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Meinungsmache

In den Niederlanden haben sich junge Leute zusammen getan, um die innere Willensbildung von Parteien gezielt und massiv zu beeinflussen: G500.

Ein befreundeter niederländischer Journalist machte mich beim Hambacher Disput auf eine neue Bewegung in den Niederlanden aufmerksam. Ein junger Mann, Sywert van Lienden, hat sich die Strategie ausgedacht, mit einer großen Zahl anderer Altersgenossen gezielt auf Parteikongressen aufzutreten und dort die Meinungsbildung zu beeinflussen. Angesichts des Schwunds inhaltlicher Arbeit und Diskussion in den etablierten Parteien bzw. ihrer unreflektierten Orientierung am neoliberalen Glauben wäre auch bei uns eine solche Strategie nicht aussichtslos. Der niederländische Journalist hat mir einen kurzen Bericht geschickt, den ich unten im charmanten Original wiedergebe. Vielleicht findet sich unter den NachDenkSeitenlesern zusätzlich jemand, die/der Niederländisch spricht und den Inhalt von „Wat is G500?“ übersetzen oder wiedergeben könnte. Von Albrecht Müller

Agenda 2020: Das Schüren von Ängsten als Mittel, die Agenda 2010 voranzutreiben

Nachdem die verelendende Schock-Therapie für die südeuropäischen Länder inzwischen die Hoheit an den Stammtischen gewonnen hat, wird nun die Angst vor den „zwei- bis dreistelligen Milliardenlasten, die auf den deutschen Steuerzahler zukommen“ geschürt und nicht nur von den Griechen sondern auch von den Deutschen verlangt, „die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen“ um „endlich für eine nachhaltige Sanierung der eigenen Staatsfinanzen zu sorgen“, um „Staat und Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen“. Die Haftung der Steuerzahler für das Versagen der Politik und der Finanzwirtschaft wird von den Propaganda-Bataillonen der Konservativen unter den Teppich gekehrt und zur Rettung aus der Krise „ein reformpolitischer Neustart“, eine „Agenda 2020“ gefordert. Von Wolfgang Lieb.

Stolz auf Hartz IV-Reformen? Stolz auf die Zerstörung eines wichtigen Teils der sozialen Sicherung: Die Arbeitslosenversicherung?

Zehn Jahre nach Präsentation der Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarktes durch den damaligen VW-Manager Peter Hartz wird in den Medien und von den einschlägigen Verbänden Position bezogen. Wir erleben jetzt zum Jubiläum der Hartz-Vorschläge wie immer wieder in den letzten Monaten ein wahres Trommelfeuer von Meldungen und Kommentaren zur Verankerung der Botschaft, die so genannten Reformen seien ein großer Erfolg. Um diese Botschaft unter die Leute zu bringen werden verschiedene Methoden der Meinungsmache benutzt: es wird übertrieben, es wird verschwiegen, es wird geschönt, unsere europäischen Freunde werden bedauert, weil sie dieses Wunderwerk an Reformen noch nicht hinter sich hätten, und es sei höchste Zeit. Die wichtigste Wirkung, die gezielte Schwächung der Position der abhängig Arbeitenden durch die Drohung, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit nach einem Jahr auf Hartz IV-Niveau abzustürzen, wird in der Regel in den Bilanzen verschwiegen. Ein kleiner Einordnungsversuch: Albrecht Müller.

Der Spiegel sieht die Ursache der „Schuldenkrise“ in einem Generationenkonflikt

Ein junger Wirtschaftsredakteur des Spiegels hat dieser Tage eine bisher völlig unbeachtete Ursache der „Schuldenkrise“ entdeckt: die Alten.
Er will die Jugend Europas gegen ihre Eltern auf die Barrikaden schicken und deutet den Kampfruf der „Indignados“ “Que se vayan todos” („Alle sollen abhauen“), um in die Parole „Die Alten sollen abhauen“.
Von Wolfgang Lieb.

Wie Papageien-Journalismus funktioniert und wie das IAB seine eigenen Studien zu politischen Propagandazwecken missbraucht

„Alterung der Bevölkerung hat sich kaum auf die Arbeitslosigkeit ausgewirkt“ lautet die Überschrift einer jüngst veröffentlichten Studie aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) [PDF – 944 KB]. Das eigentlich neue und interessante Ergebnis der Studie ist, dass die Alterung der erwerbsfähigen Bevölkerung auch in Zukunft „nur einen geringen Effekt auf die gesamte Arbeitslosenquote haben“ dürfte.
Dieser Befund widerspricht nämlich fundamental der von der Politik ständig ausgegebenen und von den Medien nachgeplapperten Behauptung, die demografische Entwicklung und dabei vor allem die Alterung der Bevölkerung werde die Arbeitslosenzahlen deutlich sinken lassen.
„Alterung der Bevölkerung wirkt sich kaum auf die Arbeitslosigkeit aus“ hätten also die Schlagzeilen aufgrund dieser Studie lauten müssen, doch die allermeisten Medien fallen auf die politisch motivierte, schönfärberische Pressemitteilung des IAB herein und machen daraus eine Jubelmeldung über die Verdoppelung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer.
Man müsste also sogar von Papagei-Papageien-Journalismus sprechen. Von Wolfgang Lieb.

Die „Wahrheiten“ der Bild-Zeitung über die Reichen-Steuer – Irreführungen und platte Lügen

„7 Wahrheiten über die Reichen-Steuer“ machte gestern BILD auf Seite 2 auf und mobilisiert die Leserschaft der zumeist „kleinen Leute“ gegen die Initiative „umfairteilen – Reichtum besteuern“ von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Bürgerinitiativen und Oppositionsparteien für eine höhere Besteuerung der großen Vermögen zur Rückführung der Staatsverschuldung. Schaut man BILDs „Wahrheiten“ genauer an, so entpuppen diese sich als bewusste Irreführungen oder glatte Lügen. Von Wolfgang Lieb.

Beim Vergleich des „Verbrechens“ der Nadja Drygalla mit rechtsradikalen Äußerungen von Söder und Gesinnungsfreunden stößt man auf einen interessanten Meinungsbildungsprozess

Olympia-Rudererin Nadja Drygalla hat das Olympische Dorf verlassen, als verbreitet wurde, sie sei mit einem Mitglied und Funktionär der NPD befreundet. Man kann sich mit Recht darüber wundern, dass die Liäson mit einem NPD-Funktionär einen solchen Schatten auf einen Menschen wirft, wie das im Falle der Rudererin Drygalla geschehen ist, obwohl sie sich von der Neonazis-Szene distanziert. Die rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Äußerungen etablierter Politiker wie Söder, und die Kampagnen zum Beispiel der Bild-Zeitung gegen andere Völker wie gegen die Griechen und die Volksverhetzung, die in diesen Kreisen schon bei der Asylrechtsdebatte Anfang der neunziger Jahre sichtbar wurde, sind jedenfalls um vieles schlimmer als das “Vergehen” der Nadja Drygalla. Eine Person wie Söder und viele seiner Parteifreunde und ihrer Gesinnungsgenossen in den Medien nutzen die Distanzierung von der NPD und anderen Rechtsradikalen wie einen Paravent. Albrecht Müller.

Statistisches Bundesamt als Bundesbeschönigungsamt

„Zahl der unbefristet in Vollzeit Beschäftigten steigt deutlich“, „Tarifverdienste von April 2011 bis April 2012 um 2,2 % gestiegen“, so lauteten die Überschriften von zwei Meldungen des Statistischen Bundesamtes. Besonders die Erhöhung der Zahl der Erwerbstätigen ging heute durch alle Nachrichtensendungen. Man kann sicher sein, dass die Bundesregierung diese Zahlen einmal mehr als Erfolg für ihre Wirtschaftspolitik buchen wird. Betrachtet man die Statistiken etwas genauer, so sind die Schlagzeilen – zurückhaltend ausgedrückt – Beispiele für die Beschönigung durch Statistik. Von Wolfgang Lieb

Warum ist Angela Merkel trotz bedrohlicher Fehler ihrer Politik so populär

Nach einer neuen Forsa-Umfrage liegt Angela Merkel eindeutig vor ihren potentiellen Herausforderern. Die Union liegt 9 Punkte vor der SPD. Es gibt kein Wechselklima. Und dies trotz bedrohlicher Entwicklungen in Europa, die wesentlich auf Merkels Politik zurückgehen. Und trotz mehrerer Niederlagen vor dem Verfassungsgericht und einem desolaten Bild der schwarz-gelben Koalition und massiver Beschädigung des Rufs unseres Landes. Spürbare Sanktionen der Wählerinnen und Wähler gegen die Bundeskanzlerin gibt es in den Köpfen und Herzen der Mehrheit der Deutschen nicht. Was ist vermutlich die Ursache dieser seltsamen Konstellation? Albrecht Müller.

Die Förderung der privaten Altersvorsorge war schon immer eine von politischer Korruption bewirkte Fehlentscheidung. Jetzt alle Mittel auf gesetzliche Rente konzentrieren.

„Betriebsrente in Gefahr“ meldete die FAZ am 21.7. hier und hier. Die versprochenen Renditen sind nicht zu halten, weder bei der betrieblichen Altersvorsorge noch bei den anderen Produkten der Privatvorsorge. Diese Meldung hat die Lobbyisten der Privatvorsorge in helle Aufregung versetzt und ihre PR-Maschinerie in Bewegung gesetzt. Die richtige Konsequenz aber, nämlich alle Mittel auf die Gesetzliche Rente zu konzentrieren, ziehen sie selbstverständlich nicht. Albrecht Müller.

Die von der Opposition allein gelassenen Wähler lassen die Kanzlerin als „Übermutter“ erscheinen

Wenn man die Umfragewerte des neuen ZDF-Politbarometers nimmt und wenn man unterstellt, dass das dort ermittelte Stimmungs- und Meinungsbild einigermaßen richtig abgebildet wird, dann müssten wir von den NachDenkSeiten eigentlich resignieren. Merkel, deren Politik nach unserer Auffassung nicht nur Europa in den Abgrund sondern auch Deutschland in die Sackgasse führt, genießt in der Bevölkerung höchste Popularitätswerte. (So auch im ARD-Deutschlandtrend)
Andererseits misstrauen nach einer anderen Umfrage 60 Prozent der befragten Bürger der Bundesregierung und drei Viertel sind der Ansicht, dass die Politik die Krise nicht im Griff habe. Wie lässt sich dieser Widerspruch zwischen Misstrauen einerseits und Zustimmung andererseits erklären? Von Wolfgang Lieb.

Bitte machen Sie Ihre Freunde und Bekannten auf die Methoden aufmerksam, mit denen wir manipuliert werden. Beispiele gibt es jeden Tag.

Gestern bei SpiegelOnline mal wieder ein hervorragender Beleg. Vielleicht haben Sie die Zeit, den Artikel auf sich wirken zu lassen, bevor Sie hier weiter lesen. Im Artikel wird die Methode, B zu sagen und damit die Botschaft A zu transportieren, angewandt. Und es wird zusätzlich ein Konflikt konstruiert, ein geläufiges Instrument zum Transport einer Botschaft. Die harmlose Aufforderung des Bundespräsidenten an die Bundeskanzlerin, sie müsse die Politik zur Finanzkrise detailliert beschreiben und erläutern, wird zu einer Ermahnung hochgespielt. Der Trick: Wenn die angeblich mangelhafte Erläuterung der Politik zu einem „wunden Punkt“ hochstilisiert wird (Botschaft B), dann wird gleichzeitig die Botschaft A vermittelt: die Politik ist gut, sie wird nur schlecht verkauft. Albrecht Müller.

Das Große Geld macht mobil gegen Hollande. Die Erfahrung lehrt: nur offensives Kontern bietet eine Chance.

Am 4. Juli erschien in der Financial Times international eine als Brief an den französischen Präsidenten aufgemachte ganzseitige Anzeige [PDF – 33.7 KB]. Absender ist der in Luxemburg und London ansässige vermeintliche Franzose, Edouard Carmignac. Er betreibt dort eine Vermögensverwaltung, Finanzdienstleistung und Fonds. Die Anzeige ist eine einzige Aggression gegen die Sozialstaatlichkeit Frankreichs; empfohlen werden Reformen nach deutschem Muster. Das ist ein Beispiel von vielen für die Versuche, Druck auf den neuen französischen Präsidenten auszuüben, unter anderem dadurch, dass man zum Kapitalabfluss aus Frankreich ermuntert. Auf das aggressive Vorgehen des Großen Geldes und den hier wieder erkennbaren Versuch, die öffentliche Meinung zu bestimmen, kann man zögerlich und anpassend reagieren. Und man kann offensiv kontern. Mit einem solchen Konter hat die SPD, die damalige SPD, genau vor 40 Jahren mit 45,8 % ihr bisher bestes Ergebnis erreicht. Albrecht Müller.