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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die vergessene Egalité. Gleichheit ist ein wichtiger Wert.
Datum: 17. Dezember 2018 um 17:01 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Steuern und Abgaben, Ungleichheit, Armut, Reichtum, Wertedebatte
Verantwortlich: Albrecht Müller
Die Bewegung der Gelben Westen erinnert daran, dass in unseren Gesellschaften insgesamt ein wichtiger Wert aus der öffentlichen Diskussion und aus der praktischen Politik hinauskomplimentiert worden ist. Was hat es nicht alles für Verrenkungen gegeben, um ja nicht bekennen zu müssen: die Gleichheit aller Menschen ist ein wichtiger Wert. Es wurde von “Chancengleichheit” und von “mehr sozialer Gerechtigkeit” philosophiert. Von den Werten der französischen Revolution “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” – Liberté, Égalité, Fraternité – blieb gerade mal noch die Freiheit übrig. Wir sollten jetzt die Chance nutzen, den Gedanken substantieller Gleichheit aller Menschen wieder hoffähig zu machen. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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In der praktischen Politik spielt Gleichheit keine Rolle. Im Gegenteil. In vielfältiger Weise wurde dafür gesorgt, dass Vermögen, Einkommen und als Konsequenz auch die Chancen skandalös ungleich verteilt sind.
Die Umverteilung nach oben hat viele Facetten und prägt die Wirklichkeit. Zur Erinnerung:
Die Wende in der praktischen Politik werden wir nur schaffen, wenn wir auch eine ideologische Wende hinbekommen.
Es gibt nicht mit Recht zwei verschiedene Menschentypen auf der Welt, die Reichen und die Armen. Die Klassenaufteilung, die wir heute vorfinden, ist nicht nur ungerecht, sie ist antidemokratisch; sie gefährdet auf vielfache Weise das demokratische Leben. Wer viel Geld hat, kann die öffentliche Meinung und die veröffentlichte Meinung, also die Meinung der Führungskräfte, der Wissenschaft und der Journalisten in seinem Sinne beeinflussen und damit auch die politischen Entscheidungen bestimmen. Das ist die Kernerkenntnis, die die Arbeit der NachDenkSeiten von Anfang an bestimmt und 2009 Hauptgegenstand meines Buches “Meinungsmache” war. Wer viel Geld hat, kann sich Lobbys kaufen und auf diese Weise ein X-faches des Einflusses gewinnen, den der normale Mensch erreicht. Wer viel Geld hat, kann sich PR-Agenturen leisten. Wer viel Geld hat, hat in der Regel auch um vieles mehr Chancen, Beziehungen spielen zu lassen. Vitamin B ist ein zusätzlicher Hebel der Reichen, um ihren Reichtum und ihren Einfluss zu mehren.
Die jetzige Einkommens- und Vermögensverteilung ist obszön. Noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Top-Manager gerade mal 1 Million DM verdient; die Mehrheit der Spitzenverdiener lag darunter. Sie haben vielleicht das Zehnfache oder 15-fache eines gut ausgebildeten Facharbeiters des gleichen Unternehmens verdient. Das war mehr als ausreichend.
Wir müssen zu vernünftigen Relationen zurückkommen und das muss ein öffentliches Thema sein und werden. Das ist nur möglich, wenn wir Gleichheit als erstrebenswerten Zustand und als gültigen und maßgeblichen Grundwert betrachten. Also: Es muss Schluss sein mit der Relativierung dieses Wertes.
Über diese eigentlich Selbstverständlichkeit schreibe ich, weil Gleichheit nichts Selbstverständliches mehr ist. Im Gegenteil. Es gibt heute ein Segment von Menschen dieser angeblich demokratischen Gesellschaft, die sich für etwas Besseres halten. Wenn die Gelben Westen es nur schaffen täten, diese antidemokratische Gesinnung und Entwicklung zu brechen, dann müsste man ihnen schon ein Denkmal setzen.
Wenn Gleichheit de facto unser politisches Handeln und unsere Entscheidungen bestimmen soll, dann muss das praktische Konsequenzen haben. Ich wiederhole und fasse zusammen:
Zusammenfassende Wiederholung: Wichtig ist die ideologische Auseinandersetzung, wichtig ist es, dem Grundwert Gleichheit wieder Respekt in der öffentlichen Debatte zu verschaffen.
Dazu gehört übrigens dann auch noch das “Fraternité”, die Brüderlichkeit, selbstverständlich übertragen auch auf die “Schwestern”, von denen ohnehin mehr Einsicht in die Bedeutung dieses Wertes und entsprechende Praxis zu spüren ist. – Es gab letzthin in der ARD einen Bericht über Gelbe Westen in der Provinz Frankreichs, der den brüderlichen und schwesterlichen Umgang unter den Demonstranten/innen anschaulich schilderte. Es war zu spüren, dass in dieser interessanten Bewegung auch dieser Teil der Parole der französischen Revolution eine große Rolle spielt.
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