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Ökonomie

Verbraucherpreise Januar 2007: + 1,6% zum Januar 2006

Die Teuerungsrate hält sich laut Statistischem Bundesamt trotz der Mehrwertsteueranhebung in Grenzen. Jedenfalls gibt es aus deutscher Sicht keinen Anlass für die EZB die Zinsschraube weiter nach oben zu drehen.
Der Anstieg der Teuerungsrate von 1,4% im Dezember 2006 auf 1,6% im Januar 2007 um 0,2%-Punkte sei nur teilweise auf die zum 1. Januar 2007 wirksam gewordenen Steuererhöhungen (Mehrwert- und Versicherungsteuer) zurückzuführen. Die Wiesbadener Statistiker vermögen zwar noch nicht abzuschätzen, in welchem Maße die Mehrwertsteuererhöhung tatsächlich die Verbraucherpreise beeinflusst. Dazu wirken im Augenblick zu viele Sonderfaktoren, wie etwa sinkende Energiepreise oder Preisrückgänge nach dem Weihnachtsgeschäft. Beim Kauf von Kraftfahrzeugen oder bei anderen Waren und Dienstleitungen und im Bildungswesen liegen die Preissteigerungen jedoch im Januar gegenüber dem Vormonat sogar höher als der durch die Mehrwertsteuererhöhung theoretisch errechnete mögliche Effekt.

„Arbeitszeitverlängerungen schaffen Arbeitsplätze“? Ein weiterer Mythos wird durch die Wirklichkeit zerstört

Der „Aufschwung“, von dem jetzt überall die Rede ist, erreicht im verarbeitenden Gewerbe jedenfalls nicht den Arbeitsmarkt. Das Umsatzwachstum im Verarbeitenden Gewerbe von 6,5% im Jahre 2006 geht ausschließlich auf „die Knochen“ der Arbeitnehmer: 0,6% weniger Arbeitnehmer schaffen laut Statistischem Bundesamt nicht nur mehr Umsatz sondern leisten auch 0,1% mehr Arbeitsstunden. Dabei wurden doch in den letzten Jahren ständig die Legende verbreitet, dass durch die Arbeitszeitverlängerungen (ohne Lohnausgleich) Arbeitsplätze gesichert würden, ja das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft behauptete sogar, sie hätten sogar „beschäftigungsfördernde Wirkung“.

„Deutsche Wirtschaft im Dauerhoch“

… meldet die FR heute. Und weiter u.a.: „Die deutsche Wirtschaft wächst stärker als erwartet. … Nach den neuesten Berechnungen ist die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent gewachsen – so stark wie seit 2000 nicht mehr. ….
Viele Experten halten es sogar für immer wahrscheinlicher, dass 2007 erneut eine Zwei vor dem Komma stehen wird.“
Schön wäre das ja alles. Aber leider sind diesen Berichterstattern offenbar die Proportionen verloren gegangen.

Wettbewerb und Rechtsordnung

Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Kommission habe sich in den letzten Jahren vom Leitbild der Ordoliberalen in Richtung der neoliberalen Anhänger von Milton Friedman bewegt. Es werde nicht mehr eine Rahmensetzung für den Wettbewerb durch einen starken Staat verlangt, staatliche Eingriffe sollten vielmehr so weit wie möglich abgebaut werden. Öffentliche Unternehmen sollten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig sein.
Eine derart von der wirtschaftlichen Macht abstrahierte Wettbewerbspolitik verliere nicht nur an Legitimität, sondern könne auch in einen Widerspruch zu kollidierenden Verfassungsgrundsätzen der Gleichheit und der Solidarität geraten, die sich u. a. im Gleichheitssatz und im Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes niederschlagen, vor allem auch in der Koalitionsfreiheit.
Wenn eine neue europäische Verfassung verabschiedet werden sollte, müsste auch der Koalitionsfreiheit und dem Sozialstaatsprinzip unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten zuerkannt werden. Dies wären Bollwerke, die einer Verabsolutierung des Wettbewerbs entgegenstehen. Eine Abschiedsvorlesung von Bernhard Nagel.

Die Klötze am Bein einer von der herrschenden Lehre geprägten Volkswirtschaft.

Viele Beobachter merken inzwischen, dass die herrschende Lehre – man kann sie Neoliberalismus nennen, ich nenne Sie einfach die herrschende Lehre – von der notwendigen makroökonomischen Steuerung einer Volkswirtschaft nicht viel versteht. Mein Eindruck ist immer mehr, dass diesen Ideologen auch das ziemlich fremd ist, was sie meinen gepachtet zu haben: die Sorge für die Wettbewerbsfähigkeit, die optimale und effiziente Allokation der Ressourcen. Sie hängen unserer Volkswirtschaft jedenfalls einen Klotz nach dem andern ans Bein. Sie versagen genau da, wo sie sich besonders stark fühlen: bei der volkswirtschaftlichen Effizienz und damit bei der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit. Albrecht Müller.

Mindestlohn: Man braucht nicht immer nur neue „Reformen“, man könnte auch einfach das vorhandene alte Recht anwenden oder erweitern.

In der Großen Koalition gibt es ein zähes Ringen um die gesetzliche Einführung eines Mindestlohns. Als Kompromiss zwischen SPD und CDU wird über eine Ausweitung des sog. Entsendegesetzes auf weitere Branchen diskutiert, was ja nur auf die Abwehr von Billig-Lohn-Konkurrenz aus EU-Niedriglohnländern zielt. Dabei brauchte nur ein uraltes Gesetz aus dem Jahre 1952 angewandt oder falls erforderlich erweitert werden, das “Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen” (MiArbG). Dort heißt es in § 1 Abs. 2:

Mindestarbeitsbedingungen können zur Regelung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen festgesetzt werden, wenn

  1. Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern für den Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen und
  2. die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint und
  3. eine Regelung von Entgelten oder sonstigen Arbeitsbedingungen durch Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nicht erfolgt ist.

Der Exportweltmeister übertrifft sich selbst

Wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, wurden im Jahr 2006 von Deutschland Waren im Wert von 893,6 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 731,7 Milliarden Euro eingeführt. Die deutschen Ausfuhren waren damit im Jahr 2006 um 13,7% und die Einfuhren um 16,5% höher als im Jahr 2005. Damit dürfte Deutschland im Jahr 2006 den Titel als Exportweltmeister verteidigt und in der Rangliste vor den USA und China gelegen haben. Wolfgang Lieb.

Stephan Schulmeister: Das neoliberale Weltbild – wissenschaftliche Konstruktion von „Sachzwängen“ zur Förderung und Legitimation sozialer Ungleichheit

Schulmeister, Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, versucht in seinem Aufsatz [1.7 MB] die wesentlichen Aspekte des Neoliberalismus als sozialphilosophische und wirtschaftswissenschaftliche Doktrin sowie als Leitlinie für die Politik zusammenzufassen und die gesellschaftlichen Folgen ihrer (partiellen) Umsetzung herauszuarbeiten. Dabei widmet er dem Verhältnis zwischen Neoliberalismus und dem Finanzkapitalismus einerseits und der Globalisierung andererseits besondere Aufmerksamkeit. Denn diese beiden „Regimes“ stellten jene großen „Sachzwänge“ dar welche vielen als Hauptursachen für die sich seit 25 Jahren vertiefenden Krise in den europäischen Sozialstaaten erscheinen.

Anmerkungen zur Strategie der Meinungsmache: „Die Wirtschaft boomt“ und „Null Bock auf Job“.

Seit längerem fällt schon auf, dass die ein bisschen besser verlaufende Konjunktur zu einem Boom hochstilisiert und in der Regel auch den Reformen zugeschrieben wird. Jetzt bringt der WDR in einer Ankündigung für „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg – der Fernsehtipp auf der WDR-Startseite vom 30.1. – eine Erklärung dafür ins Spiel, dass trotz des angeblichen Booms noch zu viele Menschen arbeitslos sind: „Null Bock“ – also selbst schuld. Beide Behauptungen sind höchst fragwürdig. Sie sind vermutlich Teil der fortwährenden Gehirnwäsche.

Konsumschock und der klügste Wirtschafts-Professor: Sinn

Heute melden die Medien mit Berufung auf eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Gfk, das „Konsumklima schwächt sich im Januar wegen Mehrwertsteuer-Erhöhung ab“. Erstaunlich ist das nicht. Wenn man die wirtschaftliche Entwicklung einigermaßen nüchtern betrachtet und die massive Mehrwertsteuererhöhung angesichts eines äußerst schwachen Aufschwungs sachlich bewertet, dann kann man zu keiner anderen Vorhersage kommen.
Apart in diesem Zusammenhang: Gestern hat die Bild-Zeitung den Münchner Professor Hans-Werner Sinn mal wieder als den klügsten Wirtschafts-Professor vorgestellt. In seinem Interview hat er zum Sparen geraten. Damit liegt er genauso schief wie in seinem Buch, als er Export und Import verwechselte. Wir dokumentieren zu Ihrer Information einiges zur Inkompetenz von Prof. Sinn und zur konjunkturellen Lage. Albrecht Müller.

Jordan Flaherty: Das Weltsozialforum in Nairobi – ein Tagebuch

Das Weltsozialforum versteht sich als Gegenveranstaltung zum „Weltwirtschaftsgipfel“ in Davos. In dieser Woche versammeln sich Zehntausende von Menschen, die fast alle Nationen und Völker repräsentieren, um Strategien zu finden, zu debattieren und für Lösungen zu kämpfen, um die weltweite Ungerechtigkeit und Ungleichheit überwinden zu können. Zum ersten Mal ist das Weltsozialforum nach Nairobi in Kenia gekommen. Lesen Sie einen Bericht von Jordan Flaherty, der durch seine Reportagen über die Auswirkungen des Wirbelsturms „Katrina“ in New Orleans auch in Deutschland bekannt geworden ist, mit einem Vorwort und in einer Übersetzung von Brigitta Huhnke.