Kategorie:
Soziale Gerechtigkeit

Die Mittelklasse in der Zone der Verwundbarkeit

Um die „Leistungsträger“ aus der Mittelschicht müsse sich die SPD „wieder stärker kümmern“, sagte Kurt Beck im September in einem programmatischen Beitrag in der „Welt am Sonntag“. Tatsache ist, dass inzwischen auch qualifizierte Berufe vom sozialen Abstieg bedroht sind und wir auf eine Becksche „Dreidrittelgesellschaft“ zustreben, „in der die Armen und die Mitte, obwohl auch zwischen ihnen Welten liegen, gemeinsam zu den Geprellten zählen. Geprellt von einem System, von dem ´die ganz oben` immer mehr profitieren“, schreibt der Soziologe Ulf Kadritzke in einem Essay für Le Monde diplomatique vom Dezember 2006, den er uns zur Verfügung stellt. Ob sich die Mittelklasse umgekehrt auch um die SPD „kümmert“, erscheint allerdings eher zweifelhaft, denn „in den einzelkämpferischen Überlebenstechniken der Mittelklassen“ verbindet sich „die verblassende Illusion der Selbstbestimmung mit einer politischer Apathie, der die abgehängten Mitglieder der Unterklassen noch einige kollektive Einsichten voraushaben.“ Um die Macht des Faktors Arbeit wieder zu stärken, wäre es nach Meinung Kadritzkes erfolgverversprechender den „Bestand an Interessen neu zu bestimmen, der die Menschen in den Zonen der Exklusion und der Gefährdung verbindet“, statt eine Schicht gegen die andere auszuspielen.

Christoph Butterwegge über die ideologische Entsorgung des Armutsproblems durch Hans-Werner Sinn, Paul Nolte, Walter Wüllenweber im „Stern“, Helmut Schmidt, Kurt Beck u.a.

Bildungs- und Kulturarmut kann die Armut potenzieren und zementieren. Sie ist jedoch nur deren Auslöser, nicht die Ursache materieller Not. Obgleich unersetzlich für das Wohlergehen sozial benachteiligter Kinder und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit, taugen Bildung und Kultur deshalb keineswegs als Wunderwaffe im Kampf gegen die (Kinder-)Armut. Wer die Armut mit Erfolg bekämpfen will, muss die Reichen zur Kasse bitten, und zur Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen heranziehen. Hans-Werner Sinn verzapft einmal mehr neoliberalen Unsinn, wenn er das Geld in einer Gesellschaft, die fast alles zur Ware macht, für nebensächlich erklärt.

Ex-MdB Kuhlwein zur SPD-Programmdebatte

Der frühere Bundestagsabgeordnete Eckart Kuhlwein hat sich als Vertreter der SPD Schleswig-Holsteins zu den Beck’schen Leitsätzen zum Grundsatzprogramm der SPD geäußert. Wir übernehmen den Text in “Andere interessante Beiträge“, weil dies andere Leser der NDS interessieren könnte.

„perspektive deutschland“. Ein neues Tarnwort wurde erfunden: Die „soziale Leistungsgesellschaft“

„Die Mehrheit der Deutschen fordert eine energische Modernisierung ihres Landes. Drei Viertel der Bundesbürger sind der Meinung, dass die Reformen der vergangenen Jahre nicht ausreichen. Große Einigkeit auch bei der Richtung der Veränderung: 83 Prozent sprechen sich für eine bessere Belohnung von Leistung aus, 54 Prozent plädieren für weniger Staat mit einer stärkeren privaten Risikoabsicherung. Gleichzeitig wünscht sich der Großteil mehr sozialen Ausgleich und nimmt den Staat in den Bereichen Gesundheit, Rente und Bildung in die Pflicht.“ So fasst die „Perspektive Deutschland“, eine Initiative von McKinsey, Stern, ZDF und WEB.DE ihre neueste Online-Umfrage zusammen, an der sich 620.000 Menschen beteiligt haben sollen.
Ein typisches Beispiel einer politisch einseitigen Propagandakampagne, in der mit unseriösen Umfrageergebnissen Gehirnwäsche zugunsten des herrschenden „Reform“-Kurses betrieben werden soll.

„Für eine Partei der Zupacker“.

So überschrieb die „Welt am Sonntag“ einen Namensartikel des SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck.
Unsere Leserin Brigitta Huhnke hat diesen Beitrag einmal einer Sprachanalyse unterzogen und kommt dabei auf Erkenntnisse, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.

Die neue Programmatik der SPD zielt auf die „linke Mitte“ – allerdings nur noch der oberen zwei Drittel der Gesellschaft. Für das untere Drittel bleibt allenfalls die Notfallhilfe.

Weil man nicht auf die nahe liegende Idee kommen darf, dass es an der praktischen Politik der SPD liegt, dass diese Partei von immer weniger Menschen als Hüterin der „sozialen Gerechtigkeit“ wahrgenommen wird, macht ihr Vorsitzender Platzeck nun umgekehrt den Versuch diesen sozialdemokratischen Kernbegriff der praktizierten Politik der SPD anzupassen. Nach dem Motto: Wenn wir schon unsere früheren programmatischen Vorstellungen von „sozialer Gerechtigkeit“ nicht mehr in praktische Politik umsetzen wollen, müssen wir wenigstens diesen Grundwert so umdeuten, dass er wieder mit unserem politischen Handeln einigermaßen zusammenpasst. Kurz: Man hat den Topf schon längst gewechselt und sucht nun den passenden Deckel.

„Neue Gerechtigkeit“ hört man von der CDU, „neosozial“ von der FDP, dabei wird nur Abgestandenes in neue Begriffen verpackt.

Heiner Geißler hat in den siebziger Jahren die zynische These vertreten, dass eine Partei, die die Macht erobern will, die „Begriffe besetzen“ muss. Wer die Macht haben will, muss das Sagen haben. Deshalb hat er damals den Begriff der „neuen sozialen Frage“ erfunden, um von der wirklichen sozialen Frage abzulenken.
Auf diese geißlersche Manipulation des öffentlichen Bewusstseins mittels Sprache, dass eben nicht die Wahrheit oder die nüchternen Tatsachen auszusprechen, sondern das Besetzen von Begriffen Macht verschafft, hat sich offenbar die CDU wieder besonnen, als sie mit ihrer sog. Mainzer Erklärung vom 7.1.06 den Begriff „Neue Gerechtigkeit“ besetzte. Ganz ähnlich hat wohl auch Guido Westerwelle gedacht, als er jüngst für seine FDP das neue Etikett „neosozial“ erfunden hat.

Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein, was darüber ist, das ist vom Übel, sagt Matthäus in der Bibel. Der EKD-Vorsitzende Bischof Huber kann offenbar Ja und Nein zugleich sagen – und davon könnte einem Übel werden

Vom Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber, haben wir gerade in letzter Zeit, anlässlich der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin viele nachdenkliche Reden und Interviews gehört, in denen er sich mahnend für die Wahrung der sozialen Gerechtigkeit ausgesprochen hat. Wenn er sich aber nicht an seine Mitchristen sondern an Politiker wendet, wird er aber offenbar selbst zum Politiker und biedert sich an.

Was ist Glaubwürdigkeit? Sagen, was man tut und tun, was man sagt!

Ich wollte eigentlich zur Verabschiedung Gerhard Schröders als amtierender Kanzler auf dem Bundesparteitag der SPD nichts schreiben. Ich gönne ihm als mir langjährig bekannten Menschen den Jubel und die Rührung zu seinem Abschied. Obwohl ich politisch mit ihm in vielen Dingen überhaupt nicht übereinstimme, will ich gerne respektieren, dass jemand, der das Amt des Bundeskanzlers sieben Jahre ausgeübt hat, bis zur Unmenschlichkeit gefordert, ja überfordert wurde. Allein sein Nein zum Irakkrieg und die Anfeindungen, die er aushalten musste, gehören zu seinen historischen Verdiensten.
Ich will diesmal auch gar nicht seine Abschiedsrede inhaltlich kritisieren, sondern nur sagen was mir dabei klar geworden ist. Ich meine nämlich endlich wirklich erkannt zu haben, worin das viel zitierte „Vermittlungsproblem“ der Regierung Schröder lag: Es ist das Auseinanderklaffen von Reden und politischem Handeln.

Argumente gegen Studiengebühren

Die SPD-Landtagsfraktion in NRW stellt 13 Argumente gegen die Einführung von Studiengebühren durch die neue CDU/FDP-Landesregierung.
Ein Leser der NachDenkSeiten setzt sich kritisch mit den Argumenten des RCDS für die Einführung von Studiengebühren auseinander.