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Sozialstaat

Schmierentheater statt Therapie

Mittwoch, die Kanzlerin empfängt zum großen europäischen Gipfel gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin. Was für eine wunderbare Gelegenheit, das Image von „Mutti“ zu pflegen, der das Wohl von Europas Jugendlichen am Herz liegt. So ein Schmierentheater! Erst sorgt sie dafür, dass Millionen Menschen ihren Job verlieren, dann will sich die Kanzlerin öffentlich dafür feiern lassen, dass sie den Opfern Medizin in homöopathischen Dosen verabreicht. Von Jens Berger

Bio-Branche: Dasselbe in Grün

Am Anfang stand die Vision: Bio-Produkte unter die Menschen bringen. Für jeden erschwinglich und in erreichbarer Entfernung. Die Antwort lag auf der Hand: Ein gut sortierter Großhändler und ein flächendeckendes Filialnetz von Verbrauchermärkten.
Die Vision, die Welt auf diesem Weg zu einem etwas besseren Ort zu machen, teilen sehr viele der Beschäftigten in den Märkten. Ohne das aus dieser Vision resultierende überdurchschnittliche Engagement bis hin zur Selbstausbeutung wären die Pioniere der Biobranche damals erfolglos geblieben. Aber darf im Umkehrschluss ein Arbeitgeber der Biobranche seine Arbeitnehmer ausbeuten? Oder sie dahingehend manipulieren, dass sie sich selbst ausbeuten? Von Florian Pfenning.

Jugendarbeitslosigkeit in Europa – Die wundersame Welt des Wolfgang Schäuble

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in der letzten Woche bei „Cicero online“ einen Beitrag zur Jugendarbeitslosigkeit in Europa veröffentlicht. Der Titel „Das ist eine Gefahr für die Demokratie“ lässt Hoffnung auf einen vielleicht ersten Schritt zur Einsicht aufkommen. Doch weit gefehlt: Schäuble demonstriert einmal mehr seine völlige Lernunfähigkeit und -unwilligkeit. Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Demographie – eine ziemlich nutzlose und vielfach missbrauchte Wissenschaft

Das Statistische Bundesamt hat auf der Basis des Zensus 2011 die bisherigen Ziffern zu den Einwohnern in Deutschland und ihrer Altersstruktur korrigiert. Siehe hier.
Auf das Ergebnis sind wir im Hinweis Nr. 1 vom 3.6.2013 schon eingegangen: Es leben rund 1,5 Millionen Menschen weniger Deutschland als bisher angenommen; es gibt weniger Ältere als bisher vermutet und auch die Zahl der Ausländer ist geringer. Diese Erkenntnisse reizen zu einigen Anmerkungen über die in den letzten fünfzehn Jahren modisch gewordene demographische Debatte. In dieser Debatte über den so genannten demographischen Wandel musste man den Eindruck gewinnen, die Wissenschaft von der Demographie habe eine zentrale Bedeutung. Das ist eine bemerkenswerte Fehleinschätzung. Ihre Bedeutung ist vergleichsweise unbedeutend; umso größer ist die Bereitschaft von Demographen, sich für private Interessen einspannen zu lassen und zu diesem Zweck die Entwicklung maßlos zu übertreiben. Albrecht Müller.

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From the Mouths of Babes – Aus Kindermund

Warum geht es unserer Wirtschaft so schlecht? Weil viele Wirtschaftsakteure ihre Ausgaben zur gleichen Zeit drastisch gekürzt haben, während sich nur relativ wenige bereit zeigen, mehr auszugeben. Und weil eine Volkswirtschaft anders als ein Privathaushalt funktioniert – deine Ausgaben sind mein Einkommen, und meine deins – führt das zu einem allgemeinen Sinken der Einkommen und einem Einbruch am Arbeitsmarkt. Wir brauchten (und brauchen) dringend öffentliche Maßnahmen zur temporären Ankurbelung des Ausgabeverhaltens – und eine Ausweitung der food stamps, die Familien am Rande der Gesellschaft unterstützen würde und sie mehr Geld für alle möglichen Güter des täglichen Bedarfs ausgeben ließe, wäre genau so eine Maßnahme.
Paul Krugman, NYT , 30.Mai 2013
(Aus dem Englischen übersetzt von ToberÜbersetzungenBerlin)

Gerechtigkeit – Das „Institut der deutschen Wirtschaft“ müsste in den Medien jegliche Glaubwürdigkeit verloren haben

Die neoliberalen Propagandaagenturen haben erkannt, dass das Thema „soziale Gerechtigkeit“ zu einem für sie gefährlichen Feld im Wahlkampf werden könnte. Kein Wunder also, dass sich diese neoliberalen Speerspitzen der Manipulation der öffentlichen Meinung in Stellung bringen, um die Stimmungslage beim Stimmvolk zu wenden und die veröffentlichte Meinung auf ihre Seite zu ziehen oder wenigstens zu verunsichern.
An der Spitze dieses „Klassenkampfs von oben“ stehen natürlich die Propagandaorganisation der Arbeitgeber, die „Initiative Neue Marktwirtschaft“ (INSM) und deren „wissenschaftlicher Schreibtisch“, das „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW).
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es dem angeblich wissenschaftlichen IW um nichts anderes geht, als um Propaganda für die politischen Interessen der Arbeitgeberverbände, dann ist er mit dieser aktuellen Pressekampagne geliefert.
Wer in den Medien bereit ist, auch nur einen kritischen Blick auf diese Veröffentlichungen des IW zu werfen, der dürfte als verantwortlicher Redakteur den Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, nie wieder zitieren oder vor die Kamera holen.
Spätestens mit dieser Pressekampagne müsste das IW und zumal ihr omnipräsenter Direktor für jeden einigermaßen unvoreingenommenen Beobachter jede Glaubwürdigkeit verloren haben. Von Wolfgang Lieb

Rauchmelderpflicht: Lobbyisten sichern lukrative Profitquelle für ihre Klientel

Während Häuser heutzutage überwiegend aus Beton gebaut und kaum mehr mit Holz geheizt werden und Röhrenbildschirme durch Flachbildschirme abgelöst werden, wird in Deutschland eine Rauchmelderpflicht eingeführt. Zwar sind elektrische Geräte immer noch eine häufige Brandursache, beispielsweise durch Kurzschluss, Kontaktfehler oder übermäßige Beanspruchung, doch statt auf Prävention, die auf Sicherheitsregeln im Umgang mit elektrischen Geräten abzielte und die Bürger über den richtigen Umgang mit elektrischen Geräten aufklärte, setzt das „Forum Brandrauchprävention“ auf eine flächendeckende Rauchmelderpflicht. Das ist auch nicht verwunderlich, denn hinter dem „Forum Brandrauchprävention“ verbirgt sich eine Lobbyvereinigung, die mit der Kampagne „Rauchmelder retten Leben“ 12 Jahre lang auf eine flächendeckende gesetzliche Rauchmelderpflicht in Deutschland hingewirkt hat. Von Christine Wicht

Der SPIEGEL und die Altersvorsorge – eine publizistische Bankrotterklärung

In seiner aktuellen Titelgeschichte beschäftigt sich der SPIEGEL ausführlich mit dem Thema „Altersvorsorge“. Wunderbar, so könnte man meinen – nach apolitischen und unsinnigen Titelgeschichten wie beispielsweise „Hitlers Uhr“ endlich mal ein Thema, das nicht nur wichtig, sondern auch brisant ist. Wer vom SPIEGEL hier jedoch Aufklärung erwartet, hofft vergebens. Wahrscheinlich ohne es zu wissen, listen die Autoren nahezu sämtliche Argumente die gegen eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sprechen, auf, um dann zu dem abstrusen Schluss zu kommen, dass eine Erhöhung des Anlagerisikos die beste Alternative zur „kalten Enteignung“ durch niedrige Zinsen sei. Vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht dilettieren die Autoren dabei munter vor sich hin. Von Jens Berger

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Eine Logik des Niedergangs – Auswüchse formaler Denkkultur

Die deutsche Öffentlichkeit wird durch manche ihrer eifrigsten Politiker fehlgeleitet, und zwar in der Verschuldungsfrage des Staates. Vor allem durch die alltäglichen Anstrengungen von Exponenten der derzeitigen Regierungskoalition. Die fortgesetzte Propagierung eines formal-eindimensionalen Denkens, wie sie sich rund um die “Sparpolitik” manifestiert, manipuliert oder irritiert die Menschen: Hierbei werden elementare volkswirtschaftlich negative Rückwirkungen der “Sparpolitik” ignoriert oder geleugnet, wie sie makroökonomisch zur normalen Einsicht in die Grundzusammenhänge gehören. Es erscheint öffentlich fast als Tabu-Bruch, die gekürzten bzw. geminderten fiskalischen Ausgaben als relevant für die Reduzierung der Wachstumsraten zu interpretieren. Ein Gastartikel von Karl Mai [*]

Die Austeritätspolitik gefährdet den europäischen Zusammenhalt und die Demokratie

Was von vielen kritischen Beobachtern seit langem vermutet wurde, lässt sich jetzt belegen: Die Eurokrise hat das Vertrauen vieler Menschen in die Europäische Union zerstört. Der britische „Guardian“ veröffentlichte in der letzten Woche Daten der EU-Meinungsumfrage „Eurobarometer“, die von der unabhängigen Stiftung European Council on Foreign Relations (ECFR) ausgewertet wurden. Das Ergebnis: Ein massiver Vertrauensverlust in die EU in Ländern wie Spanien, Deutschland und Italien, die traditionell eigentlich pro-europäisch eingestellt sind. Ein Gastartikel von Günther Grunert.

FAZ-Themenwoche „Vollbeschäftigung“ – Spiegelfechten im Niedriglohnparadies

Arbeit für Alle“ – unter diesem Motto hat die FAZ die Woche rund um den Tag der Arbeit am 1. Mai zur Themenwoche zum Schwerpunktthema „Vollbeschäftigung“ erklärt. Begleitend dazu hat das FAZ-Wirtschaftsblog „Fazit“ zu einer Blogparade aufgerufen. Auch wenn wir[*] mit den aufgestellten Prämissen der FAZ ganz und gar nicht übereinstimmen, werden wir uns freilich dennoch an der Debatte beteiligen. Zunächst soll es hierbei um den von der FAZ bagatellisierten Zusammenhang zwischen den Arbeitseinkommen und den Beschäftigungszahlen gehen, der für die Beschäftigung mit dem Thema elementar ist. Von Jens Berger.

Arbeitslosenzahl im April 2013 wieder gesunken – Arbeitslosenzahl sinkt im Mai 2013 weiter

Natürlich sind wir keine Propheten und haben auch keine Vorabergebnisse aus Nürnberg. Trotzdem sind wir uns sicher. Und genauso sicher sind wir uns auch, dass eine ganze Reihe von Medien in diesem Stil titeln wird.
Woher die Sicherheit der Vorhersage?
Der Grund ist einfach: Die Arbeitslosenzahlen sind seit der Wiedervereinigung in jedem April im Vergleich zum März des gleichen Jahres gesunken. Das Gleiche gilt für den Mai im Verhältnis zum April (siehe Tableau [PDF – 55.8 KB]). Man weiß eben, dass das der übliche Frühjahrsaufschwung ist. Von Gerd Bosbach.

“SPD – wohin? Regierungsprogramm und Wahlstrategie 2013”

Auf Einladung des NachDenkSeiten-Gesprächskreises in Bonn hielt ich am 23. April ein Referat zu dem mir gestellten o.g. Thema. An dem Gesprächskreis beteiligen sich viele Kollegen, die ich noch aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes kenne. Es sind überwiegend Sozialdemokraten, die seit der Agenda-Politik von Gerhard Schröder eine kritische Haltung zur SPD eingenommen haben. Zum Teil sind sie dennoch in dieser Partei aktiv. Vor allem sie wollte ich mit meinem Referat ansprechen. Ich wurde gebeten, mein Referat ins Netz zu stellen, was ich hiermit gerne tue. Von Wolfgang Lieb

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SPD: Wer ist Wir?

Der SPD-Kanzlerkandidat will die Umverteilung von unten nach oben umkehren, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Vernunft zusammenbringen, die „Fliehkräfte“ bändigen und die Gesellschaft wieder „ins Lot“ bringen: Er will die „dynamische Wir-Gesellschaft“. Die Frage ist nur, wer gehört zum „Wir“?
Über die Armutsgefährdeten und Armen und über die Arbeitslosen und an den Rand Gedrängten hat Peer Steinbrück nicht gesprochen, doch gerade sie hätten „soziale Gerechtigkeit“ und Solidarität am meisten nötig. Gerade ihr Vertrauen müsste er gewinnen, wenn aus dem Kandidaten ein Kanzler werden sollte. Von Wolfgang Lieb.

SPD-Regierungsprogramm: Gefangen im vorausgegangenen Tun

Am 14. April findet in Augsburg ein außerordentlicher Bundesparteitag der SPD in Augsburg statt. Dort soll das „Regierungsprogramm“ [PDF – 850 KB] der SPD und des Kanzlerkandidaten beschlossen werden. Das ist Anlass, dieses Programm, das bisher – wenn überhaupt – von den Medien fast ausschließlich mit Skepsis und Kritik aufgenommen wurde, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Von Wolfgang Lieb