Kategorie:
Ökonomie

“Die halbierte Gesellschaft”

Ein ausgezeichneter Kommentar VON WOLFGANG STORZ, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und Mitautor des Buches „Wider die herrschende Leere – Neue Perspektiven für Politik und Wirtschaft“. Schon der Kommentar zeigt die analytische Kraft des Autors.

Mehr zum Koalitionsvertrag: Die Große Koalition, ziemlich kleinkariert

„Ich erkläre hiermit, dass ich diese Koalitionsvereinbarung ebenso wenig lesen werde wie die vorige.“ So soll sich der noch amtierende Kanzler Gerhard Schröder laut BamS nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen geäußert haben. Mir ist zwar klar, dass solche Verträge zwischen den koalierenden Parteien, die Regierungen – sind sie erst einmal gewählt – nur noch beim Regieren stören und am liebsten gleich in den Reißwolf verfügt würden. Dennoch wollte ich mich der Mühe unterziehen und die insgesamt 191 Seiten gründlich lesen, damit ich mir nicht später den Vorwurf einhandle: Ich hätte alles, was auf uns zu kommt, ja vorher wissen können und müssen.
Spätestens ab Seite 66 habe ich den Text jedoch nur noch überflogen. Dort steht nämlich der Satz: „Alle Maßnahmen dieses Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ D.h. man kann den ganzen Streit um den Koalitionsvertrag vergessen, wenn die dort vorgesehenen Maßnahmen nicht finanzierbar sind. So wie die Politik angelegt ist, ist aber nichts anderes zu erwarten.

Globalisierung beflügelt deutsche Exportüberschüsse – Simulationsrechnung im neuen IMK-Report

Die deutsche Wirtschaft profitiert massiv vom globalen Handel. Die zunehmende internationale Verflechtung ist die wichtigste Ursache für das enorme Wachstum, das der deutsche Exportüberschuss in den vergangenen Jahren gezeigt hat. Daneben tragen zwei weitere Faktoren wesentlich zur positiven Entwicklung bei: die Differenz zwischen starker Auslandsnachfrage und schwächerer Nachfrage in Deutschland sowie die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.

Ist der Kündigungsschutz wirklich ein Beschäftigungshemmnis? Das WSI hat die Behauptungen der Deregulierer empirisch überprüft und kommt zu ganz anderen Befunden.

Kündigungsschutz und Arbeitsrecht sind Dauerbrenner in der politischen Debatte. Weniger Absicherung bringe mehr Jobs, der Kündigungsschutz bremse die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt, lautet eine häufig geäußerte Meinung. Was sagen Wissenschaftler? Das Projekt “Regulierung des Arbeitsmarktes” (REGAM) am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu ganz anderen Ergebnissen – und zwar auf der Basis empirischer Fakten.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werden im kommenden Jahr die Durchschnittseinkommen der Beschäftigten auch nominal sinken

SPIEGEL-Online berichtet, dass nach einer dem Bundeskabinett vorgelegten Prognose des Bundessozialministeriums das Durchschnittsentgelt aller Beschäftigten sich 2006 auf 29.304 Euro belaufen wird. Das wären 265 Euro oder knapp 1% weniger als 2005. Das wäre der erste Rückgang der statistischen, nominalen Durchschnittseinkommen seit 1949. Der reale Lohnverlust fällt wegen der Inflation sogar noch größer aus. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Verbraucherpreise im September 2005 im Vergleich zu 2004 um 2,5% angestiegen. Bliebe es bei dieser Inflationsrate hätten die Arbeitnehmer im kommenden Jahr durchschnittlich also knapp 3,5% weniger in der Tasche.

Quelle 1: SPIEGEL ONLINE
Quelle 2: Statistisches Bundesamt

Liberale Briten setzen auf staatliche Hilfen

Europa-Chefvolkswirt der Bank of America Schmieding: “Fast die Hälfe aller neuen Arbeitsplätze, die seit 1998 im Königreich geschaffen wurden, sind auf gestiegene Staatsausgaben zurückzuführen”.
Die Briten werden hierzulande ständig für ihre liberale Wirtschaftspolitik gelobt, dabei wird häufig übersehen, dass der britische Staat in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer Geld auf Pump ausgegeben hat – vor allem, um mehr Mittel in die nach Jahren der Thatcher-Kürzungen marode Infrastruktur zu stecken.

Quelle: FTD

Stellungnahme von ver.di zum Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute

Leichtes Wachstum im kommenden Jahr, aber eine umfassende Konjunkturbelebung bleibt aus. Träger des Wachstums bleibt die Exportnachfrage, während der private und staatliche Konsum am Boden liegt. Trotzdem beten die Institute weiterhin die neoliberale Standardlitanei herunter: Aggressive Forderung nach Reallohnkürzungen. Dabei wäre eine Stärkung der Binnennachfrage nötiger denn je.

Quelle: ver.di [PDF – 84 KB]

Die Realitätsresistenz der angeblichen Sparer

Eigentlich müsste die derzeit so oft zitierte miserable Haushaltslage jedem, der die Wirklichkeit noch klar zu erkennen vermag, vor Augen geführt haben, dass Hans Eichel, der mit dem Image eines Sparkommissars populär wurde und lange Zeit populär blieb, obwohl seine ehrlichen Sparversuche total scheiterten, einfach nichts von Volkswirtschaft versteht und nicht begriffen hat, dass volkswirtschaftlich betrachtet Sparabsicht und Sparerfolg auseinander klaffen, wenn der Finanzminister „in die Krise hineinspart“ (Siehe Denkfehler 31/Reformlüge).
Bei Sabine Christiansen am 23.10. hat auch der frühere Finanzminister Waigel versucht, auf dieser Spar-Welle zu reiten. Er verwies auf ein angeblich erfolgreiches, so genanntes Föderales Konsolidierungsprogramm, das 1993 unter seiner Federführung verabschiedet wurde. Das ist wiederum ein Musterbeispiel einer so aus dem Ärmel geschüttelten manipulativen Behauptung. Die exakten Daten zeigen nämlich etwas anderes.

„Wir sind umstellt von Wahnsinnigen“

schreibt mir ein Freund nach Lektüre der einschlägigen Zeitungs-Artikel zum Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute. Mir fällt angesichts der Ignoranz dieser meiner Wissenschaft auch kaum mehr ein als die Feststellung, dass es sich hier um Drogenabhängige handeln muss. Seit Jahren predigen sie uns Lohnzurückhaltung und Sparen beim Staat. So reiten sie unsere Volkswirtschaft immer weiter in die Krise.

IMK plädiert im Euro-Raum für eine koordinierte expansive Wirtschaftspolitik.

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung plädiert in seinem Report Nr. 3 für eine wirtschaftspolitische Wende. Alles deute auf das Gegenteil einer von Angebotsproblemen geplagten Wirtschaft hin: Die mangelnde Nachfrage sei das Problem. Preiserhöhungen bei sinkenden Reallöhnen und eine dadurch bedingte schwache Binnennachfrage seien der Hemmschuh der Konjunktur.