Archiv: Monat: Juli 2007

Die Kapitalbeteiligungsmodelle von CDU/CSU und SPD ein teurer und wenig zielführender Umweg

So sicher wie das Amen in der Kirche folgt jedem Konjunkturaufschwung seit den 60er Jahren eine Diskussion über einen Investivlohn, also einem Lohnbestandteil, der nicht bar ausgezahlt wird, sondern als Beteiligung am Produktivvermögen an die Arbeitnehmer ausgegeben wird. So auch jetzt wieder.
Wenn bei anspringender Konjunktur die Gewinne steigen oder wie in den letzten Jahren gar explodieren und der Arbeitgeberseite bei Tarifverhandlungen die Argumente für „moderate“ Lohnabschlüsse ausgehen, kann man sicher sein, dass von irgendjemand die Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern in die Debatte geworfen wird. Damit lenkt man die öffentliche Debatte von Lohnerhöhungen ab und liefert den Gewerkschaften einen Nebenkriegsschauplatz, man gewinnt Zeit bis die ersten Krisensignale am Horizont erscheinen, mit denen man „überzogenen“ Lohnforderungen wieder die Zähne ziehen kann. Nach den Tarifrunden verschwanden die Vorschläge jeweils wieder in der Schublade zur Wiedervorlage bei passender Gelegenheit. Das war die Dramaturgie seit über vierzig Jahren. Wolfgang Lieb.

Die Frankfurter Rundschau ändert und verliert ihr Format.

Die Seit einem Jahr mehrheitlich dem Kölner Verlag M. DuMont Schauberg gehörende „FR“ erscheint seit Juni im sog. Tabloid-Format und ist nur noch etwa halb so groß wie 60 Jahre lang zuvor. Das ist nicht die einzige Änderung der letzten Zeit. Im Mai 2006 wurde der Chefredakteur Wolfgang Storz gegen den Widerstand der Redaktion fristlos entlassen und durch den vormaligen Chefredakteur der Berliner Zeitung Uwe Vorkötter ersetzt. Die Redaktion hat damals erklärt, dass sie den Weg einer linksliberalen, überregionalen Qualitätszeitung „gern weiter gegangen wäre“. Diese Hoffnung scheint sich zu zerschlagen. Wolfgang Lieb.

CDU-Grundsätze für Deutschland: Eine Vorgetäuschte christliche Moral soll das marktradikale politische Handeln überdecken.

Die Konservativen haben eine jahrhundertelange Übung darin, bestehende ungerechte, ja sogar inhumane Lebensverhältnisse mit moralischem Pathos zu legitimieren.
Das beweist einmal mehr der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU. Die ersten dreißig Seiten des 77-seitigen Programms lesen sich wie ein Glaubensbekenntnis an die christlich abendländischen Werte, danach folgt das in verführerischen Tarnworten gekleidete knallharte Gesellschaftsbild einer „Chancengesellschaft“ in der jeder seines Glückes Schmied ist und derjenige, der seine Chance verpasst hat, der Hilfe zur Selbsthilfe oder bestenfalls der „Nächstenliebe“ überlassen bleibt. Wolfgang Lieb.

Anders als die meisten Meinungsführer bei uns glauben, hat Großbritanniens wirtschaftlicher Erfolg auch etwas mit expansiver Wirtschaftspolitik des neuen Premier zu tun.

Darauf macht die Financial Times in einem Gastbeitrag anlässlich der Übernahme der Regierung durch Gordon Brown aufmerksam. Bei uns in den NachDenkSeiten und „Machtwahn“ wie auch in Peter Bofingers Minderheitsgutachten 2005/2006 konnten Sie das schon seit längerem lesen. Der Sachverhalt ist sehr aktuell, weil die herrschenden Kreise sich bei uns anschicken, mit der einseitigen Konzentration auf Strukturreformen fortzufahren. – Ein Rätsel bleibt für mich, warum die Briten nicht darauf pochten, uns und der EU insgesamt ihre differenziertere wirtschaftspolitische Strategie nahe zubringen. Ist es auszuschließen, dass Sie uns und die andere Euro-Länder mit Thatcherscher Ideologie vollgepumpt ins Aus laufen lassen wollten? Albrecht Müller.

Blinde Eliten: Erfahrungen anderer Länder werden ignoriert

Aus Anlass der Übernahme der Regierung in London durch den bisherigen Schatzkanzler Brown hier ein Auszug aus Albrecht Müllers „Machtwahn“ (2006), Seiten 66f. zur Optimierung der wirtschaftspolitischen Instrumente in den USA (der 90er) und in Großbritannien.

Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit und Solidarität im Schatten der Globalisierung

„Die Globalisierung zwingt die Deutschen dazu, alle sozialen Errungenschaften, die sie in der Nachkriegszeit erkämpft haben, insbesondere ihre solidarischen Sicherungssysteme, auf den Prüfstand zu stellen.“ – „Sie müssen auch ihre traditionellen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität preisgeben.“ – „Um den Sozialstaat zu erhalten, muss er umgebaut, nicht abgebaut werden.“ Solche Parolen beherrschen seit mehr als einem Vierteljahrhundert die politische Öffentlichkeit in Deutschland.
Hengsbach versucht in einem Policy Paper für die Stiftung Entwicklung und Frieden herauszuarbeiten, wie notwendig und wie berechtigt die Anpassung normativer Überzeugungen an eine global veränderte ökonomische Situation in reifen Volkswirtschaften tatsächlich ist. Er skizziert einleitend die wachsende Schieflage der Verteilung von Lebenschancen in Deutschland. Danach unterzieht er die kontroversen Deutungs- und Bewertungsmuster einer kritischen Analyse. Abschließend legt er den wirtschaftlich reichen und mächtigen Ländern wie Deutschland die Aneignung eines „demokratiefähigen Kapitalismus“ als Vorleistung einer gerechten Globalisierung nahe.
Ein sehr lesenswerter Aufsatz, dessen Lektüre wir unseren Leserinnen und Lesern dringend empfehlen.
Quelle: Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit und Solidarität im Schatten der Globalisierung [PDF – 196 KB]