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Titel: Geht es noch verrückter? NATO erhält „Westfälischen Friedenspreis“

Datum: 7. November 2025 um 10:02 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Strategien der Meinungsmache
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Die Propaganda mit Preisverleihungen geht unvermindert weiter: Nach dem Friedensnobelpreis für Machado, den Karlspreisen für Selensky und von der Leyen, den „Friedenspreisen“ des deutschen Buchhandels für Serhij Zhadan oder den Historiker Karl Schlögel folgt nun der „Friedenspreis“ für das Militärbündnis. Der Begriff „Frieden“ soll zunehmend seines Sinns beraubt werden. Die auftrumpfende Art, in diesen Preisverleihungen unüberbrückbare inhaltliche Widersprüche als logisch zu verkaufen, erinnert stark an George Orwell. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die NATO und ihr Generalsekretär Mark Rutte sollen 2026 den „Westfälischen Friedenspreis“ erhalten, wie Medien berichten. Die Jury (besetzt unter anderem mit Kanzler Merz, Cem Özdemir oder Miele-Chef Zinkann) findet sich hier, bisherige Preisträger hier. Die Begründung für die absurde Auswahl des nächsten Preisträgers findet sich unter diesem Link.

In dieser Begründung stehen viele salbungsvolle Worte zur angeblichen „kontinuierlichen Friedensarbeit der NATO” im Sinne des Erbes des Westfälischen Friedens – natürlich wird dort aber unterschlagen: Es war die NATO-Osterweiterung und die Verweigerung einer Russland einschließenden Sicherheitsarchitektur, die absolut voraussehbar (mit) zum Ukrainekrieg geführt haben. Es war die NATO, die 1999 mit der Bombardierung Jugoslawiens den Angriffskrieg ohne UN-Mandat nach Europa gebracht hat. Das sind nur zwei Fakten unter zahlreichen weiteren zum Charakter der NATO und ihrer „kontinuierlichen Friedensarbeit“, die die Ehrung durch einen „Friedenspreis“ umgehend ausschließen müssten.

Doch die Zeiten sind eben nicht so, dass inhaltliche Logik hier greifen könnte. Andrej Hunko vom BSW spielt auf X angesichts des Vorgangs auf George Orwells Roman „1984“ an: „Die Welt ist irre geworden. Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Diplomatie ist des Teufels.“

Harte Propaganda mit vielen schönen Preisen

Über die harte Propaganda, die mit wohlklingenden Preisverleihungen betrieben wird, haben wir in einigen Artikeln berichtet: etwa über den Friedensnobelpreis für die Invasions-Befürworterin Machado, über die Karlspreise für Selensky und für von der Leyen, über die „Friedenspreise“ des deutschen Buchhandels für das antirussische Pamphlet von Serhij Zhadan oder kürzlich für den Historiker Karl Schlögel.

Man kann diesen Preisen inzwischen aus gutem Grund jede inhaltliche Relevanz absprechen. Aber das ändert nur wenig an ihrer Wirkung und daran, dass diese „Ehrungen“ auf großen Bühnen, die anschließend in die Mainstream-Medien und das dortige Publikum abstrahlen, mindestens kleine Mosaiksteine der Meinungsmache sind. Bei schlecht informierten Bürgern kann so z.B. der Eindruck erweckt werden, „die Kunst“ oder „die Wissenschaft“ stehe ebenfalls hinter der militaristischen Zeitenwende.

Zwei plus Zwei gleich Fünf

Die Praxis, Personen oder Institutionen zu ehren, die ganz offensichtlich dem (zumindest offiziell proklamierten) Geist all dieser Preise in Wort und Tat grob widersprechen – diese Praxis ist (neben der Verklärung der Preisträger) ein Akt der Verwirrung und des Vor-den-Kopf-Stoßens der Bürger: Damit wird (um bei George Orwells „1984“ zu bleiben) immer wieder dreist behauptet, Zwei plus Zwei sei gleich Fünf, Krieg sei jetzt Frieden und Unwissenheit sei Stärke. Bereits durch die sture Wiederholung sich grob widersprechender Botschaften kann die Fähigkeit zu logischen Einordnungen dauerhaft verletzt werden: Sodass irgendwann gar keine Logik mehr eingefordert wird. Um nochmal Orwell zu bemühen: Man könnte etwa den Friedenspreis für die NATO auch als ein indirektes Training in „Doppeldenk“ beschreiben.

Die wie selbstverständliche Verbindung der eigentlich unüberbrückbaren Widersprüche zwischen „Friedenspreisen“ einerseits und den Handlungen der jeweils Ausgezeichneten sind zusätzlich eine Demonstration der propagandistischen Deutungshoheit: Seht her, wir verbiegen die Begriffe, wie es uns gefällt – weil wir es können.

Titelbild: Qeeraw / Shutterstock


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