkrieg“ der Israelis erklärte:

„Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht, für uns alle. Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen. Andernfalls hätten wir sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen – und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand.“

Dass diese Äußerungen und Behauptungen im direkten Widerspruch zu den kommunizierten Erkenntnissen der US-Geheimdienste stehen – scheint in dem Fall keine Auswirkungen auf die Bewertung des deutschen Kanzlers und seiner Minister zu haben. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wie wichtig sonst die Äußerungen und Erkenntnisse der entsprechenden Partnerdienste aus Übersee, etwa im Falle der Ukraine, genommen werden.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2025

Frage Warweg

Die Direktorin des Zusammenschlusses aller US-Geheimdienste, Tulsi Gabbard, erklärte bei der Senatsanhörung am 25. März dieses Jahres, laut übereinstimmender Einschätzung aller 18 US-Geheimdienste baue Iran nicht an einer Atombombe. Wenn die US-Geheimdienste Ende März geschlossen davon ausgegangen sind, dass der Iran keine Atombombe baue, aber sowohl der Außenminister als auch der Kanzler die Angriffe Israels als Präventivangriffe gerechtfertigt haben, würde mich interessieren, welche alternativen Informationen dem deutschen Außenminister und dem Kanzler denn vorliegen, die dieser Einschätzung der US-amerikanischen Seite widersprechen.

Wagner (AA)

Herr Warweg, wir machen uns die Prämissen, die Sie in Ihrer Frage aufwerfen, ausdrücklich nicht zu eigen. Aber lassen Sie mich vielleicht einmal festhalten, dass der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation, der IAEO, am 31. Mai sehr deutlich festgehalten hat, dass Iran seine Verpflichtungen aus dem Safeguards-Abkommen nachweislich nicht einhält. Ich denke, das ist die Grundlage, auf der wir das iranische Atomprogramm beurteilen.

Zusatz Warweg

Das war aber, ehrlich gesagt, keine Antwort auf meine Frage. Ich hatte gesagt, die US-Geheimdienste seien vor anderthalb Monaten zu dem Schluss gekommen, es werde keine Atombombe gebaut. Mit der Argumentation, es bestehe die imminente Gefahr einer iranischen Atombombe, hat Israel den Iran angegriffen und haben sowohl der Kanzler als auch der Außenminister diese Angriffe verteidigt. Die US-Geheimdienste sagen: Nein, das war nicht in Planung. ‑ Dann müssen der Kanzler und auch der Außenminister, wenn sie das so verteidigen, ja andere Informationen haben. Auch die von Ihnen angesprochene internationale Atomenergiebehörde hat von Unregelmäßigkeiten in der Berichterstattung gesprochen, aber mitnichten davon, dass der Iran kurz vor einer Atombombe gestanden habe.

Wagner (AA)

Herr Warweg, ich habe ausdrücklich gesagt, dass wir uns die Prämisse Ihrer Frage nicht zu eigen machen.

Zusatzfrage Warweg

Welche Prämisse?

Wagner (AA)

Die Prämisse, die Sie in Ihrer Frage eben länglich dargelegt haben. ‑ Ich habe gesagt, die kompetente internationale Behörde, nämlich die internationale Atomenergiebehörde, hat in einer jüngsten Entschließung sehr klar festgehalten, dass sich der Iran nicht an seine Verpflichtungen in Sachen des Atomprogramms hält.

Zuruf Warweg

(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Vorsitzende Buschow

Jetzt bekommt erst einmal der nächste Fragesteller das Wort, Herr Warweg. Die Liste ist nämlich tatsächlich lang.

Zuruf Warweg

Entschuldigung, aber wenn ich zwei anspreche, und nur einer antwortet …

Vize-Regierungssprecher Hille

Herr Warweg, wir alle sitzen hier für die Bundesregierung. Alle Kolleginnen und Kollegen, die hier oben sitzen, sitzen hier für die Bundesregierung. Ich habe dem, was der Kollege Wagner gerade ausgeführt hat, nichts hinzuzufügen.

Zuruf Warweg

Das heißt, Herr Wadephul spricht jetzt auch für den Kanzler?

Vorsitzende Buschow

Herr Warweg, ich nehme Sie wieder auf die Liste. Geben Sie vielleicht anderen Kollegen die Chance, ebenfalls eine Frage zu stellen. Jetzt ist der nächste Kollege an der Reihe.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 16.06.2025


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