Niels Kadritzke

Niels Kadritzke, Jahrgang 1943, hat an der FU Berlin studiert und arbeitet als freier Journalist für verschiedene Medien, u.a. Le Monde diplomatique. Sein besonderes Augenmerk liegt seit mehr als 30 Jahren auf den Entwicklungen in Griechenland, wo er auch teilweise lebt.

Gastbeiträge von Niels Kadritzke

Griechenland: Geht die alte Kumpanei geht weiter oder gibt es eine Chance für eine politische Alternative?

Dass die politische Klasse – in ihrer Inkarnation durch eine Koalition der alten Systemparteien ND und Pasok – weder zu einer Selbsterneuerung noch zu einer Erneuerung des politischen Systems in Griechenland fähig ist, führt sie der Bevölkerung tagtäglich vor Augen. Die Beispiele dafür könnte man im Dutzend anführen. Welche Wahl bleibt aber den Griechen, die im Lande bleiben und das politische System erneuern und wirklich reformieren wollen? Welche politische Alternativen gibt es für Griechenland im fünften Jahr seiner ökonomischen Rezession? Von Niels Kadritzke.

Schäuble was here – Holzfäller am Werk

Der Ausnahmezustand, der am Donnerstag letzter Woche im Zentrum von Athen herrschte, hat einen Namen: Wolfgang Schäuble. Wie schon beim Besuch von Angela Merkel im Oktober letzten Jahres wird das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit suspendiert, sobald jemand aus der EU-Chefetage in Berlin die griechische Hauptstadt aufsucht. Es herrschte nicht nur absolutes Demonstrationsverbot, die Polizei legt auch vier U-Bahn-Stationen im Stadtzentrum still. Kein Normalbürger sollte auch nur in die Nähe von Schäuble gelangen können. Dass der deutsche Finanzminister ein demonstratives „Geschenk“ mitbrachte – 100 Millionen Euro als Hilfskredit zur Gründung einer griechischen Förderbank nach dem Vorbild der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – hat die griechische Bevölkerung kaum zur Kenntnis genommen. Kredite sind ja ohnehin nichts anderes als neue Schulden. Aufmerksam registriert wurde hingegen, neben dem Ausnahmezustand, der Zeitpunkt des Besuchs: nur wenige Stunden nachdem die griechische Regierung im Parlament jenes „Holzfäller“-Gesetz für den Öffentlichen Dienst durchgepeitscht hat, das die Troika – und somit auch Schäuble – zur Vorbedingung für die Auszahlung ihrer nächsten Kreditrate erklärt hatte. Von Niels Kadritzke.

Der Verkauf von öffentlichen Werten inmitten einer ökonomischen Depression und einer abgrundtiefen Krise der öffentlichen Finanzen ist eine volkswirtschaftliche Untat

Aus vielen Experimenten in fast allen europäischen Ländern konnte man lernen, dass die Privatisierung eine der großen Lebenslügen der Markt-Fundamentalisten ist. In Griechenland lief jedoch der klientilistische Missbrauch öffentlicher Güter auf eine „Privatisierung“ der ganz besonderen Art hinaus. So hat es eine „heimliche“ private Aneignung des staatlichen Grundbesitzes in großem Stil gegeben. Der öffentliche Sektor wurde von den Politikern der Altparteien vielfach „wie ein privater Klub“ behandelt, dem sie nach Belieben neue Mitglieder zuführen konnten. Der Klientelstaat wurde so geradezu zum Feind des Sozialstaats. Die skeptische Einstellung der Mehrheit der Griechen zum öffentlichen Sektor bedeutet allerdings keineswegs eine pauschale Zustimmung der Bevölkerung zu jeder Art Privatisierung. So gibt es zum Beispiel eine klare Mehrheit gegen die Privatisierung der Wasserwerke.

Unter den nach wie vor herrschenden Bedingungen des Klientelismus ist die Wahrscheinlichkeit, dass „öffentliches Gut“ verschleudert oder unter der Hand privatisiert wird groß. Der Verkauf von öffentlichen Werten inmitten einer ökonomischen Depression und einer abgrundtiefen Krise der öffentlichen Finanzen ist eine volkswirtschaftliche Untat. Das belegen etwa auch die Privatisierung des Glücksspiel-Unternehmens OPAP oder der gescheiterte Verkauf der Staatsanteile an dem Erdgas-Unternehmen DEPA. Von Niels Kadritzke.

Die „neue“ Regierung Samaras: Pfeifen im Walde, aber aus dem letzten Loch

Die „neue“ Regierung Samaras verbreitet Aufbruchsstimmung. Die Gefahr eines „Grexit“, also eines Ausschlusses aus der Eurozone, sei endgültig gebannt; jetzt sei bereits die „Greekovery“ in vollem Gange. Als endgültigen Beweis für seine These von der griechischen „success story“ wertet er die Entscheidung über das TAP-Projekt, die Ende Juni gefallen ist. Von Niels Kadritzke.

Wie geht es eigentlich den russischen Oligarchen in Zypern?

Wir erinnern uns, wie speziell die deutsche Regierung mit dem Oligarchen-Argument Stimmung gemacht hat. Sie ließ sogar den BND – eigentlich nicht als Sitz von ökonomischem Sachverstand bekannt – eine „Analyse“ anfertigen, die aus Zeitungsberichten herausfilterte, was über die Russengelder bekannt war. Denen sollte hinfort der Spaß an ihren Anlagen im zypriotischen OFS verdorben werden – angeblich, um den gesunden Kern des Bankensystems eines Euro-Mitgliedsstaats zu retten.
Der deutsche Steuerzahler soll nicht für Flucht- und Schwarzgelder russischer Oligarchen einstehen, lautete das Argument vor der Rosskur der Eurozonen-Finanzminister vom 18. März 2013. Nach der Kur haben wir das Bild, das Harald Schumann zeichnet: gesunde Mittelstandsunternehmen unverschuldet am Rande der Pleite, die (westlichen) Anleger längst über alle Berge, und die (östlichen) Oligarchen als künftige Herrscher über die größte Bank der Inselrepublik. Wie konnte das geschehen?
Einige Überlegungen im Anschluss an den höchst aufschlussreichen Bericht von Harald Schumann. Die Pointe schlechthin hat er sich für den Schluss aufgehoben. Wie geht es eigentlich „den Russen“ in Zypern, die uns im Vorfeld der EU-als tiefste Wurzel des Übels namens „Offshore Financial Sector“ (OFS) dargestellt wurde? Von Niels Kadritzke

Griechenland: Regierungskoalition bricht über die ERT-Krise zusammen

Nach der dritten Verhandlungsrunde über die ERT-Krise zwischen den Spitzen der drei Koalitionsparteien, die gestern Abend in Athen zu Ende ging, steht Griechenland vor einer „halben“ Regierungskrise. Der kleinste Koalitionspartner, die linkssozialdemokratische Dimar, zieht die von ihr nominierten Minister und Vize-Minister (insgesamt vier Personen) zurück und scheidet damit aus der Regierung Samaras aus. Weil die Pasok nach Aussage ihres Vorsitzenden Venizelos diesen Schritt nicht mit vollzieht, schrumpft die Dreier- zu einer Zweiter-Koalition aus Nea Dimokratia und Pasok entgegen. Von Niels Kadritzke.

Die Hängepartie um den griechischen Rundfunk ERT – die Regierungskrise schmort weiter (Teil 2)

Mit seinem Medienputsch hat es Regierungschef Samaras geschafft, nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich aufzubringen.

Ganz Griechenland wartete am Montagabend auf zwei Nachrichten, die für die Fortsetzung des ERT-Konflikts und für das Schicksal der Regierung Samaras entscheidend sein sollten. Was am Ende des Tages herauskam, war nur ein weiterer Aufschub bzw. eine Verlängerung der politischen Krise, die ND-Chef Samaras letzte Woche mit seiner „Notverordnung“ zur Liquidierung der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ausgelöst hat. Die erste Nachricht kam aus dem Staatsrat (Symvoulio tis Epikratias), dem Obersten Verwaltungsgericht. Die zweite Nachricht kam aus dem Amtssitz des Ministerpräsidenten Samaras. Dort tagte der Dreiergipfel der Parteivorsitzenden von ND, Pasok und Dimar mit dem Ziel, die entstandene Koalitionskrise beizulegen. Auch in Anbetracht der Staatsrats-Entscheidung gingen Samaras, Venizelos und Kouvelis dann aber ohne Ergebnis auseinander und verabredeten einen neuen Gipfel am heutigen Mittwoch. Von Niels Kadritzke.

Griechenland exekutiert den staatlichen Rundfunk – Teil 1

Mit der Auflösung der staatlichen Rundfunk- und Fernsehsehanstalt Griechenlands (ERT oder Elleniki Radiofonia kai Tileorasi) hat Regierungschef Antonis Samaras nicht nur eine Solidaritätswelle für die ERT-Belegschaft ausgelöst, sondern auch eine Regierungskrise, die am Ende sogar zu vorzeitigen Neuwahlen führen könnte. Wobei in den griechischen Medien bereits darüber spekuliert wird, ob nicht genau dies der eigentliche Sinn der aberwitzig erscheinenden Konfrontations-Strategie von Samaras ist. Ob die Existenz der seit Sommer 2012 bestehenden Koalitionsregierung auf dem Spiel steht, wird sich nächsten Montag zeigen, wenn Ministerpräsident Samaras sich mit den Vorsitzenden seinen kleineren Koalitionspartner, dem Pasok-Chef Evangelos Venizelos und dem Dimar-Chef Fotis Kouvelis zu einer Krisensitzung treffen. Von Niels Kadritzke.

Impressionen griechischer Depressionen

Das neue Jahr hat in Griechenland so begonnen, wie das alte zu Ende ging. Trotz der europaweit gefeierten „Erfolge“ der Krisenpolitik der Athener Dreier-Koalition, die dem Land rechtzeitig zu Weihnachten die Auszahlung der nächsten EFSF-Kreditrate beschert hat, geht die Krise weiter. Und die äußert sich in immer neuen Formen. In Athen zum Beispiel darin, dass sich der Verkehr verflüssigt hat. Von Niels Kadritzke.

Das Leben selbst hat das Memorandum verworfen

Unser „Griechenland-Korrespondent“ Niels Kadritzke hat für unsere Leser einen Artikel der griechischen Journalistin Kaki Bali ins Deutsche übersetzt, der für die griechische Zeitung „Avgi“ verfasst wurde. Es geht um das in Griechenland mit großer Spannung erwartete Treffen des Syriza-Vorsitzenden Alexis Tsipras mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dieser Bericht ist eine wohltuende Alternative zur „alternativlosen“ deutschen Berichterstattung über dieses Treffen. Von Niels Kadritzke