NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Die Corona-Schock-Strategie – Klatschen für Krankenschwestern, Milliardengeschenke für Aktionäre

Datum: 26. Mai 2020 um 14:09 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Ökonomie, Banken, Börse, Spekulation, Lobbyismus und politische Korruption, Wertedebatte
Verantwortlich:

Dafür werden die Krankenschwestern sicherlich Verständnis haben: Da die Bundesregierung die angeschlagene Lufthansa „retten“ muss und die Automobilhersteller sich mit ihrem dreisten Wunsch nach einer „Kaufprämie“ für Neuwagen Medienberichten zufolge auch durchsetzen werden, ist von der „Corona-Prämie“, die Jens Spahn vor einigen Wochen großspurig angekündigt hat, nicht mehr die Rede. Stattdessen fließen die – noch gar nicht vorhandenen – Steuermilliarden nun einmal mehr über Dividenden in die Taschen der Großaktionäre. Da freut sich nicht nur das Geschwisterpaar Klatten/Quandt, sondern vor allem die Wall Street, gehören die meisten Konzerne, denen nun Milliardengeschenke auf dem Silbertablett gereicht werden, doch mehrheitlich Finanzkonzernen wie BlackRock und Vanguard. Braucht es noch mehr, um die Charakterlosigkeit der Regierenden offenzulegen? Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sicher. Nicht nur Restaurants, Clubs, Hotels, Kinos und Theaterhäuser, sondern auch Fluglinien gehören zu den großen Verlierern des Lockdowns. So sank der Umsatz der Lufthansa im ersten Quartal des Jahres um immerhin 18%. Der Börsenwert des Unternehmens sank seit Jahresbeginn von rund sechs auf nunmehr lediglich rund vier Milliarden Euro. Diesen Wertverlust nutzte der deutsche Multimilliardär Hans Hermann Thiele, um seinen Anteil an der Airline von 5% auf 10% aufzustocken. Weitere 60% des Unternehmens sind in der Hand sogenannter „institutioneller Investoren“, also Banken, Versicherungen und vor allem Finanzkonzernen der Wall Street – allen voran BlackRock, das zur Zeit hinter Thiele den größten Anteil am Unternehmen hält; gefolgt vom französischen Finanzkonzern Amundi, dem norwegischen Pensionsfonds und dem britischen Finanzkonzern Lansdowne Partners.

Daran wird sich auch nach der „Rettung“ nichts grundsätzlich ändern. Der Bund begnügt sich mit einer Minderheitsbeteiligung von 20%, der Großteil der Rettungssumme wird stattdessen in Form von stillen Einlagen, einer Wandelanleihe und eines Milliardenkredits der staatlichen KfW zur Verfügung gestellt. Wirtschaftsminister Altmaier kommentierte dies mit dem unsäglichen Satz, man mache keine „Verstaatlichungsorgien“. Klar, lieber veranstaltet man milliardenschwere „Geschenkorgien“ für Großaktionäre.

In Summe investiert der Bund somit neun Milliarden Euro in ein Unternehmen, das nach Einschätzung der allwissenden Märkte nur vier Milliarden Euro wert ist und begnügt sich dann auch noch mit einer Minderheitsbeteiligung. Die absolute Mehrheit der Anteile – und damit natürlich auch der Stimmrechte – bleibt in der Hand von Finanzkonzernen, die sich bereits die Hände in Vorfreude darauf reiben, dass die vergünstigten „Rettungsdarlehen“ des Bundes dereinst als Dividende an sie ausgeschüttet werden. Einmischen in das Tagesgeschäft der Fluglinie will sich der Bund aber ohnehin nicht. Die Krankenschwestern kriegen den Applaus, BlackRock und Co. kriegen unser Geld.

Diese Ideologie setzt sich auch bei der Debatte um eine Neuauflage der „Abwrackprämie“ für Autos fort. Dass diese Debatte überhaupt ernsthaft stattfindet, ist schon ein Zeichen für die Maßlosigkeit der wohl einflussreichsten Lobby in der Bundesrepublik. Die großen deutschen Automobilkonzerne haben allesamt das Geschäftsjahr 2019 mit einem Milliardengewinn abgeschlossen und dieses Geld mit beiden Händen als Dividende an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Auch hier waren die Empfänger Wall-Street-Finanzkonzerne, ausländische Beteiligungsgesellschaften (Kuwait und China bei Mercedes, das Emirat Katar bei VW) und Multimilliardäre wie die Familie Piech/Porsche und die Familie Klatten/Quandt – alleine letztere kassierten erst vor wenigen Wochen rund 700 Millionen Euro Dividende von BMW, während das Unternehmen zeitgleich seine Mitarbeiter über das Instrument der Kurzarbeit von der Allgemeinheit bezahlen ließ. Die öffentliche Empörung blieb aus.

Eine Kaufprämie, die weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll ist

Und nun soll der Steuerzahler Medienberichten zufolge den Großaktionären der Automobilkonzerne auch noch 2,5 Milliarden Euro über eine Kaufprämie für Neuwagen schenken? Den Konzernen, die über Jahre hinweg fette Milliardengewinne eingefahren haben und die die nötigen Reserven für eine Durststrecke aus ihrer Portokasse zahlen könnten? Den Konzernen, die ihre Kunden jahrelang mit manipulierten Emissions- und Verbrauchswerten systematisch und kriminell betrogen haben? Den Konzernen, die sich jeder Form einer Mobilitätswende in den Weg stellen? Den Konzernen, die lieber Milliardendividenden an ihre Aktionäre ausschütten, als in nachhaltige Mobilitätskonzepte zu investieren? Da schlägt es dem Fass ja wohl den Boden aus.

Auch volkswirtschaftlich ist eine solche Kaufprämie sinnlos. Die Erfahrungen aus der Abwrackprämie in der Finanzkrise 2009 haben schließlich gezeigt, dass solche Zuschüsse schlussendlich nur dazu führen, dass ohnehin geplante Käufe vorgezogen werden. In Summe wird kein einziges Auto mehr verkauft. Die vom Steuerzahler bezuschussten Mehrverkäufe sorgen lediglich dafür, dass in den Folgequartalen und -jahren die Verkäufe um die gleiche Menge zurückgehen. Dafür sorgt das Vorziehen solch kostspieliger Käufe sogar dafür, dass dieses Geld an anderen Stellen eingespart werden muss. Man kann jeden Euro nun mal nur einmal ausgeben.

Was ökonomisch keinen Sinn macht, könnte – zumindest in der Theorie – jedoch ökologisch sinnvoll sein, wenn es denn gelänge, alte „Dreckschleudern“ gegen umwelt- und klimafreundlichere Neuwagen zu ersetzen. Doch genau das ist über das Instrument einer Kaufprämie nun einmal nicht mit den Interessen der deutschen Automobilhersteller in Einklang zu bringen. Prämien nur für Elektrofahrzeuge gibt es schließlich schon und in diesem Segment zeigen alleine die teils monatelangen Wartezeiten, dass ein zusätzlicher Kaufanreiz gar nicht nötig ist. Und wenn man die Kaufprämie stattdessen wenigstens auf besonders spritsparende und emissionsarme Benziner und Diesel begrenzen würde, kämen die deutschen Hersteller kaum zum Zug, da ihr Portfolio nun einmal immer noch zum größten Teil aus schweren Mittel- und Oberklassemodellen besteht, deren Emissionen deutlich über dem ab 2021 angestrebten CO2-Wert liegen. Es ist verständlicherweise aber nicht im Interesse der einflussreichen deutschen Autolobby, die Steuermilliarden an japanische, südkoreanische, italienische oder französische Mitbewerber auszuschütten und daher bleibt nur eine Prämie mit absurd niedrigen „Umweltauflagen“. So soll für die Prämie ein Grenzwert von 140 Gramm Kohlendioxid-Ausstoß pro Kilometer gelten – ab 2021 beträgt der gesetzliche Grenzwert übrigens 95 Gramm. Man will also Autos steuerlich subventionieren, deren Emissionen bis zu 40% über dem ab nächstem Jahr gültigen Grenzwert liegen? Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll und eigentlich öffentlich auch nicht zu vermitteln. Hier wird die Coronakrise für eine eiskalte und mehr als dreiste Politik zugunsten der Autolobby und zugunsten der Großaktionäre der Automobilkonzerne genutzt. Die Rechnung bezahlen müssen wir alle.

Wie es auch anders gehen kann, zeigt die Stadt Wien. Jeder Wiener Haushalt bekommt in den nächsten Monaten mit der Post einen von der Stadt gesponsorten Restaurant-Gutschein im Wert von 25 bis 50 Euro. Die von der Stadt dafür zur Verfügung gestellten 40 Millionen Euro fließen hierbei 1:1 in die hart vom Lockdown betroffene Gastronomie – eine sinnvolle Hilfsmaßnahme, die jedoch offenbar für die deutsche Politik noch nicht einmal diskussionswürdig ist. Hier nutzt man die durch den Lockdown verursachte Wirtschaftskrise lieber dafür, Großkonzernen und damit letztlich deren Aktionären Milliardenpräsente auf dem Silbertablett zu präsentieren. Restaurants, Clubs, Hotels, Kinos und Theaterhäuser gehen leer aus.

Vergessene Helden

Leer gehen „natürlich“ auch diejenigen aus, die sich während des Höhepunkts der Epidemie vor dem Beifall der gesamten Politikriege gar nicht mehr retten konnten – die Ärzte, Krankenschwestern und sonstigen Mitarbeiter des Gesundheitssystems. Als Jens Spahn vor Wochen einen Sonderbonus in Höhe von 1.500 Euro für die „Corona-Helden“ ins Spiel brachte, war noch allgemein von „Pflegekräften“ die Rede. Später wurde klar, dass es hierbei „nur“ um die Beschäftigten in der Altenpflege geht, aber nicht um die Krankenpfleger. Die haben zwar auch Überstunden geschoben und rund 6.400 von ihnen haben sich – vor allem „dank“ nicht vorhandener Schutzausrüstung – selbst mit dem Coronavirus infiziert – aber Applaus ist nun mal flüchtig und der Weg „from hero to zero“ ist bekanntlich genau so kurz wie das Gedächtnis der Öffentlichkeit. Nun wird nur noch darüber gestritten, wer die Prämie für die Altenpfleger finanzieren soll – über viel nötigere Rahmentarifverträge mit fairen Löhnen wird lieber erst gar nicht diskutiert. Undank ist der Welten Lohn. Aber wer hätte schon ehrlich etwas anderes erwartet?

Wie Krisen dafür genutzt werden, im Schatten der Angst und der öffentlichen Aufregung Entscheidungen durchzudrücken, die ganz und gar nicht im Interesse der Allgemeinheit sind, hat Naomi Klein in ihrem epochalen Buch „Die Schock Strategie“ ausführlich geschildert. Warum sollte die „Coronakrise“ da eine Ausnahme machen? Und so landen schon wieder Milliarden an Steuergeldern, die erst in der Zukunft von uns bezahlt werden müssen, unter dem Deckmäntelchen der „Krisenhilfe“ direkt und indirekt in den Taschen von Milliardären und auf den Konten von Finanzkonzernen aus New York und London. Und die Medien? Die befinden sich im Schlaf der Gerechten und regen sich lieber über angebliche „Verschwörungstheoretiker“ auf, als die unglaubliche Umverteilung von Vermögen von unten nach oben zu thematisieren.

Titelbild: Dean Drobot/shutterstock.com


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=61272