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Titel: Notwendig ist die Umstellung von der seit 1989 neu geschaffenen Konfrontation hin zur europäischen Friedensordnung

Datum: 4. März 2014 um 11:48 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Friedenspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
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Das “heute journal” vom 3. März sendete ein Interview mit Egon Bahr. Auf die Frage danach, ob es Krieg geben werde, beruhigte Bahr die Gemüter mit dem Hinweis, wir bräuchten das Gas der Russen und die Russen wollten unser Geld. – Bei aller Hochachtung für Egon Bahr: er verkennt die Eigendynamik der ideologischen Wiederaufrüstung und die Rolle des Propagandakrieges, er missachtet die Gefährlichkeit der stattgefundenen und stattfindenden Destabilisierung, also der ideologischen und mit Waffen und Geld betriebenen Wühlarbeit. Zum Beispiel: Wenn die rechtsradikalen Kräfte in der West-Ukraine und in Kiew ihre Kommandos in den Osten schicken und unter russischstämmigen Einwohnern ein Blutbad anrichten, dann könnte die von Egon Bahr beschworene „Interessengemeinschaft“ sehr schnell auseinanderbrechen. Auch die Eigendynamik des Wiederaufbaus des Feindbildes von den bösen Russen im Osten und den Guten im Westen kann im Westen die Bereitschaft zum Zündeln maßlos erhöhen. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Auch müssen wir beobachten, dass Säbelrasseln, wie auch tatsächliche militärische Interventionen, von Regierungschefs und Präsidenten zur innenpolitischen Stabilisierung genutzt werden. Siehe USA und der Irakkrieg, oder Frankreich und Großbritannien mit ihrer Intervention in Libyen. Menschen- und Demokratiefreundlichkeit werden hier mit dem Bedarf zur Machterhaltung vermengt. Das sind einige der Risikofaktoren, die Egon Bahr bei seiner Einschätzung der Interessenlagen missachtet. Das bleibt kritisch anzumerken, obwohl sein Versuch zur Beruhigung angenehm ist.

Die Geschichte des Abbaus der Konfrontation und des Wiederaufbaus der Gegnerschaft seit 1989

Am zunächst erfolgreichen politischen Wirken Egon Bahrs und letztlich an seinem aktuell sichtbaren Scheitern lässt sich die fatale Entwicklung gut aufzeigen. Egon Bahr hatte als Mitarbeiter von Willy Brandt zusammen mit einigen anderen einen beachtlichen Anteil am Abbau der Konfrontation zwischen Ost und West in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es gab einige Grundgedanken dieser Entspannungspolitik, an die erinnert werden muss, weil sie inzwischen sträflich vernachlässigt werden: Sich in die Lage des anderen versetzen, Gewaltverzicht, Wandel durch Annäherung, Abbau der ideologischen Konfrontation und der Feindbilder, in der Konsequenz: Abbau der Blöcke und militärische Abrüstung.

Das Jahr 1989 ist das Jahr der Krönung dieser Politik und zugleich der Beginn einer neuen ideologischen Aufrüstung. Die Mauer fiel, die führenden Kräfte der Sowjetunion und des Westens, Gorbatschow, Kanzler Kohl und all die anderen respektierten sich und verstanden sich. Der Warschauer Pakt wurde aufgelöst, so auch die Sowjetunion. Einzelne Völker gewannen ihre Selbstbestimmung. Das Ziel dieser Entwicklung wurde gerade von Egon Bahrs Partei, der SPD, eindeutiger als von anderen formuliert. Egon Bahr und ich als damaliger Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD- Bundestagsfraktion haben damals kurze Zeit vor dem Berliner Parteitag der SPD den einschlägigen Text für die Vorstandsvorlage zum Berliner Grundsatzprogramm der SPD, das am 20. Dezember 1989 beschlossen wurde, vorbereitet. Dort lauten die einschlägigen Passagen:

„Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen. Bis dahin findet die Bundesrepublik Deutschland das ihr erreichbare Maß an Sicherheit im atlantischen Bündnis, vorausgesetzt, sie kann ihre eigenen Sicherheitsinteressen dort einbringen und durchsetzen, auch ihr Interesse an gemeinsamer Sicherheit. Der Umbruch in Osteuropa verringert die militärische und erhöht die politische Bedeutung der Bündnisse und weist ihnen eine neue Funktion zu: Sie müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa.“

Das sind Träume geblieben: Der Warschauer Pakt wurde aufgelöst, die NATO nicht. Im Gegenteil. Sie wurde bis an die Grenzen des heutigen Russlands ausgedehnt. Die NATO wurde vom Verteidigungsbündnis zu einem Bündnis für militärische Interventionen außerhalb des Nato-Gebietes „umgefummelt“. Die Rüstungsinteressen und vermutlich auch die Interessen an wirtschaftlichen Ressourcen in verschiedenen Regionen der Welt waren stärker als unsere Träume vom Dezember 1989, so berechtigt diese Träume damals waren und sie bis heute sind.

Gleichzeitig – und das dürfte noch schlimmer sein als die Aufrechterhaltung des NATO-Bündnisses – ist das Ziel einer europäischen Friedensordnung missachtet und die ideologische Aufrüstung und die Pflege von Feindbildern neu betrieben worden.

Man muss sich die Entwicklung in Bildern vorstellen. Damals, 1989 und 1990 gab es von Respekt und sogar Herzlichkeit geprägte gemeinsame Auftritte von Helmut Kohl, Willy Brandt und Gorbatschow, von Bahr und Falin, dem früheren Botschafter der Sowjetunion in der Bundesrepublik und Verhandlungspartner während der Phase der Entspannungspolitik. Schon vorher, so am 8. Mai 1985 von Seiten des von der CDU gestellten Bundespräsident Richard von Weizsäcker, gab es grundsätzliche Bekenntnisse zur Versöhnung mit dem Osten, d.h. auch mit den Russen. Der Abbau des Feindbildes fand in Deutschland eine über die Reihen der Sozialdemokraten hinausgehende Basis. Die Friedensbewegung hatte einen wichtigen Beitrag für diese militärische und ideologische Abrüstung geleistet.

Und dann kam alles anders. Das angesammelte Kapital wurde verspielt und der Kalte Krieg neu belebt. Die Welt wurde wieder aufgeteilt in zwei Blöcke: wir hier im Westen sind die Guten, und dort – jenseits einer nach Osten verlegten Blockgrenze – sind die Russen, die Bösen. Und für sie gilt das alte Feindbild. Ich erinnere wieder einmal an das bekannte Plakat, so verwendet von CDU, CSU in den fünfziger Jahren und später von der NPD.

Mit etwas verwandeltem Text könnte es heute wieder verwandt werden. Jedenfalls wird der Geist dieser Agitation in der überwiegenden Mehrheit der deutschen Medien bei Berichterstattung und Kommentierung des Konflikts um die Ukraine deutlich wiederbelebt. Die Foren vieler Medien zeigen allerdings auch, dass es unter uns Deutschen viele Menschen gibt, die von der Wiederbelebung der Konfrontation nichts halten. In diesem Kontext eindrucksvoll waren zum Beispiel die Äußerungen von Hörern in der Sendung „Kontrovers“ des Deutschlandfunks vom 3. März. Aber diese erfreulichen Nebenerscheinungen können nicht darüber hinwegtäuschen:

Wir sind wieder am Anfang. Die Konfrontation in der Ukraine und um die Ukraine und der Umgang mit „den Russen“ zeigen: Es ist wie vor 50 Jahren. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik. Notwendig sind vertrauensbildende Maßnahmen wie damals in den Sechzigern und Siebzigern, Gewaltverzicht und auch der Verzicht auf die De-Stabilisierung des Partners sind wichtige Elemente. Die Brandt+Bahr-Erkenntnis „Wandel durch Annäherung“ gilt neu. Wer eine Verbesserung der politischen Verhältnisse einschließlich demokratischer Regeln und die Wahrung von Menschenrechten erreichen will, wird das jedenfalls nicht mit Konfrontation schaffen. Und keinesfalls mit der unberechtigten Arroganz der Trennung in die Guten im Westen und die Bösen im Osten.

Wir sind wieder ganz am Anfang und die Bedingungen für einen neuen Versuch zum Abbau der Konfrontation sind kaum besser als in den fünfziger Jahren: Vertrauen ist verspielt. Und der Westen ist über weite Strecken ent-demokratisiert. Wer über wirtschaftliche und mediale Macht verfügt, hat dort das Sagen.

Das Vertrauen wurde gründlich verspielt

Versetzen Sie sich in die Lage der Russen und der russischen Führung: Gorbatschow hat die Hoffnung genährt, dass es eine wirkliche Partnerschaft in Europa geben könne und dass Russland zu Europa gehöre. Aus der Sicht vieler Russen war auch damit die Aufgabe der Sowjetunion gerechtfertigt. Sie haben dann erlebt, wie ihr Land in Zeiten von Präsident Jelzin von westlichen großen Interessen und eigenen Oligarchen geplündert wurde und dann haben sie erlebt, wie die NATO – anders als der Warschauer Pakt – nicht aufgelöst wurde und stattdessen an die russischen Grenzen heranrückte. Am Beispiel Deutschlands konnten sie dann noch im Detail erfahren, wie der von der Verfassung vorgegebene Auftrag für das Militär und das Bündnis als Einrichtung zur Verteidigung umgewidmet wird in eine Einrichtung zur militärischen Intervention außerhalb des NATO Territoriums.
Die Russen haben erlebt, wie die USA mit Unterstützung der NATO neue Raketenstationen in osteuropäischen Ländern errichtet haben – angeblich gegen Iran gerichtet. D.h. zur faktischen Konfrontation kommt auch noch die Verhöhnung des neuen Gegners als einfältig hinzu.
Die Russen haben dann am Beispiel der Ukraine erlebt, wie der Westen mit solchen Staaten und ihren zumindest formal demokratisch gewählten Regierungen umgeht, wenn dem Westen die Richtung nicht passt. Hier Beispiele für eine Kette von Provokationen:

  • Die für die Ukraine zuständige Vertreterin der amerikanischen Regierung Nuland und der US-Botschafter in der Ukraine lassen in einem Telefongespräch freimütig erkennen, dass und wie sie über das politische Personal eines fremden Landes, im konkreten Fall der Ukraine, denken und disponieren.
  • Die größte Regierungspartei der Bundesrepublik Deutschland guckt sich den ihr genehmen politischen Führer für das fremde Land, nämlich den Boxer Klitschko, aus, und fördert diesen über ihre politische Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung.
  • Die USA fördern mit Millionen den Aufbau von NGOs in der Ukraine und vermutlich auch der rechtsradikalen Schlägertrupps.
  • Westliche Politiker heizen die Stimmung auf dem Maidan an.
  • Die Europäische Union versucht die Ukraine in ihr Lager zu ziehen. Das hätte sie tun können, wenn sie gleichzeitig den Russen ein Angebot gemacht hätte. Warum eigentlich nicht, warum betreibt die Europäische Union die Trennung in „Europa hier“ und „die Russen dort“? Es ist nicht der Auftrag der EU und ihrer Einrichtungen, an solchen Trennungslinien zu arbeiten und die Konfrontation neu aufzubauen. Und dennoch ist es geschehen, weil bei der Europäischen Union in solchen Fällen die ideologische Ausrichtung als neoliberale Einrichtung eine zentrale Rolle spielt.
  • Die USA haben übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Ukraine für die Einrichtung eines Foltergefängnisses ihrer Geheimdienste genutzt – so wie in Litauen, in Rumänien, vermutlich in Polen. (Siehe hier).Der Zufall bringt mich auf diese Fährte: ich habe einen jüngeren Freund, der aus der ehemaligen Sowjetunion hierher ausgesiedelt wurde. In seiner Zeit beim sowjetischen Militär war er in einer Kaserne in der Ukraine stationiert. Vor fünf Jahren etwa wurde dann im Fernsehen genau diese Kaserne als aktuelles Gefängnis der USA in der Ukraine gezeigt.
  • Der Umgang mit Putin in westlichen Medien ist eine einzige Provokation. Natürlich kann man sich und darf man sich für Russland einen lupenreinen Demokraten und Verfechter der Menschenrechte wünschen. Ich könnte mir auch eine angenehmere Person vorstellen. Aber tun wir das bei anderen Völkern auch? Wie sind wir mit Frau Thatcher umgegangen, die die Menschenrechte der weniger begüterten Briten missachtet und zum Beispiel Arbeitnehmervertretungen systematisch geschwächt hat? Wie gehen wir mit den Saudis und anderen Scheichtümern um? Haben wir gegen George W. Bush Sanktionen ergriffen, als dieser die Weltöffentlichkeit wegen seiner Absicht zur militärischen Intervention im Irak systematisch belogen hat? Was haben wir gegen die USA unternommen, als sie 1973 in Chile gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten putschen ließ und das Land mit neoliberalen Experimenten der Chicago Schule überziehen ließ?
    Wird bei uns ausreichend gewürdigt, wie schwierig es ist, ein Land wie Russland zu regieren? Im Falle der USA tolerieren wir den dort üblichen Mord und Todschlag. Im Falle Russlands wird jeder Missgriff – wie zum Beispiel der Verbrauch von viel zu viel Geld bei der Olympiade in Sotschi – zu einem großen systematischen Makel hochgespielt. Jede Schwäche wird zur Grundsatzauseinandersetzung genutzt. „Was der Westen denkt, ist Putin inzwischen egal“ – dieses Fazit eines Moskauer Beobachters ist einleuchtend.

Es ist deutlich erkennbar, dass der Wiederaufbau des Feindbildes Russland auch der Selbstbespiegelung des Westens und vor allem der Europäischen Union dient.

Europa und die europäische Einigung ist ein wirklicher Fortschritt. Aber die EU in ihrer jetzigen Ausrichtung ist alles andere als ein Fortschritt. Sie macht eine Erweiterung nach der andern und hat auch den Ukrainern vorgegaukelt, dass der Eintritt in die Europäische Union ihnen das Himmelreich bringt. Tatsächlich geht es in weiten Teilen der Europäischen Union miserabel zu. Darauf haben wir schon verwiesen: die Hälfte der Jugendlichen Griechenlands und Spaniens ist arbeitslos; die Volkswirtschaften von früher oder neu hinzugekommener Länder wie Slowenien, Rumänien, Kroatien, Portugal, Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich stagnieren. Auch bei uns existiert das blühende Land vor allem in den Köpfen und in den Schlagzeilen der Medien und in den Exportbilanzen. Ansonsten? Die Infrastruktur ist marode, weite Regionen von Mecklenburg-Vorpommern bis zum nördlichen Ruhrgebiet sind in der Krise.

In dieser Situation hat die Aggression gegenüber den Russen eine wichtige propagandistische Funktion: wir erscheinen als besser als wir sind.

Die Massenmedien in Deutschland erweisen sich in der jetzigen Krise mit wenigen Ausnahmen als undemokratisch, als von Kampagnen, von Einseitigkeit, von Agitation und Dummheit geprägt.
Beginnen wir mit ein paar Ausnahmen: die schon erwähnte Sendung „Kontrovers“ im Deutschlandfunk von gestern oder ein Beitrag von gestern bei SpiegelOnline, immerhin dort, eine rühmliche Ausnahme: „Die fatalen Fehler der Regierung in Kiew“ und einige Medienprodukte, auf die wir in den Hinweisen von gestern und heute schon hingewiesen haben.

Ansonsten voller Häme, absolut geschichtslos und den Konflikt anheizend. So die aktuelle Meldung bei SpiegelOnline, während ich schreibe: „Obama in der Krim-Krise. Der Rückzugspräsident“ oder bei Spiegel TV z.B. so: „Der Held vom Maidan“.

Dazu passt ein Schweizer Produkt, ein Video über die Abläufe in Kiew aus einer anderen Sicht auf die Massenmedien Deutschlands und der Schweiz. Natürlich enthält auch dieses Video Propaganda von der anderen Seite und die Macher des Videos sind mit Vorsicht zu genießen. Als Kontrast zu den Berichten in den deutschen Medien kann man sich dieses Video dennoch einmal anschauen:

Einige gewichtige Medien und mit ihnen handelnde Politiker sind auch im Detail willfährig und in Kampagnen eingepasst. So war es offenbar zur Beweihräucherung der westlichen Politik im Umgang mit der Ukraine wichtig, die von Steinmeier und seinen französischen und polnischen Kollegen erzielte Vereinbarung als Erfolg zu feiern und jedenfalls das Scheitern nicht den Aufständischen des Maidan zuzuschreiben. Also wurde die Vereinbarung im Gespräch zwischen der ZDF-Chefin des Berliner Büros Schausten mit dem deutschen Außenminister Steinmeier als Erfolg bezeichnet und gleichzeitig das Scheitern dem desertierten Präsidenten zugeschrieben. Dass die auf dem Maidan Versammelten die Zustimmung zu der Vereinbarung verweigerten und damit auch der Aufenthalt des Präsidenten in der Stadt nicht mehr gefahrlos möglich war, wird verschwiegen. Das gleiche offenbar abgesprochene Argumentationsmuster wurde dann von Seiten des SPD-Außenpolitikers und Fraktionsvize Rolf Mützenich in der erwähnten Sendung Kontrovers des Deutschlandfunks eingeführt.

Das sind unbedeutend erscheinende Details. Sie zeigen aber, wie systematisch und einseitig Meinung gemacht wird.

Die politische Konstellation im Westen stimmt nicht gerade optimistisch, wenn man an die eingangs erwähnte große Aufgabe denkt, die wieder belebte Konfrontation abzubauen und Russland in Europa einzubeziehen.

Man sollte darüber nachdenken und versuchen, die Konstellation zu verbessern. Deshalb mache ich auf einige kritische Entwicklungen aufmerksam:

  • Die SPD hat ihre mit Willy Brandt verbundene Tradition als Partei der Entspannung und des Sich-Vertragens zumindest ramponiert. Das zeigt der erwähnte Mützenich wie auch das Verhalten und vor allem das Auftreten von Steinmeier. Jetzt gibt es Signale, man müsse mit den Russen reden. Ob diese Einsicht reicht, um an den früheren Konzeptionen und Erfolgen anzuknüpfen, ist fraglich.
  • Die Grünen sind vermutlich die größte Enttäuschung. Sie haben Wurzeln in der Friedensbewegung und kümmern sich heute einen Dreck darum. Joschka Fischer hatte sich schon mit der amerikanischen Außenministerin Albright verbündet, Özdemir, Göring-Eckardt, Marieluise Beck bestimmen die antirussische Linie. Wenn man bedenkt, dass diese Partei ihre politische Stiftung nach Heinrich Böll benennt, dann kann man schon daran merken, welch ein Wandel sich dort vollzogen hat. Nebenbei: Es ist höchste Zeit, dass die Familie Böll diesen Verrat an dem großen Heinrich Böll beendet.
  • Wir haben einen Bundespräsidenten, der in dieser entscheidenden Frage von Krieg und Frieden familiär vorbelastet ist. Bei ihm muss man den Eindruck gewinnen, dass er mit den Russen wegen der Internierung seines Vaters noch eine Rechnung offen hat und wir als Volk sozusagen die Geisel seiner persönlichen Problematik geworden sind.
  • In Brüssel agiert ein NATO-Generalsekretär, der Däne Rasmussen, als neuer forscher Kriegsheld. Offenbar ist er überhaupt nicht mit einem Sinn für friedliche Lösungen ausgestattet. Statt zu schweigen, heizt er die Stimmung an.
  • Die jetzige EU-Führung betrachtet die ideologische Wiederaufrüstung als ihre Mission. Das ständige Einklagen von „Reformen“ bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten deutet auf die ideologische Basis hin. Da geht es um Privatisierung, Deregulierung, Staatsferne. Das ist ein ideologischer Ballast, mit dem man nur sehr schwer zu einer Abrüstung der geistigen Konfrontation schreiten kann. Die Europäische Union ist durch ihr Verhalten auch leider so sehr Partei geworden, dass sie bei der notwendigen Versöhnung keine große Rolle spielen können wird.

Und dennoch: die Gefahr eines Krieges ist – anders, als Egon Bahr das sieht – groß und dieser Krieg wäre so fürchterlich, dass sich jede Anstrengung, dagegen zu intervenieren, lohnt. Das ist die kurze Botschaft eines langen Textes.


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