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Titel: „Wer hätte das denn ahnen können…?“ – Aufarbeitung der Corona-Skandale ist ein „Nachtreten“

Datum: 11. November 2022 um 12:16 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache
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Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen war einer der schlimmsten Aspekte der Corona-Politik. Die Folgen für diese Gruppen und die Gesellschaft sind fatal. Nun wird so getan, als habe man den Charakter dieser Politik „im Eifer des Gefechts“ nicht einschätzen können. Wenn jetzt Verantwortliche für die schweren begangenen Fehler benannt würden, sei das ein „Nachtreten“, so aktuelle Medienkommentare.* So soll eine echte Aufarbeitung der im Namen von Corona verfolgten Irrwege weiter verzögert werden. Dadurch wird aber einer möglichen Wiederholung des Desasters der Weg bereitet. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zur Einstimmung einige mindestens indirekte Folgen der Corona-Politik (nicht des Virus) für Kinder und Jugendliche, die so gravierend sind, dass sie sogar von Mainstreammedien aufgegriffen wurden. Diese Liste ist sehr unvollständig: Die Zahl der Kinder mit Sprachstörungen hat sich erhöht. Junge Mädchen erhalten deutlich mehr Antidepressiva. Mehr Kinder und Jugendliche leiden an Fettleibigkeit, an Ess- und Angststörungen. Viele Kinder können mutmaßlich auch wegen der Masken „einfachste Gesichtsregungen des Gegenüber“ nicht deuten. Die Corona-Politik hat allgemein die Bildungsprobleme verschärft und allgemein die psychische Verfassung der Gesellschaft beschädigt, was wiederum auf Kinder und Jugendliche zurückfällt. Die Zahl der Suizidversuche von Kindern hat sich drastisch erhöht.

„Besserwisserei und Nachtreten“

Nun wird von vielen Akteuren in Politik und Medien, die mitverantwortlich für Corona-Maßnahmen gegen Kinder und Jugendlichen waren, so getan, als sei man völlig überrascht, dass die oben aufgezählten Symptome jetzt auftreten – als seien diese also nicht absolut voraussehbare Folge von Schul- und Kita-Schließungen, von Bewegungs- und Kontaktverbot, von Maskierung und Panikmache. Aus dieser „Überraschung“ soll wohl teilweise eine Unschuld für die Akteure der Corona-Kampagnen indirekt abgeleitet werden. Beispielhaft seien hier zwei Kommentare aus FAZ und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) erwähnt, zu „neuen Erkenntnissen“ bezüglich der Kita-Schließungen. In der SZ ist zu lesen:

Es ist natürlich leicht, jetzt, im Nachhinein die Nase zu rümpfen und zu schimpfen. Doch vernebeln Vorwürfe den Blick auf das, was eigentlich in solchen Studien zu lesen ist; und, fast noch schlimmer, welche sinnvollen Schlüsse man daraus für die Zukunft ziehen könnte. (…) Und damit wird deutlich, dass es besser wäre, Wissenschaft nicht für Besserwisserei und Nachtreten zu missbrauchen, sondern als Chance für die Zukunft zu begreifen.“

Und die FAZ kommentiert:

Hinterher ist man immer klüger. So zeigte die Corona-Kita-Studie in der vergangenen Woche, dass Kleinkinder keine Treiber der Pandemie waren. Die Kita-Schließungen waren somit ein Fehler, nicht im Sinne des Kindeswohls – und das steht, so hat es der Expertenrat bereits im vergangenen Februar konstatiert, bei Maßnahmen, die Kinder betreffen, an erster Stelle. (…) Daraus aber, wie es in „Querdenker“-Kreisen passiert, gleich wieder ein Versagen der Corona-Politik abzuleiten ist zu simpel. Eine Pandemie trifft die gesamte Gesellschaft, egal ob Kita-Kind, Büroangestellte oder Pflegeheimbewohnerin. Wer noch immer einzelne Bereiche isoliert betrachtet, hat in der Pandemie nichts gelernt. Hinterher ist man immer klüger – aber nur, wenn man sich auch die Mühe macht, etwas zu lernen.“

Wer hätte das denn auch ahnen können…???

„Hinterher ist man immer klüger”: Wer hätte denn auch ahnen können, dass es Kindern nicht gut tut, wenn man sie einsperrt, maskiert und ihnen Angst und Schuldgefühle einjagt? Ein Politikversagen einzugestehen, ist darum nicht nötig, trotz der unfassbaren Folgen dieser Politik: Die Formel von den hektisch veranlassten Maßnahmen gegen die Kinder, die durch die Hektik des Augenblicks diktiert worden seien, soll die Mitarbeit an einer monatelangen Panikkampagne indirekt rechtfertigen. Wer dagegen argumentiert, tritt besserwisserisch und hämisch nach.

Die These mit dem Nachtreten hat einen vorläufigen Tiefpunkt bereits vor einiger Zeit in einem Beitrag beim Bayerischen Rundfunk Kultur zu der Aktion „Ich habe mitgemacht“ erreicht: In dem nun nicht mehr auffindbaren Artikel wurde etwa gefragt, „warum Corona-Leugner immer noch Hass säen“ würden. Unter dem Hashtag #IchHabeMitgemacht „tobt der Twitter-Mob und fordert einen Pranger für alle, die er für die Corona-Politik verantwortlich macht“. Nun kämen „die Trolle noch mal aus ihren Twitter-Löchern heraus“. Die „Corona-Leugner und Impfgegner“ hätten erkennen müssen, sie seien „Eckensteher und Mauerblümchen“, die nicht gemocht würden. #IchHabeMitgemacht sei ein Nachtreten, die Macher würden „lieber pöbeln als nachdenken, lieber an den Pranger stellen“ als „Trauern um die Toten“.

Dass die nun vielzitierte „Unwissenheit“ zu den Wirkungen der Corona-Maßnahmen durch Unterlassung von wichtigen Datenerhebungen mutmaßlich vorsätzlich verlängert wurde, haben die NachDenkSeiten etwa hier oder hier beschrieben. Diese mutmaßlich hergestellte „Unwissenheit“ dient nun auch als eines der Argumente der Entlastung für die Akteure der Corona-Kampagnen: „Wer hätte das denn auch ahnen können…??“

Das ist ein zusätzlicher und sehr unsympathischer Aspekt der Corona-Episode: Dass sich nun viele der Akteure wegducken, die bei den Panikkampagnen mitgemacht haben – und das, obwohl sie für sich aus diesem Mitmachen die (vorübergehend) populäre Pose des für „die Wissenschaft“ und „die Solidarität“ streitenden Virusbekämpfers abgeleitet hatten. Dass diese auf vielen Feldern zerstörerische Politik auch noch teilweise als „links“ verteidigt wurde, ein Protest dagegen also „rechts“ sei, ist zusätzlich grotesk.

Strenger Kurs gegen die Kinder

Dass Schul- und Kita-Schließungen nicht die einzigen Vergehen waren, die im Rahmen der unangemessenen Corona-Politik an den Kindern und Jugendlichen verübt wurden, hat etwa die Webseite „Coronadok“ in diesem Artikel beschrieben (ebenfalls noch unvollständig), weitere Artikel zum Thema finden sich unter diesem Text. Dass der kinderfeindliche Kurs, den die Gesellschaft auf Drängen der Akteure der Corona-Kampagnen eingeschlagen hat, teilweise bis heute fortbesteht, hat die „Welt“ kürzlich in diesem Artikel beschrieben.

Fatal ist auch, dass die Kinder und Jugendlichen mit den Lehrerverbänden nicht etwa eine Lobby haben, sondern ihre Bedürfnisse von diesen besonders missachtet werden: Noch Ende September forderten diese Verbände eine Maskenpflicht für Grundschüler.

Wiederholung verhindern!

Ein ähnliches Versagen vieler gesellschaftlicher Gruppen wie während der Corona-Politik müsste für die Zukunft unbedingt verhindert werden: Das Desaster des verbreiteten Opportunismus darf sich nicht wiederholen! Darum, und für eine gesellschaftliche Versöhnung, wäre eine strenge Aufarbeitung von politischen und medialen Skandalen aus dieser Zeit wichtig – aber die wird wahrscheinlich verhindert werden, weil viele Instanzen mit wirksamer Reichweite bei den Kampagnen mitgemacht haben und sich mit einer Aufarbeitung selber belasten würden.

* Aktualisierung, 11.11.2022: An dieser Stelle war ursprünglich der zu starke Ausdruck „Zivilisationsbrüche“ verwendet worden.

Titelbild: Teran Studios / Shutterstock


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