Hinweise des Tages (2)

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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Steuersenkung gegen den Willen auch der Besserversdienenden, Jürgen Rüttgers blamiert die SPD, Sarrazins Rassismus, Volksverdummung im Deutschlandradio (KR)

  1. Selbst Besserverdiener wollen keine Steuersenkung
  2. Regierung will Verfassungsgerichtsurteil abwarten, dann Kinder-Hartz-IV-Sätze prüfen
  3. Jürgen Rüttgers will Hartz IV komplett überarbeiten
  4. Bayern und die Hypo Alpe Adria: Wie eine fette Gans
  5. Gutachten zu Sarrazin: Eindeutig rassistisch
  6. Sieg der Pharma-Lobby: Aus für den Pillen-TÜV?
  7. Denkmalpfleger in Köln gefeuert: „Klima der Unzufriedenheit“
  8. Körperscanner sind ethisch problematisch bei Menschen mit verdeckten Behinderungen
  9. Volksverdummung im Deutschlandradio
  10. Blutige Zusammenstösse in Süditalien
  11. Mexikos Polizisten werden überwacht
  12. Anmerkung zu Hinweise des Tages vom 08.Januar 2010 / Punkt 13 “Notstand bei der Bahn”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Selbst Besserverdiener wollen keine Steuersenkung
    Seit ihrem Start streitet die Koalition über das Für und Wider einer massiven Entlastung. Das Volk hat dazu eine ziemlich einhellige Meinung: Besser nicht. Die große Mehrheit lehnt einen Steuernachlass ab. Am größten ist die Ablehnung der schwarz-gelben Steuerpläne mit 69 Prozent unter den Besserverdienern mit einem Haushaltseinkommen von 3000 Euro netto und mehr pro Monat. Das sind ausgerechnet diejenigen, die am stärksten von den Entlastungen profitieren sollen.
    Quelle: FTD
  2. Regierung will Verfassungsgerichtsurteil abwarten, dann Kinder-Hartz-IV-Sätze prüfen
    In die Prüfung der Regelsätze will die Regierung auch das noch ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts einbeziehen. ”Aus diesen Gründen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinsichtlich der Absichten der Bundesregierung bei der Überprüfung der Regelsatzbemessung keine Festlegungen möglich“, heißt es in der Antwort.
    Quelle: Sozialticker
  3. Jürgen Rüttgers will Hartz IV komplett überarbeiten
    Rüttgers:„Wenn jemand lange einzahlt in die Arbeitslosenversicherung, muss der mehr bekommen als der, der nur kurze Zeit eingezahlt hat. Wer etwas fürs Alter zurückgelegt hat, den kann man nicht zwingen, das zuerst alles aufzubrauchen, um am Schluss in Altersarmut zu landen – genau wie der, der nie was zurückgelegt hat. Das kann nicht richtig sein.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Damit läuft Rüttgers, der sich im Mai zur Wahl stellen muss und schlechte Umfragewert hat, der SPD den Rang ab.

  4. Bayern und die Hypo Alpe Adria: Wie eine fette Gans
    Immer wieder pumpten Freistaat und BayernLB Millionen- und Milliardenbeträge in die finanziell marode Kärntner Landesbank. Der frühere Landeshauptmann Jörg Haider hat die Bayern ungeniert ausgenommen.
    Quelle: SZ
  5. Gutachten zu Sarrazin: Eindeutig rassistisch
    Der Streit um die SPD-Mitgliedschaft von Bundesbanker Thilo Sarrazin geht weiter: Ein Gutachten beschreibt seine Äußerungen als “eindeutig rassistisch.” Politikwissenschaftler Gideon Botsch erklärt, welche Kriterien für Rassismus erfüllt sein müssen. Der frühere Finanzsenator hatte unter anderem erklärt, Araber und Türken seien kaum produktiv für die deutsche Wirtschaft. Damit mobilisiere Sarrazin mit einem “bewussten Tabubruch” Vorurteile, die sonst von Rechtsradikalen geäußert würden, heißt es in dem Gutachten.Weiter sagte der Bundesbanker: “Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.” Für seine Analyse hat der Wissenschaftler die Rassismus-Definition von Albert Memmi verwendet, die Botschs Angaben zufolge dem Mainstream des akademischen Diskurses entspricht. Der Memmi-Definition zufolge müssen vier Kriterien erfüllt sein, damit man von Rassismus sprechen könne. “Erstens braucht es die Konstruktion eines Unterschieds, zweitens muss ein wertendes Element vorhanden sein”, erklärt Botsch. Drittens müssten die Aussagen verallgemeinernd sein. Und der vierte Aspekt sei die Funktion: Diese mache Sarrazin in seinem Text deutlich, wenn er von der Umverteilung zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen spricht. Außerdem verwendete der Wissenschaftler in seinem Gutachten das Konzept des “sozialen Rassismus.” Dieser findet sich zum Beispiel in Sarrazins Beschreibung der Unterschicht. “Die Verbindung von Abstammung und einer bestimmten Schichtzugehörigkeit im Sinne von Vererbung, das ist eindeutig rassistisch”, erklärt Botsch.
    Quelle: SZ
  6. Sieg der Pharma-Lobby: Aus für den Pillen-TÜV?
    Das Institut zur Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist der Pharma-Industrie seit seiner Gründung unbequem und zu kritisch. Gegründet wurde es, um durch unabhängige Studien zu verhindern, dass zu teure oder gar schädliche Arzneimittel auf den Markt kommen. Die Lobbyisten der Pharmabranche sind jetzt offenbar am Ziel: Regierungspolitiker aus FDP und CDU fordern unverhohlen eine Neuausrichtung des Instituts. Es gelte, die Wettbewerbsfähigkeit des Pharmastandortes Deutschland zu erhöhen. Der Leiter des Instituts soll abgesetzt werden.
    Quelle: Monitor
  7. Denkmalpfleger in Köln gefeuert: „Klima der Unzufriedenheit“
    Ein Gebietsreferent beim städtischen Denkmalamt wurde nach nur ein paar Monaten Tätigkeit von Stadtkonservatorin Dr. Renate Kaymer gekündigt. Er sollte sich um den Umbau des Gerling-Quartiers kümmern. Seine Mitarbeiter sind entsetzt und vermuten, dass er nur wegen zu lauter Kritik an den Plänen abgesägt worden ist.
    Quelle: Kölnische Rundschau
  8. Körperscanner sind ethisch problematisch bei Menschen mit verdeckten Behinderungen
    Prof. Dr. Regina Ammicht Quinn vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen weist darauf hin, dass ethische Probleme insbesondere im Zusammenhang mit Menschen mit verdeckten Behinderungen entstehen: “Schambesetzte körperliche Behinderungen und chronische Krankheiten werden mit Körperscannern identifiziert, und die betroffenen Menschen werden leicht zu Terror-Verdächtigen und müssen sich erklären. Damit werden kranken und behinderten Menschen entwürdigende Situationen zugemutet.”
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
  9. Deutschland vergreist: Wer zahlt die Rente von morgen?
    Mehr Rentner, weniger Erwerbstätige, kaum Nachwuchs! Nach den aktuellen Prognosen des Statistischen Bundesamtes entwickelt sich Deutschland zu einem Land der Senioren. Die Lebenserwartung steigt, gleichzeitig werden weniger Kinder geboren.
    Quelle 1: Deutschlandradio (Einleitungstext)
    Quelle 2: Deutchlandradio (Audio-Podcast, mp3, ca. 32 MB, ca. 70 Minuten)

    Anmerkung eines NachDenkSeiten-Lesers: Mal wieder eine akustische Volksverdummung zum Thema Demografie und Rente im Deutschlandradio. Schon der Titel der Sendung „Deutschland vergreist“ ist negativ. Die Moderatorin glänzt mit Vorschlägen, in der Sendung anzurufen, wenn man z.B. das System der gesetzlichen Rente kritisieren möchte. Professor Raffelhüschen wird zitiert (ca. Minute 20:30) und bei einer Straßenumfrage kommen natürlich nur Personen zu Wort, die der gesetzlichen Rente nicht vertrauen und privat vorsorgen bzw. das vorhaben – abgesehen von einem Mann, der sich keine Gedanken darüber macht, weil er sich nicht den ganzen Tag Sorgen machen möchte (ab Minute 21:30). Dass Renten in welcher Form auch immer nur mit möglichst vielen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen – und auch gut bezahlten – finanziert werden können, waren nur Randnotizen. Ein Studiogast kommt von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Hintergründe dazu finden Sie z.B. hier:

    Quelle 3: Nachdenkseiten vom 13.04.2007
    Quelle 4: Nachdenkseiten vom 02.06.2009
    Quelle 5: Nachdenkseiten, Hinweise des Tages vom 09.07.2009

  10. Blutige Zusammenstösse in Süditalien
    Eine Migrantenrevolte ist in Rosarno in der süditalienischen Region Kalabrien ausgebrochen. Zu dem Protest von Hunderten von Afrikanern kam es, nachdem zwei Ausländer aus noch ungeklärten Gründen von Italienern mit Waffen angegriffen und verletzt wurden. Mit Stöcken und Eisenstangen bewaffnet, belagerten die Migranten, die in den Feldern Rosarnos illegal arbeiten, am Donnerstagabend die Hauptstrasse Rosarnos und verwüsteten mehrere Gebäude. Dutzende Autos wurden in Brand gesetzt, Müllcontainer angezündet. Die Polizei musste eingreifen, die Migranten reagierten und bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. In Rosarno leben 1500 Afrikaner, die unter schwierigsten Lebensbedingungen auf den Feldern arbeiten. Die Afrikaner werden von der ‘Ndrangheta, dem kalabresischen Arm der Mafia, als billige Arbeitskräfte ausgenutzt.
    Die meisten der 2500 Afrikaner, die in dem Ort mit seinen 15.000 Einwohnern leben, wohnen in Baracken oder in verlassenen Fabriken ohne Strom und Toiletten. Sie arbeiten 15 Stunden pro Tag für einen Hungerlohn. Viele Migranten werden von der ‘Ndrangheta für kriminelle Aktionen eingesetzt.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und was ist die Antwort der EU auf solche Zustände, die schon jahrelang bekannt sind? Schließlich kosumieren wir alle Produkte aus den  Zitrus-und Olivenhainen der Region.

  11. Mexikos Polizisten werden überwacht
    In der mexikanischen Stadt Querétaro werden Polizisten per Satellit überwacht. Damit soll verhindert werden, dass sie sich an Verbrechen beteiligen. Selten hat ein Stadtpräsident in Mexiko die Korruption der lokalen Polizei so offen angesprochen wie Francisco Domínguez. Der konservative Stadtpräsident von Querétaro, einer aufstrebenden Industriestadt nordwestlich von Mexiko-Stadt, verpasst im neuen Jahr seiner Polizei Uniformen, in die ein Chip integriert ist. Per Satellit sollen damit die Bewegungen der 1100 Stadtpolizisten täglich überwacht werden, wie Domínguez vor der Presse sagte. «Das wesentliche Ziel ist, dass die Polizisten ihre Uniformen nicht missbrauchen, dass sie sie niemandem ausleihen und dass sie nicht in Uniform Straftaten begehen können», verteidigte Domínguez die umgerechnet 7,6 Millionen Franken teure technologische Aufrüstung.
    Neben der gut ausgebildeten Polizei des Bundes und der 31 Bundesstaaten gibt es in Mexiko 2022 lokale Polizeieinheiten, die 170 000 kümmerlich bezahlte Gemeindepolizisten beschäftigen. Die meisten von ihnen haben keinen Sekundarschulabschluss, einige sind gar Analphabeten. Laut einer Studie der Regierung können 93 Prozent von ihnen nicht ohne Bestechungsgelder überleben.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Unser Blick auf die Realität wird leider allzusehr durch aktuelle Schlagzeilen bestimmt. So dominieren unsere Sicht auf das Ausland die Entwicklungen in den USA, der verbliebenen Supermacht, und das Thema Afghanistan. Mich hat Blick auf die Situation der Polizei in Mexiko dazu gebracht, einige Fragezeichen hinter den Erfolg stärkerer Anstrengungen bei der Polizeiausbildung  in Afghanistan zu setzen.  Unsere Politiker versichern wieder einmal, dass es auf Afghanistankonferenz  ganz wesentlich um die Ausbildung der Sicherheitskräfte gehen würde. Betrachtet man die desolate Situation in Mexiko, fragt man sich, was in Afghanistan besser gelingen könnte. Mexiko, die zweitstärkste Wirtschaftsmacht Lateinamerikas, seit vielen Jahren OECD-Mitglied, hat eine lange Tradition zentralstaatlicher Institutionen und dennoch bilden die Drogenkartelle inzwischen einen Staat im Staat. Selbst der potente Nachbar, die USA,  kann nur hilflos beklagen, dass sich an ihrer Grenze ein  Narco-Staat herausbilde. Eine  November 2008 veröffentlichten Studie des United States Joint Forces Command kommt sogar zu dem Schluss, dass die Gefahr bestünde, dass das Nachbarland rasch und plötzlich kollabiere.
    Anfänglich sollte die Bundesrepublik alleine Afghanistan eine funktionierende Polizeiorganisation verschaffen und ist grandios gescheitert. Karl-Theodor zu Guttenberg und  Guido Westerwelle betonen immer noch  das zivile Engagement und  stellen weiteren Einsatz in Aussicht. “Deutschland ist bereit, mehr für die Ausbildung der Polizei zu tun”, meinte Westerwelle unlängst. Ja, wir wissen es allmählich, das Land soll bald seine Sicherheit selbst gewährleisten können. Inzwischen ist Eupol, Teil der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, für den Polizeiaufbau in Afghanistan zuständig – mit 281Beamten, davon 47 Deutsche. Nur welche Sicherheit soll ein Polizist in einem Land bieten, in dem das Recht des Stärkeren herrscht und selbst die Provinzgouverneure eigene Milizen halten. Die Zentralregierung ist fern und vor Ort sucht die Bevölkerung Schutz bei denen, die über die Gewaltmittel verfügen. Das sind dann oft auch die Taliban, die zudem über das Drogengeschäft über die finanziellen Mittel verfügen, einen Polizisten mit einem Gehalt von 80 Euro zu bestechen.

  12. Anmerkung zu Hinweise des Tages vom 08. Januar 2010 / Punkt 13 “Notstand bei der Bahn”:
    NachDenkSeiten-Leser T.J. schrieb uns:

    Die Anmerkung Ihrer Leserin C.W. zu diesem Beitrag kann man so nicht ganz stehen lassen, hier muss ich meine Berufskollegen in Schutz nehmen: Die Ingenieure könnten schon, wenn die Kaufleute sie denn ließen…
    Die Misere bei der Bahn ist hausgemacht. Früher hat die damalige Deutsche Bundesbahn bei der Entwicklung ihres Rollmaterials eng mit der Industrie zusammengearbeitet. Es wurden Prototypen und Vorserien der Fahrzeuge gebaut und im Betrieb ausgiebig erprobt. Dies hat ein bisschen mehr Zeit und Geld gekostet, aber Resultat waren ausgereifte und robuste Serienfahrzeuge, die dann 40 bis 50 Jahre (!) in Betrieb waren bzw. zum Teil heute noch sind.
    Heutzutage möchte die Bahn Fahrzeuge “von der Stange” zu immer billigeren Preisen kaufen, was aber immer öfter schief geht. Gute Technik kostet eben auch gutes Geld und Entwicklungszeit, und beides möchte die Bahn nicht mehr investieren. Man denkt immer kurzfristiger, der Horizont reicht eben nur bis zum nächsten Jahresabschluss bzw. bis zum Börsengang. Was dabei herauskommt, lässt sich im Moment ausgiebig beobachten; da kann man wirklich nur mit dem Kopf schütteln.
    In einem hat C. W. allerdings recht: Ich möchte auch nicht wissen, was bei der DB AG passiert, wenn es mal richtig Winter wird …

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