Der Historiker Karl Schlögel, ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels, ruft die „friedensverwöhnten“ Deutschen zum Kampf gegen die Russen auf. Und gegen die Russen respektive die Sowjetunion hat er schon in seinen langen Jahren als maoistischer Kaderführer gekämpft. Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels kann wohl nur noch erhalten, wer in Sachen Ukraine-Krieg nach Waffen ruft und sich gegen Verhandlungen stemmt. Von Rupert Koppold.
„Von der Ukraine lernen, heißt furchtlos und tapfer sein, vielleicht auch siegen lernen.“ Markige Worte, die auch von Bandera-Fans und neonazistischen Asow-Kriegern stammen könnten, ja, in denen ein bisschen das Pathos von Sportpalast-Reden nachklingt. Doch diese Worte wurden in der Frankfurter Paulskirche gesprochen, mit diesen Worten hat Karl Schlögel seine Rede als neuer Friedenspreisträger enden lassen. Wie bitte? War Schlögel am falschen Platz, hat er den falschen Preis erhalten? Nein, Schlögel steht stramm in der neuen Paulskirche-Kriegstreiber-Tradition. Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels kann wohl nur noch erhalten, wer in Sachen Ukraine-Krieg nach Waffen ruft und sich gegen Verhandlungen stemmt. So wie Schlögels Preis-Vorgänger, der ultranationalistische Autor Serhij Zhadan („Wir müssen unseren Kindern das Wichtigste weitergeben: unsere Kultur und unsere Waffen.“) oder die Bellizistin Anne Applebaum, für die das Ende des Krieges nur als völlige Niederlage Russlands denkbar ist.
Und nun also Karl Schlögel, 77 Jahre alt, Historiker, von den Mainstream-Medien verehrt als Osteuropa-Kenner und Ukraine-Propagandist. Das 3Sat-Journal „Kulturzeit“ vom 17.10. 2025 ist anlässlich des Friedenspreises mit Schlögel nach Lviv gefahren, dem früheren Lemberg. „Er reist dorthin, wo sich Geschichte ereignet“, erklärt die Sprecherin in bedeutungsvollem Ton, der bestens harmoniert mit Schlögels bedeutungsvoller Miene. Jawohl, sagt er: „Geschichte findet statt.“ Er bewundert die Jugendstilfassaden von Lviv, die Sprecherin sagt, man fühle sich „sofort vertraut mit dieser Stadt“, das sei „Mitteleuropa im Kleinen“, und Schlögel verweist auf das historische Erbe: „Man hat von Lviv als Klein-Wien gesprochen“.
Im Park singt ein weiblich-kindlicher Folklore-Chor, knallig geschminkt und in weiß-roter Tracht. Die Sprecherin faselt etwas von einer „Zeitkapsel“, vom glücklichen Nebeneinander von Moderne und „Habsburgerreich“, und bekennt: „Man könnte fast den Überblick verlieren über all diese historischen Schichten – hätte man nicht Karl Schlögel dabei!“ Der verrät uns seine Methode: „Man muss diese Stadt zum Sprechen bringen, das ist augenöffnend.“ Schlögel lässt sich eingerüstete Monumente und Statuen zeigen. „Kriegsschutz!“, wird ihm erklärt. Er trifft den Zhadan-Übersetzer Juri Derkot, sie schauen sich die Toten-Gedenktafel vor einem Haus an, das von einer Rakete getroffen wurde. Die tägliche Gedenkminute in Lviv endet mit dem Lautsprecher-Gruß „Slava Ukrajini!“. Auf einem Friedhof überreicht ein Soldat im Kampfanzug einer Witwe die Ukraine-Fahne.
Wo ist eigentlich die große Bandera-Statue?
Karl Schlögel, der in Lviv „diese Alarme beklagt“, ist darüber verblüfft, dass diese Stadt wieder „bedroht wird, das war damals überhaupt nicht absehbar.“ Überhaupt ist Schlögel, der gern seine Ost-Expertise herausstellt und sie den anderen gern abspricht, immer wieder verblüfft. Zum Beispiel über die „Aufrechterhaltung des Alltags“ in Lviv, inclusive Rush Hour. Was nun auch den Kulturzeit-Zuschauer verblüfft. Haben wir nicht immer wieder „Alltags“-Bilder aus ukrainischen Städten gesehen, die weitaus mehr vom Krieg betroffen sind als Lviv? Ist der Versuch, einen Alltag zu leben, nicht geradezu charakteristisch für Städte im Krieg? Kann es also sein, dass der Historiker Karl Schlögel ein Ignorant ist oder, etwas böser formuliert, ein Geschichts-Depperl?
Nein, eher nicht. Denn Schlögel weiß vermutlich, was er tut. Die Hauptkompetenz dieses Mannes, der angeblich Städte und ihre Geschichte zum Sprechen bringen will, ist nicht die des genauen Hin- , sondern die des genauen Wegschauens. Das demonstriert Schlögel auch in diesem unsäglichen Kulturzeit-Beitrag. Bei den Statuen, die er sich in Lviv anschaut, fehlt zum Beispiel die größte, nämlich die des Antisemiten, Faschisten, Terroristen und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera. Sie wurde 2007 aufgestellt, ist mit Sockel sieben Meter hoch, dreißig Meter in der Höhe misst der ihr zugehörige Triumphbogen. Da muss man schon sehr zielgerichtet wegschauen, um so eine Statue zu übersehen.
„Die Demontage oder die Errichtung neuer Denkmäler sagt etwas über neues Geschichtsbewusstsein, vielleicht aber auch über neue Mythenbildung“, erklärt Schlögel im Jahr 2024 selber in seiner Rede zur Verleihung des Gerda Henkel Preises, die von der Bundeszentrale für politische Bildung abgedruckt wurde. Ein Satz, der für die Ukraine sicher zutrifft, die alles Russische niederreißt und durch Patriotisch-Nationalistisches ersetzt. Das neue Geschichtsbewusstsein der Ukraine ist tatsächlich geprägt von neuer Mythenbildung. Einer neuen Mythenbildung mit alten Figuren. Nämlich Figuren wie Stepan Bandera, dem Führer der terroristischen Bewegung OUN, der von der neuen Ukraine posthum als „Held“ seines Landes ausgezeichnet wurde.
Das kosmopolitische Lemberg gibt es nicht mehr
Ist der Historiker Karl Schlögel tatsächlich einverstanden mit diesem neuen Geschichtsbewusstsein der Ukraine? Auch mit dem, was Bandera gedacht und getan hat? In einem schon 2010 von der jüdischen Gemeinde Berlin publizierten Text, der den Titel „Nazikollaborateur als neuer Held der Ukraine“ trägt, schreiben Levi Salomon, Isabella Hobe und Hannes Tulatz: „Innerhalb der ersten drei Tage nach dem Einmarsch der Deutschen wurden ungefähr 7000 Juden umgebracht. ,Volk! Das musst Du wissen, Moskowiten, Polen, Ungaren und Juden – sie sind deine Feinde. Vernichte Sie! Das musst Du wissen! Deine Führung – das ist die Führung der ukrainischen Nationalisten, die OUN. Dein Führer – Stepan Bandera‘, so lautete die Propaganda für diese Gräuel…“ Auch der Tagesspiegel schreibt noch am 5.11.2019: „Und Banderas Rolle? Dass die OUN in Lemberg maßgeblich an pogromartigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung beteiligt war, gilt heute als unbestritten. Später ermorden die UPA-Kämpfer 80 000 Polen, darunter viele Zivilisten. Ihr Ziel: eine ethnisch homogene Ukraine.“
Eine ethnisch homogene Ukraine! „Noch in den 1930er Jahren“, so schreibt der Historiker Lutz C. Klevemann in seinem 2017 erschienenen Buch „Lemberg. Die vergessene Mitte Europas“, lebten in dieser Stadt „mehrere große Volksgruppen mit verschiedenen Kulturen: etwa 160.000 Polen, 100.000 Juden und nur 25.000 Ukrainer, außerdem Armenier und so genannte Galiziendeutsche“. Heute, nach Besetzung, Vertreibung und Massenmord, habe Lemberg sein Gedächtnis und seine Identität verloren und sei tatsächlich ethnisch homogen. Die Bürgerhäuser wirkten nun, so Klevemann, „wie Kulissen, zu deren trister Eleganz die gegenwärtigen Bewohner nicht recht passen wollen.“ Heute ist Lviv das Zentrum der Bandera-Verehrung und jener ultranationalistischen Ukraine, die ihren russischsprachigen Bürgern diese Sprache verbietet. Als Lemberg in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mal polnisch war und gegen die Vielsprachigkeit zu Felde zog, schrieb der reisende Autor Joseph Roth: „Nationale und sprachliche Einheitlichkeit kann eine Stärke sein, nationale und sprachliche Vielfältigkeit ist es immer. In diesem Sinn ist Lemberg eine Bereicherung des polnischen Staates.“
Das mutwillige Ignorieren der Vorgeschichte
Kleiner Exkurs mit Meldungen aus Lwiw: Am 4.8.2019 ist in einem ntv-Städtetrip zu hören: „Die Lemberger lieben es, in mancher Kneipe in der Altstadt mit merkwürdigen Überraschungen aufzuwarten. In der bekanntesten, der ,Kriyevka‘, einem Lokal im Militär-Stil, darf man auf eine Scheibe mit Putin-Gesicht schießen und wird bedient von Kellnern im Soldaten-Look.“ Und am 24.3.2022 berichtet das Handelsblatt: „Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine mehren sich in sozialen Netzwerken Fotos von an Pfählen und Masten gebundenen mutmaßlichen Plünderern und Dieben. Demnach wurden in mehreren Städten junge Männer mit heruntergelassenen Hosen fixiert. Bilder aus Lwiw (Lemberg) zeigen gefesselte Frauen an Laternenpfählen. In Lwiw findet derzeit kaum Kriegsgeschehen statt, das Plünderer ausnutzen könnten … Der Berater des ukrainischen Innenministers, Wadym Denyssenko, rechtfertigte die Aktionen. Die Polizeikräfte würden in der aktuellen Situation nicht ausreichen, sagte Denyssenko der Nachrichtenseite Strana. ,Ein Plünderer muss begreifen, dass er in jedem Fall das bekommt, was er verdient: Erst wird er an einen Mast gebunden und danach auf jeden Fall für zehn Jahre ins Gefängnis gesteckt.‘“
„Über allem, was die Menschen in dieser Stadt tun, liegt eine tiefe Ernsthaftigkeit“, so hat es die Sprecherin in der „Kulturzeit“-Lemberg-Reise beobachtet. Und damit zurück zu Karl Schlögel. Er kennt natürlich die Geschichte Lembergs, er weiß auch von Pogromen, Vertreibungen und Massenmorden in den Vierziger-Jahren – aber er will es nicht mehr wissen. Schlögel legt keine historischen Schichten mehr frei, er und seine 3Sat-Reisebegleiter schütten sie zu. Nur in dieser vorgeschützten Geschichtsblindheit und dem mutwilligen Ignorieren aller Vorgeschichte kann sich der Historiker Schlögel überrascht geben, dass es zum Ukraine-Krieg gekommen ist. „Wir müssen wieder ganz von vorne beginnen, weil uns in tiefer Ratlosigkeit die Worte fehlen, um zu beschreiben, was vor unseren Augen geschieht“, so zitiert ihn die Stuttgarter Zeitung (20.10.2025).
Diese feige und erlebnisarme Generation!
Dafür, dass er ratlos ist und ihm die Worte fehlen, setzt Schlögel allerdings viele starke Meinungen in die Öffentlichkeit. „Drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine saß der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel in einem Talkshow-Sessel bei Anne Will und rang nach Worten“, so schreibt Wolfgang Michal in Der Freitag (4.11.2022) und fährt fort: „Bebend vor Zorn forderte der 74-Jährige: ,Eigentlich sollten wir nicht hier sitzen, sondern – wie in Spanien 1936 – in Internationale Brigaden gehen und kämpfen.‘“ An der Seite von neofaschistischen Asow-Kämpfern in den Krieg ziehen? Indem Karl Schlögel den Ukraine-Krieg und den spanischen Bürgerkrieg auf eine Stufe stellt, unterläuft er alle wissenschaftlichen Ansprüche an seine Zunft. Er ist nun ganz klar Partei, und er fordert, ebenfalls gleich zu Kriegsbeginn (der ja eigentlich schon früher und spätestens nach dem Maidan-Putsch 2014 begonnen hat), eine von der NATO kontrollierte Flugverbotszone über ukrainischem Himmel, was zum direkten Krieg zwischen Russland und dem sogenannten Westen geführt hätte. Aber wäre so ein Krieg nicht doch mal ein Erlebnis „für die friedensgewohnte und friedensverwöhnte, in dieser Hinsicht so erlebnisarme Generation, der ich angehöre“, eine Generation, für die Krieg „nur aus Fernsehnachrichten oder Filmen bekannt war“? Soll man sich da ein „leider“ dazudenken?
Oder rumoren in Schlögels Kopf doch noch Reste von Vernunft? Er erklärt ja 2024 in seiner schon erwähnten Rede zur Verleihung des Gerda Henkel Preises: „Wir müssen Putin nicht dämonisieren“, und haut dann – es gibt jetzt kein Halten mehr! – noch einen drauf: „..denn er hat alles in den Schatten gestellt, was man nicht einmal einem Dämon zutraut.“ Man muss wohl konstatieren: Der Historiker ist zum Hysteriker geworden. Die deutschen Mainstream-Medien aber sind voll des Lobes über diesen Mann. Schlögel sei nämlich ein echter Russlandversteher, so die Stuttgarter Zeitung in ihrem Friedenspreis-Artikel, „der seit seiner Jugend alles daran gesetzt hat, den Horizont Richtung Osten zu erweitern“. Und dann wird es, in der Aufzählung schier übermenschlicher Schlögel’scher Fähigkeiten fast schon lyrisch: Der Geehrte habe „den Raum seiner Leidenschaft in seinen historischen Tiefenschichten wie in allen Ausprägungen gegenwärtiger Lebenswelten als Reisender, Wissenschaftler, Publizist durchmessen“.
Die Tiefenschichten des Karl Schlögel
Ähnlich das Porträt, das die ZEIT (16.10.2025) dem Preisträger spendiert. „Ein Grundmuster dieses intellektuellen Lebens kann man also schon beim 21-jährigen Studenten entdecken: Die Anschauung, das Erleben, das Hinsehen, das sinnliche Erfassen der verschiedenen Dimensionen gehören zur Erkenntnismethode dieses Historikers …“ Aber in diesem Porträt wird auch mal kurz das erwähnt, was die meisten Jubler auslassen (oder nicht wissen?), und was auch Schlögel selbst, wenn schon nicht leugnet, dann doch gern verschweigt: Seine langen Jahre als maoistischer KPD(AO)-Funktionär. Von einer „ideologischen Irrfahrt nach 1968“ ist da die Rede, bei der auch, so die ZEIT entschuldigend, viele andere heute bekannte Personen mitgefahren wären. Bei Schlögel sei diese Phase zwar „besonders intensiv“ gewesen, aber „nie prosowjetisch, sondern chinatreu maoistisch“.
An Maos Lippen hängen und vermutlich auch die massenmörderischen Roten Khmer und deren Führer Pol Pot hofieren? Für die ZEIT ist das nicht so schlimm und wird fast schon aufgewogen durch Schlögels Kampf gegen die Sowjetunion. Und es war ja nur eine Phase, über die sich Schlögel heute selber wundert: „Es ist schwer, in diese Jahre eine Logik hineinzubringen.“ Laut ZEIT dauerten sie bis Ende der Siebziger, tatsächlich schrieb Karl Schlögel seinen Aufmacher zur Auflösung der KPD in der Roten Fahne erst am 19.3.1980. Da war Schlögel Anfang dreißig, also zu alt für Jugendsünden, und ob er zu dieser Zeit gedanklich oder nur organisatorisch aus seiner „ideologischen Irrfahrt“ ausgestiegen ist, das weiß wohl nur er selber. Die Tiefenschichten des Karl Schlögel müssten im Detail wohl noch freigelegt werden, auch wenn er sich heute selber eine „Immunisierung“ gegen Ideologien bescheinigt.
Noch einmal ein Schlögel-Zitat aus seiner Gerda-Henkel-Preis-Rede:
„Man scheut sich in unseren aufgeklärten Zeiten vom ,absolut Bösen‘ zu sprechen. Anders als in den 1930er Jahren, in denen um eine ,Theorie des Faschismus‘ gerungen wurde, steht eine Diskussion zur theoretischen Bewältigung des Putinismus aus. Das ist besonders auffällig in Deutschland, das gefordert ist, seiner ,Vergangenheitsbewältigung‘ eine Bewältigung der Gegenwart folgen zu lassen. Dies umso mehr als sich die Spuren des heutigen russischen Krieges mit denen des deutschen Krieges auf ukrainischem Territorium immer wieder überkreuzen.“
Da ist sie also wieder, und diesmal in besonders infamer Form: die Hitler-und-Putin-Gleichsetzung. In seiner die eigene Biografie anführenden Gerda-Henkel-Preisrede („Für 1968er Aktivisten wie mich war der real existierende Sozialismus der Sowjetunion, noch dazu in nächster Nähe verkörpert in der DDR, abschreckend“) klammert Schlögel seine langen maoistischen Jahre komplett aus.
Schon wieder auf der richtigen Seite der Front!
Heute und in Sachen Ukraine bestätigt sich Schlögel jedoch ein Erweckungserlebnis, dessen Wortwahl wie inspiriert wirkt von der alten Ideologie-Diktion: „Es gibt den Augenblick, in dem es einem wie Schuppen von den Augen fällt, weil die Unterscheidung Täter und Opfer so klar und eindeutig ist wie die zwischen Solidarität und Verrat“ (Zitat noch einmal aus der Gerda-Henkel-Preisrede). Nein, als Meister der Zwischentöne kann Karl Schlögel eher nicht bezeichnet werden. Der Autor Hans Christoph Buch stellt sich heute, was die KPD-Jahre angeht, die Frage: „Was aber brachte weitsichtige, klar denkende Intellektuelle dazu, totalitäre Staaten zu preisen und zusammen mit Mao auch Stalin zu huldigen?“ (NZZ, 22.1.2022). Der Autor nennt auch den Namen Karl Schlögel. Buch kommt zu dem Schluss: „Die Antwort ist deprimierend, denn es war nicht die im Marxismus enthaltene Hoffnung auf Emanzipation. Es war die jakobinische Schärfe, ein mit Fanatismus gepaarter Vernichtungswillen, was sie fasziniert hat.“
Karl Schlögel, in dem sich Ideologie, Irrtum und Propaganda verknäueln, braucht einen Feind, und er ist sich schon wieder sicher, dass er auf der richtigen Seite, genauer: auf der richtigen Seite der Front steht. „Ich möchte, dass die Leute sehen, was ich sehe“, sagt er in einem „Cicero“-Porträt. Und der ZEIT vertraut er an: „Ich habe die Gewissheit, dass ich noch einmal auf dem Bergufer bei Nischni Nowgorod stehen und über die Wolga hinüberschauen werde. Und zwar sehr bald.“ Mit und neben ihm, man muss es sich wohl so vorstellen, ukrainische Asow-Kämpfer, NATO-Verbände und vor allem deutsche Truppen. So wäre Russland, der altböse Feind, am Ende doch noch niedergezwungen, so hätte sich am Ende das Schlögel’sche Lebenswerk gerundet. Noch einmal: „Von der Ukraine lernen, heißt furchtlos und tapfer sein, vielleicht auch siegen lernen.“
P.S. Die Ukraine war 2003 beim völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak dabei. Mit ihren 1.650 beteiligten Soldaten belegte sie Platz 6 in der Koalition der Willigen.
Titelbild: Screenshot ARD