Kategorie:
Agenda 2010

„Der Big Bang steht noch bevor

OFFSHORING (I) Der Job-Export zerstört die Innovationskraft ganzer Volkswirtschaften“
Freitag 47, 25.11.05
Ein Hinweis mit einem längeren Kommentar: Der Beitrag von Wolfgang Müller im FREITAG ist ein gutes Beispiel dafür, zu welchen Fehlschlüssen es führen kann, pars pro toto zu nehmen (also vom Teil auf das Ganze zu schließen). (KR/AM)

EU-Kommission: „Jobless recovery“ in Europa. Trotz eines durchschnittlichen Wirtschaftswachstums von 2,4% blieb der Beschäftigungszuwachs auf 0,6% beschränkt.

Der Kommission fällt in ihrem siebten Beschäftigungsbericht 2005 aber beschäftigungspolitisch nichts anderes ein als ein Festhalten an der Lissabon-Strategie, d.h. eine Intensivierung der „strukturellen Reformen“, weitere Senkungen der Lohnnebenkosten, mehr Deregulierung des Arbeitsmarktes und Niedriglöhne – die alten (erfolglosen) Rezepte eben. Makroökonomisch belässt es Kommissar Vladimir Spidla bei einem Appell an Unternehmer und Konsumenten, mehr nachzufragen und in „Humankapital“ zu investieren.
Deutschland wird neben den Niederlanden und Polen wegen schwacher Binnennachfrage eine unterdurchschnittliche Arbeitsmarktentwicklung bescheinigt.
Die skandinavischen Länder mit den geringsten Einkommensunterschieden sind gleichzeitig die Länder mit einer guten Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung.

Quelle: European Commission [PDF – 1.4 MB]

Neuer Verteilungsbericht des WSI: Lohnkaufkraft in Deutschland weiter auf Tiefststand. Deutschland gerät noch tiefer in eine „Verteilungsfalle“

Der langjährige Rückgang beim Kaufkraftpotential von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist 2004 und 2005 durch die letzten Stufen der rot-grünen Steuerreform kurzfristig aufgehalten worden. Doch die Beschlüsse der großen Koalition werden die ungleiche Entwicklung zwischen den Arbeitseinkommen einerseits sowie den Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen andererseits wieder forcieren. Dies ist eine Schlussfolgerung aus dem neuen Verteilungsbericht 2005 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. „Damit wächst die Gefahr, dass Deutschland noch tiefer in die Verteilungsfalle gerät, die seit langem auch für die Schwäche von Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt verantwortlich ist“, sagt Dr. Claus Schäfer, Autor des WSI-Verteilungsberichts.

Arbeitssoziologe Klaus Dörre über Ein-Euro-Jobs, Tagelöhner und die neue Unsicherheit

Unsichere und ungeschützte Arbeitsverhältnisse breiten sich aus und sind in vielen Branchen inzwischen normal. Ein-Euro-Jobs, eine neue Form von Scheinarbeit. Weder für Leiharbeiter noch für Ein-Euro-Jobber gibt es große Erfolge beim Übergang in den Arbeitsmarkt zu vermelden. Prekarisierte Arbeitsverhältnisse sind für die Unternehmen nicht nur billiger, sie üben darüber auch Druck auf die Stammbelegschaft aus. „Wer vom sozialen Abstieg bedroht oder betroffen ist, neigt zu so genannter Staatsverdrossenheit, sprich: Er fühlt sich vom politischen System nicht mehr repräsentiert“ schreibt Dörre in der Berliner Zeitung.

Joachim Jahnke: Fünf Gründe, die gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit sprechen:

  1. In Deutschland wird ohnehin mehr als sonst wo (auch fürs Alter) gespart. (Dieses Argument berührt allerdings die Begründung, dass wegen der „Überalterung“ bei einer umlagefinanzierten Altersversicherung länger „eingezahlt“ werden müsse, nicht direkt.)
  2. Schon heute fühlen sich 73% der über 65-jährigen chronisch krank.
  3. Die höhere Lebenserwartung ist nicht gleich verteilt. Menschen im untersten Viertel der Einkommensverteilung haben eine um 4 bzw. 6 Jahre kürzere Lebenserwartung.
  4. Die allgemeine Anhebung des Renteneintrittsalters wird die Arbeitslosigkeit erhöhen.
  5. Die Anhebung des Altersdurchschnitts wirkt sich negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit aus.

(Anmerkung: Ich teile nicht alle Argumente, dennoch gibt J. Jahnke Denkanstöße.)

Quelle: www.jjahnke.net

Massenproteste gegen Arbeitsmarktreformen in Australien

Am 16.11.05 hatten wir in den NachDenkSeiten unter Überschrift „Australien, anderes Land, die gleiche „Reform“-Politik: 100.000 protestieren“ einen Hinweis auf einen Spiegel-Bericht über die Protestaktionen in Australien. Ein Leser war mit diesem Hinweis überhaupt nicht einverstanden. Da er gute Kontakte zu australischen Gewerkschaftern hat, haben wir ihn gebeten, deren Sicht der Dinge für uns einmal aufzuschreiben. Weil über die gewerkschaftlichen Positionen in Australien bei uns wohl kaum irgendwo ausführlich berichtet werden dürfte, wollen wir seinen Beitrag gerne in unserer Rubrik Sachfragen unter den Länderberichten übernehmen.

“Die halbierte Gesellschaft”

Ein ausgezeichneter Kommentar VON WOLFGANG STORZ, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und Mitautor des Buches „Wider die herrschende Leere – Neue Perspektiven für Politik und Wirtschaft“. Schon der Kommentar zeigt die analytische Kraft des Autors.

Christoph Butterwegge: „Der denunzierte Sozialstaat“.

BILD, SPIEGEL, Christiansen, alle ziehen über die „Schmarotzer“ am Sozialstaat her. In den 1970er und 80er Jahren war es der „Asylmissbrauch“, nach einer drastischen Einschränkung des Asylgrundrechtes wurden Anfang der 90er die Sozialhilfeempfänger zu „Sozialschmarotzern“ und heute denunziert der scheidende Wirtschaftsminister Clement die Alg-II-„Parasiten“. Seit über 30 Jahren wird der Sozialstaat systematisch denunziert.

Ist der Kündigungsschutz wirklich ein Beschäftigungshemmnis? Das WSI hat die Behauptungen der Deregulierer empirisch überprüft und kommt zu ganz anderen Befunden.

Kündigungsschutz und Arbeitsrecht sind Dauerbrenner in der politischen Debatte. Weniger Absicherung bringe mehr Jobs, der Kündigungsschutz bremse die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt, lautet eine häufig geäußerte Meinung. Was sagen Wissenschaftler? Das Projekt “Regulierung des Arbeitsmarktes” (REGAM) am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu ganz anderen Ergebnissen – und zwar auf der Basis empirischer Fakten.

Mehr Arbeitsplätze ohne Staat? Für Großbritannien gilt das nicht.

In der deutschen Debatte wird in der Regel so getan, als verdankten die beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit erfolgreicheren Länder dies vor allem so genannten Reformen. Da ist es gut und erhellend, wenn man genauer hinschaut. Bei der Financial Times Deutschland läuft gerade eine Serie mit Berichten aus so genannten Modellländern: “Strebercheck: Modellländer im Test”. Wir weisen daraufhin, auch wenn wir nicht alle Analysen der ftd teilen. Außerdem verweisen wir auf den Tagebucheintrag vom 12. 10. – einer Erörterung zum skandinavischen Modell.