Archiv: Monat: Oktober 2017

Der Fall Santiago Maldonado oder: der Dreckflecken in “United Colors of Benetton”

Nach einem Polizeieinsatz vom 1. August 2017 gegen Straßenblockaden der Mapuche-Ethnie in der in der Ortschaft Cushamen, im argentinischen Patagonien, galt bis zum vergangenen 18. Oktober 2017 der 28-jährige, nicht-indigene Tattoo-Künstler Santiago Maldonado als verschollen. Sein fast dreimonatiges Verschwinden löste weltweiten Protest aus und rief die Menschenrechts-Organisation der Vereinten Nationen auf den Plan. Widersprüchliche Angaben und geheim gehaltene, von der Justiz beschlagnahmte Handy-Fotos der argentinischen Gendarmerie von ihrem Einsatz sowie Zeugenaussagen, die die Festnahme Maldonados und seine Abführung in einem Polizeifahrzeug attestierten, veranlassten argentinische Menschenrechts-Organisationen sowie Teile der einheimischen Medien zum Vorwurf, Maldonado sei wohl „der erste Verschwundene der Regierung Macri“ – eine akzeptable Verdächtigung einer Gesellschaft, die von der Ermordung und dem Verschwinden von 30.000 Gegnern der mehrfach verurteilten Militärdiktatur gezeichnet ist. Von Frederico Füllgraf

Salonlinke in die Produktion!

Gerade wenn man denkt, der unselige innerlinke Grabenkampf zur Einwanderungspolitik sei an seinem Tiefpunkt angekommen, legt das Neue Deutschland noch einmal eine neue Schippe im Niveaulimbo auf. Diesmal schlägt ND-Redakteur Robert Meyer wortstark und argumentationsschwach um sich und klärt die Leser des ehemaligen Zentralorgans der Regierungspartei des Arbeiter- und Bauernstaates auf, dass es so etwas wie eine „deutsche Arbeiterklasse“ doch überhaupt nicht gibt. Stattdessen führt Meyer eine globale „Klasse der Besitzlosen“ ins Feld. Und wer bei der Einwanderungsdebatte die gesonderten Interessen der deutschen Arbeiter heraushebe, argumentierte auf „zweiter Ebene“ rassistisch – so wie Sahra Wagenknecht. Es ist zum Haare raufen. Kennen Salonlinke wie Meyer Arbeiter wirklich nur aus TV-Dokus? Oder ist auch dies nur ein hilfloser Versuch, eine politische Alternative links der „radikalen Mitte“ durch dümmliche politisch-korrekte Phrasen zu desavouieren? Von Jens Berger

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Hinweise des Tages

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. Da der morgige Reformationstag zum 500. Jubiläum der Reformation ein bundesweiter Feiertag ist und am Mittwoch Allerheiligen bei uns in Rheinland-Pfalz ebenfalls ein gesetzlicher Feiertag ist, werden die Hinweise des Tages erst wieder am Donnerstag erscheinen. Selbstverständlich bieten wir ihnen am Dienstag und am Mittwoch dennoch lesenswerte Artikel an und wir würden uns freuen, wenn Sie die feiertägliche Muße nutzen, um ein wenig im Archiv der NachDenkSeiten zu stöbern. (CR/JB)

Pablo Nerudas Fahrer – Annäherungen an Manuel Araya, Teil 1

San Antonio, Chile, im Sommer 2013. Eine Autostunde von Santiago entfernt klebt die achtzigtausend Einwohner zählende Hafenstadt an den steilen Hängen, die sich vom Vorland der Anden in den Pazifik stürzen. Ihr Anblick ist nicht bezaubernd, in Chile kontrastieren die atemberaubenden Naturlandschaften mit der erbärmlichen Stumpfsinnigkeit der Stadtbaukunst. Mit seinem Meer wellblechüberdachter Sperrholzhäuschen wird San Antonio von einer sonderbaren Mischästhetik aus Wildwest und sowjetischem Dorfwesen am arktischen Wendekreis geprägt. Ein Essay von Frederico Füllgraf.

Leserbriefe zu unserem Artikel „Die Spiele mögen beginnen“

Am vergangenen Mittwoch kommentierten wir die konstituierende Sitzung des Bundestages und die fragwürdigen Reaktionen, die sich wieder einmal nur um die AfD drehten und inhaltliche Fragen weitestgehend ignorierten. Dazu erhielten wir einige konstruktive Leserzuschriften, von denen wir Ihnen zwei vorstellen wollen. Wir erhielten jedoch auch Zuschriften von Lesern, die unsere kritische Betrachtung des AfD-Politikers Glaser nicht ganz nachvollziehen konnten. Eine dieser Zuschriften haben wir samt Antwort auch für Sie zusammengestellt.

Hinweise der Woche

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

„Niemals aufgeben. Immer für Recht und Gerechtigkeit kämpfen, auch gegen Bürgermeister und Oberbürgermeister.“

Abraham Melzer

Ist der Begriff Antisemitismus ein Kampfbegriff? Eindeutig ja, sagt Abraham Melzer im Interview mit den NachDenkSeiten. Melzer, dessen jüdische Eltern vor den Nationalsozialisten fliehen mussten, geht davon aus, dass bestimmte Personengruppen gezielt den Begriff Antisemitismus einsetzen, um Kritik an Israel zu verhindern. Wie Melzer, der als Verleger seit vielen Jahren jüdische Themen der Öffentlichkeit zugänglich macht, im Interview erklärt, ist er selbst aufgrund seiner Israelkritik dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. „Das ist doch absurd“, sagt Melzer.
Das Interview führte Marcus Klöckner.

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Videohinweise der Woche

Hier finden Sie in der Regel wöchentlich einen Überblick über interessante Videobeiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie anschauen wollen. Die Videohinweise sind auch auf unserer YouTube-Seite als spezielle Playlist verfügbar. (CG/JB)

Hinweise des Tages II

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Die Anstalt: „Gegenöffentlichkeit im Leitmedium“

Dietrich Krauss

Der Blick auf die soziale Gerechtigkeit scheint die Macher der ZDF-Satire-Sendung die Anstalt anzutreiben. Das wird auch im Interview deutlich, das die NachDenkSeiten mit Dietrich Krauss, dem Macher der Anstalt geführt haben. Krauss, der zusammen mit den Anstaltskabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner die Konzepte für die Sendungen ausarbeitet, betont im Interview: Soziale Gerechtigkeit sei ein Thema, das im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen müsse, doch stattdessen könne man mitansehen, wie dieses gerade sowohl von Martin Schulz als auch von Journalisten unsichtbar gemacht werde. Ein Gespräch über Politik, Medien und das Innenleben der Anstalt. Das Interview führte Marcus Klöckner.

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We’re all living in Amerika

Wer immer gedacht hat, soziale Netzwerke seien globale Netzwerke zum freien Meinungsaustausch, dem bewies Twitter gestern das Gegenteil. Der US-Konzern kündigte unter Verweis auf „eine Einmischung in den Wahlkampf“ die Werbekonten der russischen Medienkonzerne Russia Today und Sputnik. Dies kann man wohl unter der Kategorie „vorauseilender Gehorsam“ verbuchen, müssen die Vertreter der großen Internetkonzerne doch in der nächsten Woche vor einem Senatsausschuss zum Thema aussagen. Wie war das noch mit der Meinungsfreiheit, die westliche Medien wie eine Monstranz vor sich hertragen? Meinungsfreiheit gilt im Westen nur dann, wenn man die richtige Meinung hat. RT und Sputnik gehören offenbar nicht dazu. Doch dieses Thema geht uns alle an, da amerikanische Internetkonzerne in nahezu allen Bereichen des Netzes eine monopolartige Stellung haben. Wenn Twitter repräsentativ für die Branche ist, dann muss man spätestens seit gestern wohl folgern, dass das Netz amerikanisch ist. Eine mächtigere Waffe im Kampf um die Köpfe der Menschheit hat es noch nie gegeben. Kein Cäsar, kein Kublai Khan, kein Napoleon, kein Hitler und kein Stalin hatten je die Macht, global die Kommunikation zu kontrollieren. Von Jens Berger.

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Das „System“ überwinden – eine wirre Vorstellung, die das linke Lager auf Dauer von der Macht fernhalten wird.

Die gesellschaftspolitische Debatte ist auch im linken Teil unserer Gesellschaft in einem miserablen Zustand. Vorstellungen vom angepriesenen Systemwechsel werden – in einem wilden Durcheinander – als Allheilmittel angeboten. Wer hingegen nur Verbesserungen des „Systems“ anbietet und damit dem TINA-Prinzip – es gäbe keine Alternative zum herrschenden Neoliberalismus – widerspricht, erscheint als bodenlos veraltet. Heiner Flassbeck fordert eine Klärung im linken Lager. Hier folgt sein Beitrag, der heute auch auf Makroskop erscheint. Albrecht Müller.

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Hinweise des Tages

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Die Air Berlin Insolvenz zeigt, was der Mensch der Politik wert ist – nämlich gar nichts

Rund 4.000 Mitarbeiter der insolventen Fluglinie Air Berlin dürfen sich wohl künftig arbeitslos melden. Politik und beteiligte Unternehmen haben es nämlich nicht geschafft, 50 Millionen Euro für eine Auffanggesellschaft aufzutreiben. Das Land Bayern weigerte sich, überhaupt einen einzigen Cent zu bezahlen und für Nordrhein-Westfahlen und den Bund sind die anteiligen rund 10 Millionen Euro angeblich zu viel. Nur „Arm-aber-Sexy-Berlin“ wollte zahlen, kann die Summe aber alleine auch nicht stemmen. Man merkt es, der Wahlkampf ist vorbei und es geht ja nur um Menschen. Besonders beschämend ist, dass auch die Lufthansa sich nicht an einer Auffanggesellschaft beteiligen wollte – man habe schließlich schon viel Geld für die Flugzeuge der Air Berlin ausgegeben und werde ja auch einen Teil der Mitarbeiter übernehmen. Das stimmt. Die Lufthansa hat sich die Flugzeuge zu einem Spottpreis unter den Nagel gerissen und will nun die ehemaligen Air-Berlin-Mitarbeiter zu Dumpinglöhnen über fragwürdige Beschäftigungsmodelle einstellen. Fein raus ist indes der letzte Chef von Air Berlin, der für wenige Wochen Arbeit nun mit 4,5 Millionen Euro nach Hause geht – dieses Geld war durch eine gesonderte Bankbürgschaft abgesichert. Die gesamte Insolvenz ist nur noch mit einer Überdosis an Zynismus zu ertragen. Von Jens Berger.

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