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Titel: Das Lambsdorff-Papier vom 9.9.1982

Datum: 15. Oktober 2022 um 10:00 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Bundesregierung, Neoliberalismus und Monetarismus, Sozialstaat, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Ziemlich genau vor 40 Jahren, im September 1982, hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) ein Papier veröffentlicht, das zugleich das Ende der damaligen sozialliberalen Koalition festzurrte und die neoliberale Wende einleitete bzw. verschärfte. Wir dokumentieren hier das damalige Originalpapier von insgesamt 34 Seiten. Eine enger gesetzte Fassung findet sich hier. Außerdem dokumentieren wir als Anlage fünf Papiere aus meinem Archiv. Sie zeigen einiges zur Erläuterung und zur Reaktion auf das Lambsdorff Papier. Albrecht Müller.

Anlage A: Die Niederschrift (Auszug) eines Interviews des Deutschlandfunks mit Graf Lambsdorff vom 14.9.1982.

Anlage B: Eine Erklärung von Bundeskanzler Helmut Schmidt in der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 17. September 1982, veröffentlicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung am 20. September 1982.

Anlage C: Ein Vermerk von mir, damals Leiter der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes, an Bundeskanzler Helmut Schmidt „Betr.: Gegenargumente zu Argumenten von CDU-FDP …“ Mit entsprechenden Anlagen. Dabei ging es einmal um die Abwehr des Arguments der FDP und ihrer Sympathisanten, die Partei des Bundeskanzlers habe das Ende der Koalition selbst verschuldet, und dann auch noch um die Nutzung des damaligen Bundeskanzlers durch die FDP bei der vorangegangenen Bundestagswahl 1980. Die FDP hatte unter anderem mit der Berufung auf die Koalition mit Bundeskanzler Schmidt ein Spitzenergebnis von 10,8 Prozent der Zweitstimmen erreicht.

Anlage D: Entschließung des Parteirats der SPD vom 19. September 1982 mit dem Titel: Die Bundesrepublik Deutschland am Scheideweg.

Anlage E: Ein kleiner Artikel aus der „Welt“ vom 18. September 1982 mit einem Hinweis auf eine Äußerung des FDP-Vorstandsmitglieds Borm, einem Befürworter der Fortsetzung der SPD/FDP-Koalition. Er nannte es „mehr als frivol, wenn Hans-Dietrich Genscher (FDP) der SPD die Schuld am Scheitern (der sozialliberalen Koalition) gibt“.

Die Dokumente sind insgesamt von Relevanz für die Beurteilung der damaligen Auflösung der sozialliberalen Koalition. Ich habe als Leiter der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes die Vorgänge in der Mitte des Geschehens miterlebt und mit begleitet. Es war schon sehr früh, spätestens im Frühjahr 1980 erkennbar, dass die FDP die Koalition verlassen will. Damals hat Hans-Dietrich Genscher schon mit Helmut Kohl gekungelt und wurde nur durch den Wahlsieg der SPD bei der NRW-Wahl im Mai 1980 gestoppt. Vorübergehend.

Die Zeit im Vorfeld des Lambsdorff-Papiers war von 1974 an gekennzeichnet von einem wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Hin und Her. Anders als von Lambsdorff behauptet, gab es in dieser Zeit keine stringente Keynesianische Wirtschaftspolitik. Nach der gravierenden Ölpreissteigerung im Herbst 1973 hat die sozialliberale Koalition zunächst erfolgreich gegengesteuert. Dann gab es immer wieder angebotsorientierte Stopps, dann mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP von 1977 einen wirklichen Schub. Damals gab es ein inzwischen verschwundenes Ifo-Gutachten, wonach alleine dieses Programm 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hatte.

Für die Bewertung des Lambsdorff-Papiers ist es noch wichtig zu wissen, dass die Erstellung dieses Papiers wesentlich in den Händen des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Hans Tietmeyer, und damit in den Händen eines engagierten CDU-Politikers lag. Er hat nicht nur die Politik des Hauses, sondern auch den Minister stark beeinflusst. Damit wird auch deutlich, dass das Lambsdorff-Papier nicht nur eine fachliche, wirtschaftspolitisch und finanzpolitisch geprägte Funktion, sondern auch eine politische Funktion hatte.


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