Beiträge von Wolfgang Lieb
Dass Unternehmen in Deutschland nach geltendem Recht im internationalen Vergleich überdurchschnittlich belastet sind, hält einer seriösen Betrachtung nicht stand.
Die „offizielle“ Begründung für eine weitere steuerliche Netto-Entlastung der Unternehmen steht auf tönernen Füßen: Untermauert wird die These von der fehlenden Konkurrenzfähigkeit des Steuerstandorts Deutschland ausschließlich mit hypothetischen Modellrechnungen, die die Komplexität der gegebenen Steuersysteme nur unzureichend erfassen. Die empirisch messbare Realität der Kapitalbesteuerung wird weitgehend ignoriert. Sobald die steuerliche Gesamtbelastung von Kapital- und Personengesellschaften in den Blick genommen wird, müssen auch die Verfechter einer weiteren Netto-Entlastung des Unternehmenssektors einräumen, dass Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich bereits nach geltendem Recht nicht überdurchschnittlich belastet sind. Lesen Sie dazu einen Beitrag von Andreas Bovenschulte.
Wie der Neo-Nationale Matthias Mattusek die WM-Euphorie umdeutet: Die „Bejahungswelle“ stelle selbst die Wiedervereinigung in den Schatten.
Der Kulturchef des SPIEGEL sieht in einem DLF-Interview in der Begeisterung und Partystimmung der Fußballfans auf einer „atavistischen tiefen Ebene in jedem von uns des Gefühl der Zugehörigkeit zu den eigenen Leuten“. Was da wachgerufen wurde, habe „sich ins kollektive Bewusstsein gesenkt und abgelagert und wird als abrufbare Erinnerung bleiben“.
In Klinsmann sieht er geradezu eine germanische Heldenfigur, „wo ein einzelner verkörpert, was kollektiv vorher gewünscht, geträumt, gedacht wurde.“ Eine solche „Lichtgestalt“ brauche man auch in der Politik. „Wir brauchen in der Politik unbedingt so jemanden“.
Der ausgebrochene Patriotismus sei „natürlich sehr tauglich“ durch schwierige Zeiten zu kommen und „schmerzhafte Einschnitte“ hinzunehmen und zu sagen: „Okay, das muss jetzt sein, diesen Einschnitt machen wir.“
Warum machen solche Sätze als einem Deutschen wie mir Angst?
Joachim Jahnke: Warum kann die Regierung nicht aus den Steuersenkungen der Vergangenheit lernen? Zu einem konjunkturankurbelnden Ausgabenschub der von Steuersenkungen begünstigten Unternehmen und Besserverdiener ist es nie gekommen.
Die nun von der Großen Koalition am 4. Juni in den Eckwerten bereits festgelegte Unternehmenssteuerreform soll die Unternehmenssteuern weiter drastisch absenken und erregt daher zu Recht die Gemüter. Denn während der Staat zu Lasten der „kleinen Leute” die Mehrwertsteuer erhöht und die Steuererleichterungen von der Entfernungspauschale und dem Sparerfreibetrag kürzt, verzichtet er hier auf etwa 5 Mrd Euro an Steuereinnahmen. Und dies geschieht zugunsten im Durschschnitt sehr gut verdienender Unternehmen. So sind die Gewinne der 30 führenden Konzerne in Deutschland im Jahr 2005 um 36 Prozent auf 51 Milliarden Euro gestiegen – so stark wie noch nie zuvor.
Nie zuvor war das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber den politischen Parteien geringer. Die Große Koalition steht in der Wertung der Wähler wieder so schlecht da wie die Regierung Schröder.
Die „Menschen“ sind zu Veränderungen bereit, das Volk wünscht Reformen, so behaupten vom Bundespräsidenten, über die Parteispitzen bis zu den Leitartiklern alle.
Das mag wohl sein, aber offenbar halten die Leute die Richtung der Veränderung und die Art der Reformen für falsch oder wenigstens für untauglich. Wie wäre es sonst zu erklären, dass die relative Mehrheit der Überzeugung ist, dass keine der Parteien in der Arbeits-, Renten-, Steuer- und der Gesundheitspolitik zielführende Lösungen anbietet. 66% der Bürger trauen keiner der politischen Partei zu, die Probleme in den Griff zu bekommen.
Die Antwort des vorherrschenden Meinungskartells auf diese Abwendung des Volkes von der praktizierten Politik dürfte wieder einmal sein: Erhöhung der Reformdosis und Beschleunigung der Veränderung.
Auf den ziemlich nahe liegenden Gedanken, dass die Menschen dem Reformkurs insgesamt misstrauen und Reformen und Veränderungen in einer ganz anderen Richtung wünschen, kommt kaum jemand.