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Bildungspolitik

Ökonomisierung von Bildung und Privatisierung von Bildungspolitik – Pädagogische An- und Einsprüche

Die „Wissensgesellschaft“ ist heutzutage in aller Munde. Im Vergleich zu früheren Begriffen wie Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft soll der Begriff der Wissensgesellschaft eine strukturelle Verschiebung in Bezug auf die Wertigkeit von Ressourcen beschreiben: Nicht mehr Rohstoffe, Arbeit und Kapital stehen danach an erster Stelle, sondern Wissen. Die Aneignung, der Zugang, das Haben von und der Umgang mit Wissen soll eine immer größere Bedeutung erlangen. Diese Zeitdiagnose könnte bei Lehrern und Pädagogen Anlass zur Freude sein, könnte mit dem Bedeutungszuwachs von Wissen doch auch das Verstehen, das Begreifen und das Erkennen zum Thema werden. Doch Wissen reduziert sich in der Wissensgesellschaft auf die Vermittlung von „Beschäftigungsfähigkeit“ und Selbstverantwortung im Kontext ökonomischer Sachzwänge. Der philosophische Hintergrund von Bildung durch Effektivitäts- und Effizienzinstrumente aus der Ökonomie abgelöst.
Die Übertragung privatwirtschaftlicher Regulative auf die Bildungseinrichtungen ebnet den Weg zur Ökonomisierung von Bildung.
Von Monika Witsch, Hochschullehrerin für Pädagogik an der Universität DuisburgEssen.

Die Wüste wächst – Über die Selbstzerstörung der deutschen Universität

Vortrag an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf Einladung des Kritischen Gesprächskreises an der Universität Bonn (KGK), in Zusammenarbeit mit dem Studium Universale, am 23. Januar 2008 von Peter J. Brenner, Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Fakultätsbeauftragter für Qualitätsmanagement an der Philosophischen Universität der Universität zu Köln sowie Leiter des privaten Instituts für Medienevaluation, Schulentwicklung und Wissenschaftsberatung.

Hochschulzugang im Wandel – von der Verteilung von Studienplätzen zur Selektion

Ob Studiengebühren, Verschärfung der Zulassungsverfahren oder „unternehmerische“ Hochschule, die aktuellen “Reformen” im Hochschulbereich weisen in eine Richtung, welche die universitäre Verfasstheit, das Selbstverständnis und die Struktur der Hochschulen nachhaltig verändern werden. Der Rektor einer Hochschule heißt mittlerweile in Baden-Württemberg offiziell laut Landeshochschulgesetz (LHG) ‘Vorstandsvorsitzender”, das Rektorat ‘Vorstand’, der Universitätsrat ist der ‘Aufsichtsrat’. Schon die Wortwahl zeigt die Richtung an, in die es gehen soll. An vielen Einzelmaßnahmen wird inzwischen dieser Strukturwandel immer für die Hochschulangehörigen immer spürbarer. Gerda auch am Beispiel der Regelung des Hochschulzugangs – also am Verfahren der Verteilung der knappen Studienplätze auf Studieninteressierte – lässt sich der beschriebene “Paradigmenwechsel” exemplarisch darstellen. Von unserem studierenden Leser Michael Kolain.

Nachtrag zum Thema Lehrerpreis der Versicherungswirtschaft

Das „Informationszentrum der deutschen Versicherer ZUKUNFT klipp + klar“ hat mir freundlicherweise die Namen der Preisträger und ihre Arbeiten, die Preisträger-Konzepte, zur Verfügung gestellt. Damit kann ich meinen Beitrag von heute früh um diese Informationen ergänzen. Die Preise von 10.000 € für den ersten Preis, 8.000 € für den zweiten und 5.000 € für den dritten Preis gingen an die unten genannten Personen. Ich habe mir die Preisträger-Konzepte angeschaut. Der erste Eindruck ist wie erwartet: Lobbyarbeit. Albrecht Müller.

Haben Lehrer/innen es nötig, gegen Geld Lobbyarbeit für die Deutsche Versicherungswirtschaft zu betreiben – und dazu ihre Schulen und Schüler zu missbrauchen?

Gestern wurde in Stuttgart der Lehrerpreis des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verliehen. Er ist mit insgesamt 23.000 € dotiert und wurde an Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I und II aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern während der Bildungsmesse didacta überreicht. Wofür? Der GDV hat zusammen mit Partnern vielfältige Materialien für komplette Unterrichtseinheiten zur privaten Altersvorsorge vorbereitet. Die gibt es hier: www.safety1st.de . Interessierte sollten sich diese verschiedenen Unterrichtsmaterialien anschauen. Sie enthalten die gängigen Propagandaelemente: Dass die gesetzliche Rente nur noch das Existenzminimum sichere, dass ihr größtes Problem der demographische Wandel sei, dass sich die Alterslast zum Beispiel vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2050 fast verdoppele (wie „dramatisch“ die Alterung vor dem Jahr 2000 war, wird wie üblich unterschlagen). Und dann wird für Privatvorsorge geworben, um „spätere Versorgungslücken“ auszugleichen. Dass sich mit der Privatvorsorge nichts an den demographischen Relationen ändert, wird natürlich nicht gesagt.

LehrerInnen, die diese Grundlinien der privaten Versicherungswirtschaft besonders engagiert im Unterricht umsetzen, werden mit Geldpreisen belohnt. Albrecht Müller.

Studie: Hochschulräte als Steuerungsinstrument?

Die Mitglieder externer Hochschulräte werden mit jeweils einem runden Drittel aus der Wirtschaft und der Wissenschaft rekrutiert, wobei auf Seiten der Wirtschaft die Vertreter von Großunternehmen dominieren. Während an Universitäten die Großunternehmen eindeutig dominieren, werden insbesondere an Fachhochschulen, aber auch bei privaten und technischen Hochschulen die Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen mit regionalem Bezug wichtiger. In den Fachhochschulen, technischen Universitäten und privaten Hochschulen sind die Anteile der Wirtschaftsvertreter deutlich höher. Ein rundes Fünftel der externen Hochschulratsmitglieder kommt aus Politik, Verwaltung oder von Interessengruppen. Nur rund ein Zehntel kommt aus sonstigen Bereichen des öffentlichen Lebens. Gewerkschaftliche Mitglieder sind in den bundesdeutschen Hochschulräten mit nur 3% marginal vertreten und damit ihrem gesellschaftspolitischen Stellenwert als Sozialpartner entsprechend deutlich unterrepräsentiert. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie der Ruhruniversität Bochum [PDF – 484 KB] über die Zusammensetzung von extern (mit)besetzten Hochschulräten an deutschen, schweizerischen und österreichischen Hochschulen. Wolfgang Lieb

BILD: So macht die Schule unsere Kinder kaputt

Seit der Hessenwahl und der Schlappe für Koch ist öffentlich geworden, welcher Unmut sich in der Schulpolitik gegen G 8, das Abitur nach 12 Jahren angestaut hat. Wieder einmal wie auf Kommando wird Schulstress zum Thema der konservativen Leitmedien. BILD eröffnete mit Reinhold Beckmann „Schulen überfordern unsere Kinder“ und schiebt einen Schulreport nach. Auch die FAZ alarmiert: „Hände weg von unserer Kindheit“ und das Boulevard-Blatt für die selbsternannte Intelligenz, der SPIEGEL plädiert: „Besser lernen ohne Hausaufgaben“. Es sind genau diese Kreise, die zuvor jahrelang dagegen polemisiert haben, dass in Deutschland die Ausbildungszeiten zu lang seien, und die Kampagnen für kürzere Schul- und Studienzeiten inszeniert haben. Wolfgang Lieb

Julian Nida-Rümelin: Der nächste Bildungsnotstand

Der Umbau auf Bachelor und Master setzt auf Dequalifizierung. Es schadet dem Land, wenn immer mehr junge Menschen studieren sollen – besser wäre es, die Lehrberufe zu fördern, meint Nida-Rümelin in der SZ. Nida-Rümelin ist ja bekannt dafür, dass er sich mit unorthodoxen Ideen hervortut. Nun spricht er sich in der SZ – entgegen den übereinstimmenden Forderungen von der OECD bis hin zum Urteil nahezu aller Bildungsfachleute – gegen eine allgemeine Anhebung der Akademiker-Quote in Deutschland aus und plädiert für einen Ausbau der beruflichen Lehrberufe. Eine ziemlich unseriöse Alternative und ein unsinniger Weg aus der Überlastung der Hochschulen. Wolfgang Lieb

Baden-Württemberg setzt auf Studierfähigkeitstest

„Studieren im Land Baden-Württemberg ist gar nicht so einfach: 90 Prozent aller Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Wer zum Beispiel an der Fachhochschule Pforzheim das Fach Wirtschaftswissenschaften belegen möchte, dem reicht eine gute Schulnote nicht aus. Er muss einen Studierfähigkeitstest machen. Er soll die Eignung des Studierenden für das Fach überprüfen.“ So berichtet der DLF Statt Geld in die Hand zu nehmen und die Studienkapazitäten auszudehnen, setzt das Land auf Verknappung und Selektion. Das Abitur verliert seine Bedeutung als „allgemeine Hochschulreife“. Die Zeiten sind gekommen, wo wie in Japan oder in den USA Studierwillige nach der Schule ein oder gar zwei Jahre teure und private Paukkurse besuchen müssen, um an eine Hochschule gelangen zu können.

Handelsblatt: „Manager erobern Kontrolle an den Unis“

So titelt am Freitag, den 12. Oktober 2007 das Wirtschaftsblatt: „Die deutsche Wirtschaft gewinnt an Hochschulen mehr und mehr Einfluss: In den neu entstehenden Hochschulräten stellen Manager bereits ein Drittel aller Mitglieder. Von den Vorsitzenden dieser Kontrollgremien kommt sogar fast jeder zweite aus der Wirtschaft. Für die Hochschulen ein Engagement mit Zukunft.“
Am (nicht am selben Tag, sondern) 16. Januar 2008 berichtet die Frankfurter Rundschau: „Mitarbeiter fühlen sich verschaukelt, weil ihr Kandidat nicht in den Hochschulrat darf.“ Ein Gewerkschafter, den die zahlenmäßig größte Gruppe an der Frankfurter Stiftungsuni, die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter, als hochschulinternes Mitglied des Hochschulrates vorgeschlagen hatten, erhielt von der Professorenschaft keine Stimme und fiel durch. Offenbar hätten die Professoren Bedenken gehabt, dass ein Gewerkschafter „nicht genügend Renommee“ für ein Gremium wie den Hochschulrat mitbringt, meint die GEW-Hochschulgruppe.
An der „unternehmerischen“, von Unternehmern gesteuerten Hochschule haben Gewerkschafter nichts verloren. Wolfgang Lieb

Entscheidungsfindung mit dem Finger im Wind – über gravierende politische Fehlentscheidungen wegen Orientierung an Moden und Interessen.

Im „Spiegel” dieser Woche erschien ein Beitrag über den Diebstahl der Kindheit. „Gestresste Schüler, besorgte Lehrer – die Auswirkungen des auf 12 Jahre verkürzten Wegs zum Abitur“. Am 31.12.2007 erschien in SpiegelOnline ein Beitrag unter der Überschrift: „Wie viel Staat braucht das Land?“ (Auszüge siehe Anlage). Da wurde berichtet, dass viele Projekte der Privatisierung und Liberalisierung nicht erfolgreich waren und dass viele Kommunen schon eine Kehrtwende vollziehen. – Um uns herum tobt eine Diskussion um die Riester-Rente. Eine absolut groteske Reform, die man wirklich nur begreift, wenn man untersucht, wo unsere Steuergelder – unpräzise auch staatliche Förderung genannt, so als gebe es einen Goldesel bei Herrn Steinbrück – hinfließen: zur Lobby der Finanzindustrie. – Dann beklagt man die Verwahrlosung und mangelhafte Integration von jungen Menschen, solchen von ausländischer Herkunft und einheimischer. – Und man beklagt die Folgen des kommerzialisierten Fernsehens, der ständigen Darstellung von rücksichtsloser Gewalt, der grassierenden Verblödung. Und so weiter …
In allen diesen Fällen gilt: man konnte leicht vorher wissen, was man anrichtet. Die politische Entscheidungsfindung aber orientiert sich zum ersten an modischen Trends und zum zweiten am großen Geld und dessen Interessen. Albrecht Müller.

Buchbesprechung: Jochen Krautz: Ware Bildung

Krautz beschreibt treffend und faszinierend die Transformation von Bildung zur Ware. Doch wenn er daraus folgert, dass jede Veränderung des Althergebrachten von Übel ist, dann muss er die Vergangenheit idealisieren und verurteilt sich zum Immobilismus.
Von Karl-Heinz Heinemann.

Diese Herrschaften beherrschen künftig die Unis

Gestern haben wir auf einen lesenswerten Beitrag von Martin Kaul über die wissenschafts- und demokratieschädlichen Folgen der Unterwerfung der Hochschulen unter den Primat der Ökonomie hingewiesen. Ich selbst habe schon in mehreren Artikeln davon berichtet, dass wenn man die bisher eingesetzten Hochschulräte in ihrer Zusammensetzung einmal durchgeht, man bei den meisten Hochschulen mit Hochschulräten ehrlicherweise statt von „unternehmerischen“ eher von Unternehmensführern gesteuerten oder wesentlich bestimmten Hochschulen sprechen müsste. Der am 15.12.07 ernannte Hochschulrat der Technischen Universität Dortmund liefert dafür einmal mehr eine Bestätigung. Wolfgang Lieb

Hinweis auf eine Radiosendung: „Steuern rauf – Nachwuchs muss uns teuer sein“

Für heute abend möchten wir Ihnen eine Radiosendung des Hessischen Rundfunks empfehlen:

Alle Schuljahre wieder werden in Deutschland Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern und aus Migrantenfamilien vernachlässigt. Den neuesten Beleg liefert die aktuelle Pisa-Studie. Kein Schulabschluss, keine Lehrstelle, HartzIV-Frust und Aggression inbegriffen.
Das muss schief gehen, wenn ein Land seine einzige Ressource so vernachlässigt: Geiz in der Bildung ist völlig ungeil, denn wir alle haben die Folgekosten zu tragen. >>Der Tag<< fordert den Soli für Bildung und Ausbildung.

hr2-kultur, Der Tag
Montag, 17. Dezember 2007, 18:05 Uhr