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Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik

Alle reden über die soziale Gestaltung der Globalisierung, doch von den Ergebnissen der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) wird in den Medien kaum Notiz genommen

Die IAK wird von der ältesten multilateralen Organisation, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durchgeführt. Sie soll die Interessen von Arbeitnehmern in allen Teilen der Welt schützen und fördern. Die IAK tagte vom 30. Mai bis 15. Juni 2007 alljährlich in Genf. Während die Show-Veranstaltung des G 8-Treffens wochenlang von den Medien hochgejubelt wurde und 4.500 Journalisten nach Heiligendamm reisten, um ein paar nichtssagende Pressestatements groß aufzublasen, wurde über die Konferenz von 160 Mitgliedstaten, wo Beschlüsse über die weltweite Förderung von Arbeitnehmerrechten gefasst wurden, fast gar nicht berichtet.
Trotz intensivster Suche haben wir gerade zwei ernstzunehmende Berichte, einen in der FR und einen in der taz, gefunden. Wir haben sogar davon gehört, dass von einzelnen Wirtschaftsredaktionen, die IAK ganz bewusst totgeschwiegen wurde.
Die NachDenkSeiten wollen dieser Schweigespirale gegenüber Arbeitnehmerinteressen wenigstens ein wenig entgegenwirken. Die ehemalige DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer hat für die deutschen Gewerkschaften auf dieser Konferenz teilgenommen, sie stellt uns ihren Bericht zur Verfügung.

WSI: Beschlüsse des Koalitionsausschusses in Sachen Mindestlohn setzen hohe Hürden

Der Mindestlohn-Kompromiss der Großen Koalition bringt allenfalls eine Teillösung des Niedriglohnproblems. Er baut hohe Hürden für die Ausweitung des Entsendegesetzes auf und sieht ein umständliches branchenbezogenes Verfahren für Lohnuntergrenzen vor. Zu diesem Ergebnis kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) in einer ersten Analyse des Koalitionsbeschlusses. “Bestenfalls werden die geplanten Regelungen zu einem Flickenteppich von unterschiedlichen Lohnuntergrenzen führen”, resümieren die WSI-Forscher Reinhard Bispinck, Thorsten Schulten und Claus Schäfer.

Tarifbindung nimmt weiter ab

Wir geben ihr mit eine auch für unsere Leser interessante Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 14.6.2007 einfach weiter. Die Daten betreffen eine für Arbeitnehmer und Gewerkschaften kritische Entwicklung. Albrecht Müller.

Nochmals: Ver.di: Mindestlohn schafft 450 000 Jobs

Am 29. Mai haben wir unter der Ziffer 12 unserer Hinweise auf eine Studie von Klaus Bartsch hingewiesen, in der dieser durchgerechnet hat, dass die Einführung des Mindestlohns die Binnennachfrage spürbar anregen und dadurch mehrere Hunderttausend neue Jobs schaffen könnte.
Wir haben angesichts z.B. einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt, zu dem Gutachten im Auftrag von ver.di sicher sehr oberflächlich angemerkt, dass wir von solchen Studien generell nicht viel halten. Wir sind mit diesem Urteil Klaus Bartsch vor allem im Vergleich zu anderen Studien zu diesem Thema nicht gerecht geworden. Wir möchten deshalb gerne die Stellungnahme von Klaus Bartsch unseren Leserinnen und Lesern zur Kenntnis geben.

Nachtrag zum Streik Telekom: Kurt Tucholsky

Dies als Ergänzung zu unserer Bitte von gestern, die Mitarbeiter der Telekom zu unterstützen. Der Dank für den Hinweis geht an einen Freund der NachDenkSeiten, der uns des öfteren mit historischen, literarischen Dokumenten versorgt. Ein wahrer Kenner des Weimarer Niedergangs. Das bringt mich zu der Frage: Möchten Sie öfter mal solche Rückerinnerungen lesen?

Bitte werben Sie für die Anliegen der Beschäftigten der Telekom. Auch beim Mittelstand und allen, denen es besser geht.

In einem gestern eingestellten Hinweis auf einen Beitrag von Lucas Zeise in Financial Times Deutschland konnten Sie schon lesen, dass es beim Plan der Telekom um eine sinnlose Lohndrückerei geht. Zur Erinnerung: „Der Telekom-Vorstand handelt mit seinen Sparmaßnahmen nicht einmal im Interesse der Aktionäre. René Obermann ist keinesfalls zur Stellen-Auslagerung gezwungen.“ Hier wird mutwillig ein sozialer Konflikt angeheizt. Im Kern sollen auf Kosten der Beschäftigten und der Binnen-Kaufkraft Renditevorstellungen internationaler Großanleger durchgesetzt werden. Wo bleibt eigentlich der Hauptaktionär Bund?

Adecco-Chairman Clement meldet sich zurück

Der ehemalige Superminister und heutige Multi-Aufsichtsrat, Vorstandsmitglied im Verlag Neven DuMont, Mitglied im „Konvent für Deutschland“, WamS-Kolumnist sowie „Chairman“ des Adecco Institute in London – ein vom „Weltmarktführer für Personaldienstleistungen“ finanziertes Institut – sagt uns im Zeitgeistmagazin „Cicero“, wo es in der Großen Koalition lang gehen muss. Ein typisches Beispiel des gängigen inhaltsleeren, ja unsinnigen „Reformsprechs“.

Anmerkungen zum Tarifabschluss Metall

Weil der Tarifabschluss kompliziert ist und wir keine falsche Interpretation liefern wollten, haben wir uns bis zur genauen Prüfung zurück gehalten. Wir werden von Lesern auf andere Quellen hingewiesen, in denen auf der Basis nicht nachvollziehbarer Berechnungen die Rede davon ist, die 4,1% seien „hochgezogen worden, um die Arbeitnehmer ruhig zu halten“.
Berauschend finden wir das Ergebnis angesichts der langen Stagnation der Arbeitnehmereinkommen auch nicht, aber ein Erfolg ist es angesichts des Ungleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt und der schwachen Position der Arbeitnehmerschaft schon. Hier die Fakten und einige Interpretationen.

Ein Musterbeispiel dafür, wie der fortschrittliche Teil auseinander fliegt.

„Brauchen wir ein neues Sozialsystem?“, fragt die taz. Und weiter:
“Nur noch eine Minderheit hat einen unbefristeten und sozialversicherten Arbeitsplatz. Deren Risiko, zum Sozialfall zu werden, hat erheblich zugenommen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte das bedingungslose Grundeinkommen als verlässliche Existenzsicherung für alle sein. Die Koalition für das Grundeinkommen wird immer größer.“
Quelle: taz
Der Text ist lesenswert, weil er typisch ist für einen Teil der Linken oder Grünen, wie man auch immer das Spektrum der taz-Autoren nennen will. Sie haben nahezu alles drauf, was es an Vorurteilen über Zwangsläufigkeiten unserer Wirtschaftsentwicklung gibt. Gestaltungsmöglichkeit gleich null. Beachtlich: Albrecht Müller.

Memorandum 2007: Mehr und bessere Beschäftigung, ökologischer

Der Aufschwung werde getragen durch die Kombination einer noch einmal gestiegenen Exportnachfrage und deutlich höheren privaten Investitionen. Das wichtigste Aggregat der Binnenkonjunktur, der private Verbrauch, habe sich demgegenüber nur sehr geringfügig bewegt, was wegen des erneuten Rückgangs der realen Nettolöhne
und -gehälter um 1,4 Prozent nicht verwundern könne. Der Aufschwung sei somit ohne dauerhafte Grundlage. Lesen Sie die Kurzfassung des Memorandums [PDF – 216 KB] der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik mit vielen Fakten und Diskussionsanstößen für mehr und bessere Arbeitsplätze. Wolfgang Lieb.

„Jobmotor Mittelstand“, eine Legende?

Keine wirtschaftspolitische Rede, ohne dass die besonderen Anstrengungen des Mittelstands bei der Arbeitsplatzsicherung gelobt werden und kaum eine „Reform“ die nicht mit dem Versprechen auf die positiven Auswirkungen für den „Jobmotor Mittelstand“ begründet wird. Die Große Koalition versprach sogar eine „Mittelstandsoffensive“, mit verbesserten Abschreibungsbedingungen, erleichterten Kreditvergaben und vor allem erhebliche Entlastungen bei der Schenkungs- und Erbschaftssteuer.
Das allgemeinen Gerede vom „Jobmotor Mittelstand“ hat Joachim Wagner von der Universität Lüneburg empirisch überprüft [PDF – 512 KB]. Überraschendes Ergebnis: Die These vom „Jobmotor Mittelstand“ ist viel zu undifferenziert. In mittelständischen Betrieben entstehen viele Arbeitsplätze, aber es werden auch viele abgebaut und dasselbe gilt für Großbetriebe.
Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer spezifischen Ausrichtung auf bestimmte Firmengrößen lassen sich jedenfalls nicht mit einem besonders ausgeprägten Beitrag dieser Firmen zur Beschäftigungsdynamik rechtfertigen. Wolfgang Lieb.

Widersprüchliches zur „Generation Praktikum“

Der DGB [PDF – 364 KB] kommt nach einer Befragung der Absolventenjahrgänge des Wintersemesters 2002/03 der FU Berlin und der Universität Köln zu Praktika nach dem Studium zu folgendem Ergebnis: „Gegenüber dem Absolventenjahrgang 2000 stieg der Anteil der Absolventen, die nach dem Studium noch ein Praktikum absolvieren, von 25 auf 41 Prozent. Bei diesen Praktika handelt es sich oftmals um »verdeckte reguläre Beschäftigung«.“ Die Mehrheit der Praktika sei weniger ein Ausbildungs- als ein Arbeitsverhältnis: Nur 32 Prozent geben an, dass das Lernen bei den Praktika im Vordergrund stand.
Anders dagegen das Hochschulinformationssystem (HIS) [PDF – 148 KB] im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: Praktika nach dem Studium hätten zwar in den letzten
Jahren zugenommen haben. Die präsentierten Zahlen ließen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei Praktika nach dem Studium gegenwärtig nicht um ein Massenphänomen handle und der Begriff „Generation Praktikum“ nicht gerechtfertigt sei. Außerdem falle die Bewertung des Praktikums nach dem Studium in wesentlichen Dimensionen positiv aus und die Absolventen empfänden das Praktikum in den meisten Fällen nicht als Ausbeutung.
Mein persönlicher Eindruck ist allerdings, dass die ZEIT vor 2 Jahren mit ihrer Überschrift „Generation Praktikum“ nicht so falsch lag. Wolfgang Lieb.