Archiv: Monat: Dezember 2006

Was für einen Unsinn sie uns alle erzählen, bis der Tag zu Ende geht. Und immer wieder Reformen!

Am 7.12.2006 war mein Tagebucheintrag überschrieben mit „Ende der Aufklärung“. Heute könnte ich einfach eine (2) dahinter schreiben. Denn die Tage der Irrationalität und des Stumpfsinns wollen nicht enden. Ich übertreibe nicht. Schauen Sie sich selbst die Äußerungen von Politikern und Wirtschaft und die Produkte unserer Medien zur wieder einmal belebten Reformdebatte an. Zwischen den einzelnen Behauptungen zum Thema gibt es keine logischen Konnexe. Es werden einfach Sprechblasen abgelassen. Wortsignal neben Wortsignal.
Ein Beispiel aus den folgenden Dokumenten: Beck bezeichnete die Reformbeschlüsse als notwendig, es gebe allerdings für die Bürger auch „Grenzen der Zumutbarkeit“. Merkel entgegnet, „um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir Strukturreformen vorantreiben“. – Beides so dahingesagt. Die Wirkungszusammenhänge erschließen sich nicht logisch sondern über angelernte Glaubenssätze. Die Politiker geben diese vor. Die Journalisten und die Wirtschaft beten sie nach. Oder umgekehrt. Albrecht Müller.

Die Praxis der Staatsanwälte vor den Strafgerichten der USA macht das System durch und durch korrupt

Andreas von Bülow, früher MdB und parlamentarischer Staatssekretär, Autor und Jurist, hat einen Counterpunch-Artikel von Paul Craig Roberts, ehemals stellvertretender Minister des Schatzamtes unter Präsident Reagan, übersetzt und zur Verfügung gestellt. Es geht um das amerikanische Justizsystem. Sie finden den Artikel unter „Andere interessante Beiträge“ auf Deutsch und auf Englisch. Hier noch das Wichtigste aus der Einleitung von Andreas von Bülow:

Gefahr für die Demokratie kommt nicht nur von den Glatzen aus MeckPo, mindestens so sehr aus Gütersloh.

„Politiker sorgen sich um Demokratie in Ostdeutschland“ – so lautet die Überschrift über einem Bericht von SpiegelOnline über ein Tagesspiegel-Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer. Er sieht in Ostdeutschland schwerwiegende Defizite in Bezug auf das Demokratieverständnis der Bürger. Es müsse deutlich gemacht werden, „dass Demokratie mühsamer ist als Diktatur“.
In dem Artikel wird dann noch mit Berufung auf eine Forsa-Umfrage die große Sorge über das Anwachsen rechtsextremer Tendenzen in Teilen Ostdeutschlands ausgedrückt. Ich will diese Entwicklung nicht verharmlosen. Aber die mindestens so große Bedrohung der Demokratie in unserem Land folgt daraus, dass die Macht und die politischen Entscheidungen in unserem Land nur noch von großen wirtschaftlichen Interessen und ihrer neoliberalen Ideologie bestimmt sind. Gütersloh, der Sitz der Bertelsmann Stiftung, ist Symbol dieser antidemokratischen Entwicklung. Albrecht Müller.

Weihnachten unter dem Stern des Wettbewerbs

Selbst in seiner Weihnachtsansprache fällt unserem Bundespräsidenten keine wichtigere Botschaft ein, als dass wir „in einem internationalen Qualitätswettbewerb“ stehen, „der alle Bereiche unseres Zusammenlebens betrifft: Welcher Nation gelingt es am besten, die schöpferischen Kräfte ihrer Menschen zu wecken? Wie offen ist eine Gesellschaft für Neues?“
Die „Qualität von Politik“ misst Köhler am Erfolg im internationalen Wettbewerb und nicht etwa an einer Wirtschaftspolitik die Wohlstand für alle schafft. Er misst „gute Politik“ nicht an der annäherungsweisen Umsetzung des politischen Willens des Parlaments oder gar der Wünsche und Vorstellungen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. „Gute Politik“ hat aus der Köhlerschen Sicht eines Diktats des Wettbewerbs nichts mit aufklärerischer Vernunft, nichts mit Fortschritt als Verwirklichung humaner Ideale oder gar mit Emanzipation im Sinne einer Befreiung der Menschen von irrationalen Zwängen zu tun. Wolfgang Lieb.

Jutta Roitsch: Föderaler Schlussakt. Von der kreativen Kooperation zum ruinösen Wettbewerb

Die erste große Koalition in der Bundesrepublik unter Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt führte ihn ein, die zweite große Koalition unter Angela Merkel und Franz Müntefering schafft ihn ab: Nach über 35 Jahren hat der kooperative Föderalismus ausgedient. Nach einer parlamentarischen Beratungszeit von nur fünf Monaten wurde in Bundestag und Bundesrat ein Eingriff in das Grundgesetz vorgenommen, der die bisherige Machtbalance zwischen Bund und Ländern grundlegend verändert.
Jutta Roitsch hat uns ihren Beitrag zur Entwicklung und den Zielen der Föderalismusreform zur Verfügung gestellt. Er ist in den Blättern für deutsche und internationale Politik 8/2006 abgedruckt. Siehe auch NachDenkSeiten vom 20. Dezember 2005.

Volksvertreter sind nicht repräsentativ für das Volk

Eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Meinungsforschungsinstituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung unter Parlamentariern belegt, dass die Einschätzungen über soziale Gerechtigkeit oder über eine gerechte Einkommensverteilung unserer Parlamentarier mit denen in der Bevölkerung nur noch wenig miteinander zu tun haben. Bertelsmann zeigt sich zufrieden. Karl-Heinz Heinemann hat sich darüber seine Gedanken gemacht.

Aktion Mensch macht neoliberale Propaganda

Das Folgende ist nicht gerade eine weihnachtliche Geschichte: Die „Aktion Mensch“ (früher Aktion Sorgenkind) sammelt mithilfe des ZDF Geld für verschiedene Projekte der Behindertenarbeit. Auf der Website findet man dies bestätigt. Seit einiger Zeit schon betreibt – und finanziert – die Aktion Mensch ein anderes, eigenartiges Projekt: Die Gesellschafter. Eigenartig nenne ich dieses Projekt, weil nicht so ganz klar ist, was es soll. Offensichtlich ist es ein Instrument der öffentlichen Meinungsbildung, finanziert mit Geldern, wie für soziale Zwecke eingesammelt werden. Das ist ein Missbrauch jener 7 Millionen Menschen, die sich guten Glaubens an der „Aktion Mensch Lotterie“ beteiligen. Einen Missbrauch würde ich dies auch nennen, wenn Propaganda auf der Linie der NachDenkSeiten betrieben würde. Die erkennbare Linie ist übrigens eine andere: es ist Propaganda auf der neoliberalen Linie, verziert mit einigen Alibis, (auch ich war übrigens gefragt, etwas zu schreiben). Schauen Sie sich bitte dieses Projekt einmal an. Eigentlich ist ein Protest beim Intendanten des ZDF fällig. Albrecht Müller.

Erich Kästner: Knigge für Unbemittelte

Ein Gedicht aus dem Jahre 1928, das so treffend zu der Kampagne von BILD und anderen Medien passt, um mit der dummen Geschichte des unrasierten Enrico F., der Kurt Beck attackierte, Arbeitslose als arbeitsscheues Gelichter zu diskriminieren.

WSI: Enttäuschende Bilanz der Hartz-Reformen

Was die Zwischenberichte der wissenschaftlichen Evaluierung der ersten drei Hartz-Gesetze bereits vor einem Jahr angedeutet hatten, bestätigen nun die Endberichte: Die Reformen am Arbeitsmarkt haben zwar den Arbeitsmarkt flexibilisiert, sie haben aber “nur in geringem Umfang zur Überwindung der Arbeitslosigkeit beigetragen”. Einige der mit großen Erwartungen auf den Weg gebrachten Instrumente haben nahezu völlig versagt. Hierzu gehören die Personalserviceagenturen, die Arbeitslose als Leiharbeitnehmer in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln sollten.