Schlagwort:
Reformpolitik

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Die Verlierer des wirtschaftsliberalen Kurses rächen sich an Europa

Sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden wird das Nein der Bevölkerung zum europäischen Verfassungsvertrag überwiegend als Abstrafung der jeweiligen Regierungen interpretiert. Wenn man dieser Logik folgt, müsste man sogar noch weiter gehen und sagen, die Ablehnung ist Ausdruck der Unzufriedenheit mit allen größeren Parteien sei es von links oder eher von rechts. In Frankreich warben schließlich die konservativen Regierungsparteien genauso für ein „Oui“, wie der größere Teil der Sozialisten. In den Niederlanden waren alle, bis auf einige populistischen Gruppierungen für ein „Ja“. Könnte es vielleicht mit der Verdrossenheit der Verlierer einer wirtschaftsliberalen Politik, die ja in beiden Ländern von allen größeren Parteien mit graduellen Unterschieden propagiert wird, zusammenhängen, dass nun die Mehrheit an Europa Rache genommen hat?

Die ´´volonté générale´´ für ein liberales Europa steht für die politische Klasse über dem Volkswillen der Franzosen

Die Interpretation des Volkswillens ist ein schwieriges Geschäft. Das weiß man schon seit Rousseaus Unterscheidung zwischen der „volonté générale“ als dem über die individuellen Interessen hinausgehenden Gemeinwillen und der „volonté de tous“ als der unmaßgeblichen Summe bloßer Einzelinteressen. Folgt man den Äußerungen der europäischen politischen Klasse, so war die Volksabstimmung in Frankreich über den Vertrag der EU-Verfassung nur eine momentane Addition von ganz unterschiedlichen und daher im rousseauschen Sinne unmaßgeblichen Willensbekundungen.

Ein Befreiungsschlag für die neoliberale Ideologie – und für Schröder persönlich

Seit gestern Abend denke ich darüber nach, was die strategischen Überlegungen von Schröder und Müntefering sein könnten, wenn sie für den Herbst Neuwahlen vorschlagen. Auch beim bestem Willen kann ich nicht erkennen, dass dieser Coup unserem Land oder der SPD helfen könnte. Die „geniale Vorwärtsverteidigung” (Politologe Falter) hilft allenfalls Gerhard Schröder, dann aber bestimmt der Union und FDP und vor allem der neoliberalen Bewegung. Sie ist der wahre Gewinner dieses angeblichen Befreiungsschlags; sie muss den fälligen Bankrott ihrer politischen Konzepte nicht erklären, im Gegenteil, für sie besorgt der Gerhard Schröder ein neues Votum für die nächsten vier Jahre. Der Union und der FDP macht er damit das Bett. Und einer kommenden Oppositionspartei SPD nimmt Gerhard Schröder die Chance, die dann von Angela Merkel betriebene konservative Fortsetzung der neoliberalen Reformen grundsätzlich in Frage zu stellen und zu kritisieren.

Mit vorgezogenen Neuwahlen will Schröder davon ablenken, dass er für den historischen Niedergang der SPD verantwortlich ist

Das Wunder blieb aus. Die SPD erzielt mit 37,1 Prozent in NRW ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 50 Jahren; mit 5,7 Prozent ist sie so weit abgestürzt wie noch bei keiner Landtagswahl. Die SPD ist mit ihrem Agenda-Kurs an der Mehrheit der Bevölkerung auf ganzer Linie gescheitert. Schröder hat seine Partei bundesweit an die Wand gefahren. Um zu verhindern, dass seine Person und sein Kurs von seiner Partei in Frage gestellt wird, zwingt er wie ein politischer Hasardeur Rot-Grün in vorgezogene Neuwahlen im Herbst dieses Jahres. So hofft er, bei einer voraussehbaren Niederlage der SPD auch noch im Bund sein persönliches politisches Scheitern auf seiner Partei abladen zu können.

“Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!”

Wenn Neoliberale nicht mehr weiter wissen, wenn man ihnen nachweist, dass ihre Theorie versagt hat und sie unser Land mit ihren Reformen ruinieren, aber sie trotzdem die öffentliche Meinung beherrschen, weil sie mit viel Geld und in bestens geschmierten Netzwerken Meinung machen, dann kommt regelmäßig der Vorwurf: „Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!“ So erging es mir wieder einmal in der Phoenix-Runde vom 10.5.05. Dem Historiker Paul Nolte fiel nur noch dieser Notnagel ein. Mit dem Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ sollen diejenigen, die auf ideologische Zusammenhänge, auf die systematische und geplante Zusammenarbeit und Propaganda neoliberaler Kräfte oder gezielte und koordinierte Strategien zur Durchsetzung ihrer Ideologie hinweisen, als unseriös oder gar als obskur verunglimpft werden.
Glücklicherweise gibt es immer mehr und neue Belege dafür, wie systematisch die Ausbreitung der neoliberalen Ideologie und Politik betrieben wird. Ein aufmerksamer Nutzer der NachDenkSeiten hat uns auf ein weiteres gutes Beispiel aufmerksam gemacht, auf den radikal neoliberalen Vorposten der USA in Europa: die Slowakei.

Erstes „TV-Duell“ Rüttgers vs. Steinbrück: Hohle Sprüche vs. die Verteidigung einer erfolglosen Politik

Gestern gab es das groß angekündigte „TV-Duell“ auf RTL. Die Debatte hat das bestätigt, was jeder einigermaßen Informierte schon vorher wusste: Ministerpräsident Steinbrück verteidigte faktenreich und in hanseatisch unterkühlter Präzision die Agenda-Politik sowie deren negative Auswirkungen und er musste daran scheitern, das als erfolgreiche Politik darzustellen zu können.
Rüttgers bot keinen argumentativen Konterpart, wich aus, wo er noch weitere Zumutungen zu Lasten der Arbeitnehmer vor hat, und setzte auf menschelnde Gefühlsduselei.
NRW steht so vor einer Richtungswahl zwischen einem von der Mehrheit abgelehnten Agenda-Kurs und einer Politik des verschärften Sozialabbaus, die mit hohlen Sprüchen zugekleistert wird.

Stefan Welzk

Der hochnoble Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung versteht sich als die Speerspitze des Reformeifers in der Kanzlerpartei. Er ist eine Art neoliberale Denkfabrik der Sozialdemokratie. Im März provozierte er mit einem brutalen Thesenpapier. Alle Reformen seien viel zu milde. Das Rentenniveau müsse runter auf 30 Prozent des Bruttolohns. Die Krankenversicherung gehöre voll privatisiert, die Pflegeversicherung abgeschafft. Alle Infrastruktur sei über Gebühren zu finanzieren. Straßen könne der Staat nicht mehr bezahlen. Im Klartext heißt das flächendeckende PKW-Maut. Auch ein verpflichtender Zivildienst für jüngere Rentner in der Pflege sei zu prüfen. Reformen in Permanenz seien zwingend.

„Perspektive Deutschland 2004“, eine Umfrage, die exemplarisch ist für die Umdeutung von Kritik an der „Reform“-Politik in die Forderung nach weiter gehenden Reformen

Großes Tamtam dürfte eine Online-Umfrage unter mehr als einer halben Million Teilnehmern entwickelt vom Unternehmensberater McKinsey und wohl finanziert von ZDF und Stern die nächsten Tage erregen. „Deutschland in der Krise“, „Deutsche bekennen sich klar zu Reformen“, „Wir müssen konsequent den Weg weiter gehen“ sollen die Botschaften sein. Dass sich die Deutschen in ihrem Heimatland überwiegend wohl fühlen, dass sie sich aber sehr wohl Sorgen über den eingeschlagenen politischen Kurs machen oder dass sie mehr soziale Gerechtigkeit wollen, das wird bei der Interpretation dieser aufwändigen Umfrage ausgeblendet, umgedeutet oder kommt allenfalls zwischen den Zeilen vor.

Frühjahrsgutachten: Prognosen immer falsch. Empfehlungen immer dieselben: Erhöhung der Dosis

Müssen sich die Chefs der Wirtschaftsforschungsinstitute nicht allmählich lächerlich vorkommen? Alle halbe Jahr ein Gutachten, alle halbe Jahr müssen Sie ihre hochwissenschaftlich erarbeiteten Prognosen korrigieren, alle halbe Jahr raten sie zu noch weniger Sozialstaat, zu weniger Arbeitnehmerrechte, zu noch weniger Unternehmenssteuern, zu noch mehr Markt und noch weniger Staat. Die wirtschaftliche Nachfrage spielt in „ihrer“ Wirtschaft keine Rolle. Mit der Kehrtwende des DIW ist die neoliberale Gleichschaltung vollends gelungen. Wo sich der Staat zuerst zurückziehen müsste, das wäre der Rückzug von der Finanzierung solcher Gutachten und solcher „Forschungs“- Institute, die nur noch durch ihre selbstrechtfertigenden Scheuklappen die Wirklichkeit wahrnehmen. Dass „wir ein Wachstumsproblem“ haben (so Döhrn, RWI), das merken die Menschen schon seit Jahren – auch ohne solche Forschungsinstitute.

“Der Irrsinn der Reformen” – die Schweizer Variante der „Reformlüge“

„Redaktion und Freunde der Nachdenkseiten möchte ich unbedingt auf das unlängst erschienene Buch der Schweizer Autoren Philip Löpfe und Werner Vontobel: “Der Irrsinn der Reformen – Warum mehr Wettbewerb und weniger Staat nicht zu mehr Wohlstand führen“”(Orell Füssli Verlag, Zürich 2005) hinweisen“, schreibt uns ein Freund der NachDenkSeiten. Und weiter:

Managerkreis der Ebertstiftung – ein Brückenkopf der neoliberalen Bewegung im “linken” Lager.

Am 14.4. traf ich mich zum Disput mit dem Sprecher des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung Ulrich Pfeiffer in Berlin. Mein Eingangsstatement finden Sie in der Rubrik “Veröffentlichungen der Herausgeber”. Unzählige Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung tragen tagein tagaus und weltweit mit sachlicher und unabhängiger Arbeit zum guten Ruf dieser Stiftung bei. Der Managerkreis beschädigt ihr gutes Image.