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Lobbyismus und politische Korruption

Neoliberale Meinungsmache – die alten, bösen Lieder wollen nicht verstummen

Wer geglaubt hat, die Zunft der neoliberalen Meinungsmacher hätte auch nur klitzekleine Lehren aus der fortwährenden Eurokrise gezogen, musste sich in den letzten Tagen wohl von der düsteren Realität eines Besseren belehren lassen. In einem sorgsam choreographierten Tremolo prasselte am Wochenende ein ganzer Gewitterregen mit neoliberalen Forderungen auf uns ein: Erhöhung des Renteneintrittsalters, Kombilöhne, Lockerung des Kündigungsschutzes, Aushöhlung der Renten- und Krankenversicherung und die Stärkung des Niedriglohnsektors. Die alten, bösen Lieder wurden nicht zu Grabe getragen, sondern erfreuen sich pünktlich zu Beginn des Wahlkampfs größter Vitalität. Und ihre Interpreten sind die altbekannten: Sowohl die Bertelsmann-Stiftung, das Institut zur Zukunft der Arbeit, das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut und die Initiative Neue Soziale Markwirtschaft stehen bereits mit frischen „Studien“ in den Startlöchern. Von Jens Berger

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Propaganda und Wahrheit – BDI-Präsident Grillo: „Deutsche Industrie kann die hohen Stromkosten auf Dauer nicht tragen“

Im Interview mit dem Deutschlandfunk führt der BDI-Präsident Ulrich Grillo mal wieder die Öffentlichkeit an der Nase herum. Er betreibt die für die deutsche Wirtschaft seit Jahrzehnten übliche Propagandamethode, indem der mit dem Abbau von Arbeitsplätzen droht: „Wir stehen im internationalen Wettbewerb, insbesondere die energieintensive Industrie, und wenn unsere Wettbewerber im Ausland Energiekosten haben, die zum Beispiel nur 50 Prozent der unsrigen betragen, dann muss das berücksichtigt werden. Sonst kommt es zum Abbau von Arbeitsplätzen und Wegzug ins Ausland“. Die Behauptungen des BDI-Präsidenten sind in höchstem Maße bestreitbar. Solche Drohungen sind nichts anderes als politische Erpressungsversuche. Und die Kanzlerin gibt prompt nach. Von Wolfgang Lieb.

Dringend gesucht: Ein/e Stifter/in für eine gemeinnützige Stiftung zur Recherche von Fällen politischer Korruption

Am 5.3. ist vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG entschieden worden, am Bau von Stuttgart 21 festzuhalten. Gegen alle Vernunft: die Kosten sind schon enorm gestiegen, sie werden weiter steigen; der Bahnhof wird weniger leistungsfähig als bisher behauptet; das Projekt rentiert sich für die Bahn nicht, verkehrspolitisch insgesamt sowieso nicht. Die wahren Gründe für den Weiterbau kennen wir nicht. Nach meiner Einschätzung ist wie bei der Umstellung auf die private Altersvorsorge und bei der Kommerzialisierung des Fernsehens und bei vielen Privatisierungs- und ÖPP-Projekten politische Korruption im Spiel. Die Rechercheure in den Fällen Schavan und Guttenberg wie auch die Macher von Wikileaks haben bewiesen, dass mit konsequenter Recherche Licht ins Dunkel gebracht werden kann. Von Albrecht Müller

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Der „Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung“ feiert das 10-jährige Jubiläum der Agenda 2010 – nur unter Freunden

Unter dem Titel „Agenda 2010 – Bilanz und Perspektive“ feiert der Managerkreis der FES am 14. März 2013 – dem zehnten Jahrestag der Verkündung der Agenda – eine Geburtstagsparty (Download hier). Wie es bei diesen „Managern“ der sozialdemokratischen Stiftung nicht anders zu erwarten ist, sind ausschließlich Freunde der Agenda eingeladen. Der Brückenkopf der neoliberalen Bewegung hinein in die Sozialdemokratie will sich offensichtlich seine Jubiläumsfeier nicht durch Kritiker stören lassen. Man müsste ja sonst befürchten, dass die Party-Stimmung durch ein paar Hinweise auf die verheerenden Folgen der Agenda für Millionen von Menschen in Deutschland und inzwischen in ganz Europa ziemlich schnell in den Keller rutschen könnte. Um sich selbst zu applaudieren, stellt man lieber den guten Ruf der Stiftung in Frage. Von Wolfgang Lieb.

Fluchtpunkt „Chancengerechtigkeit“ – Oder: Wie die INSM über die Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit hinwegzutäuschen versucht

Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) macht sich Sorge, dass sich in der von 70 Prozent der Deutschen empfundenen Gerechtigkeitslücke politischer Sprengstoff ansammeln könnte. Um den wachsenden Unmut über die zunehmende Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit umzulenken, hat die neoliberale Propagandaagentur beim demoskopischen Hoflieferanten der CDU, dem Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage bestellt, die natürlich vorab in der Bild-Zeitung veröffentlicht wurde. Mit dieser Untersuchung wird die Behauptung begründet, dass die Deutschen gar nicht so sehr die manifeste soziale Ungleichheit bekümmert, sondern dass sie eher auf mehr „Chancengerechtigkeit“ in der Zukunft hoffen.
Diese Behauptung ist eine doppelte Manipulation: einmal durch die Studie selbst, dann aber vor allem durch deren Interpretation durch die INSM. Es ist ein kläglicher, aber leider wohl wirkungsvoller Versuch die politische Debatte im Wahljahr zu beeinflussen. Von Wolfgang Lieb.

Sinn kann´s nicht lassen

Von den unseligen Target-Salden will „Deutschlands klügster Professor“ (BILD-Zeitung) offenbar nichts mehr wissen. In seinem jüngsten Gastartikel für die FAZ verabschiedet sich Hans-Werner Sinn ohne große Worte von seinem einstigen Steckenpferd. Auch bei einigen anderen Themen rudert der Boulevard-Ökonom zurück. Getreu dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ erfindet Sinn sich offenbar täglich neu. Das wäre durchaus erfreulich, würde Sinn nicht wieder einmal mit Scheuklappen durch die Welt laufen, die Leser manipulieren und dem Ganzen den typisch „sinnschen“ Weltuntergangspathos verleihen. Von Jens Berger

Prognosen und andere Irrtümer

Muss man eine rosige Zukunft prognostizieren, um ein guter Ökonom zu sein?
Die Jahreswende ist die Zeit, in der Ausblicke auf das vor uns liegende Jahr gegeben und gute Vorsätze gefasst werden, auf dass alles besser werde. Doch mit den guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Wer etwas besser machen will, muss die in der Vergangenheit gemachten Fehler erst einmal erkennen, bevor er gegensteuern kann, von der Mühsal der Umsetzung vieler Vorsätze ganz abgesehen. Viel leichter ist das Leben für die, die sich die Fehlentwicklungen in der Vergangenheit gar nicht so genau anschauen und folglich auch keinen Anlass sehen, etwas zu ändern. Von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker

Psychiatrie als „Polizey-Wissenschaft“

Die aktuelle Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel widmet sich dem Thema: Wahnsinn wird normal. Jörg Blech, bekannt als Verfasser der Bücher Die Krankheitserfinder und Gene sind kein Schicksal, blickt voraus auf die demnächst erscheinende neue und damit fünfte Version des DSM – eine gängige Abkürzung für Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Dieses Diagnose-Handbuch existiert seit 1952 und wird von der American Psychiatric Association herausgegeben. Es will und soll weltweit die Kriterien dafür festlegen, wann ein Mensch im psychiatrischen Sinn für gestört zu erklären ist. Der DSM ist so etwas wie diagnostisches Weltgeld. Was der Dollar für die Weltwirtschaft ist – oder sollte man heute besser sagen: war – ist der DSM für die Psychiatrie. Von Götz Eisenberg

Christoph Butterwegge und Albrecht Müller im DLF zur politischen Korruption bei der Privatisierung der Altersvorsorge

Anlässlich des zweiten Berliner Demografie-Forums, einer von der Allianz AG zusammen mit Ministerin Schröder geförderten Einrichtung, berichtete der Journalist Peter Kolakowski für den Deutschlandfunk [Audio – mp3] unter Verwendung von Gesprächen mit Christoph Butterwegge und Albrecht Müller.
Die oben verlinkte Pressemitteilung des Themenportals von ddp offenbart nebenbei eine interessante personelle Verflechtung zwischen Allianz AG und dem ehemaligen Botschafter und Staatssekretär im Auswärtigen Amt Wolfgang Ischinger. Albrecht Müller.

Ist die Todessehnsucht der SPD-Spitze unbegrenzt? Sie sollte Steinbrück trotz der Peinlichkeit eines Rückzugs wieder aus dem Verkehr ziehen.

Auf ein gutes Neues! So wie es aussieht, wird das zumindest, was die Politik betrifft, ein frommer Wunsch bleiben. Wir haben im Wahljahr 2013 eine Alternative verdient. Aber den Wechsel wird es nicht geben, weil sich die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück abgrundtief vertan hat. Für NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser sind diese Erkenntnisse nicht neu. Aber angesichts der neuesten und aktuellen Fehltritte des Dauerbrenners Steinbrück reift jetzt auch in anderen Medien die Erkenntnis vom Fehlgriff. „Er kann es nicht“, schrieb die FAZ am 30. Dezember. Das Medienecho auf Steinbrücks Klage über das niedrige Gehalt der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers und über den Frauenbonus Angela Merkels ist verheerend. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass es kein Wechselklima gibt und dass Angela Merkel ihre Position ausbauen konnte. Die Lage ist so ernst, dass man von der SPD-Führung verlangen muss, zwischen zwei schlechten Alternativen nach der weniger schlechten zu greifen. So ist das manchmal im Leben. Von Albrecht Müller

Nachtrag zu „Milliarden Deals der Großen in Politik und (Finanz-) Wirtschaft …“

Am 18. Dezember 2012 hatten wir sechs Fälle des Zusammenspiels der Großen in Politik, Wirtschaft und speziell der Finanzwirtschaft skizziert. Weil ich den Beleg für den besonderen Fall eines 5-Milliarden-Zugeständnisses des Bundesfinanzministers an die Finanzwirtschaft nicht mehr fand, bat ich um Mithilfe unserer Leserinnen und Leser. Wie so oft wurden diese dankenswerterweise fündig. Ein Leser verwies auf einen einschlägigen Artikel bei „Zeit online“ hin. Wilfried Herz schildert dort ZEIT online: Das größte Geschenk aller Zeiten das Zu-Stande-Kommen des „größten Geschenks aller Zeiten“ an die Finanzwirtschaft und Großvermögen das ist der „Fall 7“, den ich versäumt hatte aufzulisten. Es folgt dann noch der aktuelle Fall 8: Das Geschenk an Hedgefonds und andere Spekulanten durch die spekulationfördernde, scheibchenweise Griechenland-Hilfe. Diese kostspieligen Umwege verdanken wir vor allem unserer eigenen Regierung. Albrecht Müller.

“Armut ist politisch gewollt” – oder: Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Zeitgleich zu den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften legte der „Wissenschaftliche Beirat“ des Wirtschaftsministeriums ein Gegengutachten vor. Wie schon beim Armutsbericht der Bundesregierung versucht das „Rösler“-Ministerium erneut, die Wirklichkeit zu verfälschen. Der „Schattenbericht“ der Nationalen Armutskonferenz (nak)[PDF – 2 MB] stellt noch einmal die allseits bekannte traurige Realität dar und resümiert, dass „Armut politisch gewollt sei“. Das eigentlich zur Verharmlosung und zur Ablenkung von der Wirklichkeit gedachte „Gegen“-Gutachten zum Thema „Altersarmut“ des „Wissenschaftlichen Beirats“ [PDF – 110 KB] bestätigt dieses Urteil der nak einer politisch gewollten Armut unfreiwillig nur ein weiteres Mal, indem es die Armut einfach wegdefiniert. Von Wolfgang Lieb

Milliarden Deals der Großen in Politik und (Finanz-) Wirtschaft auf Kosten von uns Steuerzahlern und anderer Teile der Wirtschaft

Im Zusammenhang mit dem „Beschwerdeanruf des Deutsche-Bank-Chefs“ war gestern im Deutschlandfunk folgender Satz zu vernehmen: „Man kennt sich, die Drähte sind kurz zwischen Banken und Politik. Das wird in Frankfurt unumwunden zugegeben. Und dass die Commerzbank auf Geheiß Berlins die Dresdner Bank übernehmen musste, um größere Verwerfungen zu vermeiden, gilt als gesetzt.“ So sieht die „Marktwirtschaft“ aus. Im konkreten Fall hatte sich die Allianz AG mit dem Kauf der Dresdner Bank gründlich verrechnet. Damit kein Schatten auf den Münchner Versicherungskonzern fällt, hat die Commerzbank auf Geheiß der Politik das marode Unternehmen gekauft und wir Steuerzahler haben dann anschließend einen lächerlich kleinen Teil von 25 % an der Commerzbank für den großen Betrag von 18,2 Milliarden erworben. Damit alle diese Konzerne glänzen und weiter Dividenden gezahlt werden können, greift die Politik uns in die Tasche. Der im Deutschlandfunk so nebenbei angesprochene Vorgang ist die Spitze des Eisbergs. Albrecht Müller.

Transparencys Rankingsabsturz von Griechenland: Irreführend! Mindestens aus dreierlei Gründen.

Gestern waren die Meldungen und heute sind die Zeitungen voll von der Nachricht der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, Griechenland sei inzwischen das korrupteste Land Europas. Das war eine wirksame Veröffentlichung. Bei Google News gab es 368 Hinweise, zwei davon in Anlage 1. Auch die Redaktion der NachDenkSeiten wurde aufgrund des Absturzes Griechenlands beim Ranking kritisiert, weil wir gerade einen relativierenden Beitrag von Heiner Flassbeck veröffentlicht hatten. Wir bestreiten nicht, dass die Korruption in Griechenland ein großes Problem ist. Aber selbst der Vertreter von Transparency weist darauf hin, dass der Absturz auf veränderten Erhebungsmethoden beruhen könnte – der erste Grund zur Skepsis. Siehe Anlage 2 . Noch gravierender sind zwei andere Schwächen der Messungen von Transparency. Von Albrecht Müller